Ginko Biloba und die Einheit

Dieses Baums Blatt, der, von Osten,
Meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten,
Wie‘s den Wissenden erbaut.

Ist es Ein lebendig Wesen?
Das sich in sich selbst getrennt;
Sind es Zwei? Die sich erlesen,
Daß man sie als Eines kennt.

Solche Fragen zu erwidern
Fand ich wohl den rechten Sinn;
Fühlst Du nicht an meinen Liedern,
Daß ich Eins und doppelt bin?

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In Helga Simon-Wagenbach, Vollende, was du bist. Thesus Verlag 2007, auf Seite 164 steht:

Goethes Gedicht Ginko Biloba ist eine Metapher, ein Sinnbild sowohl für die innermenschliche als auch die zwischengeschlechtliche Polarität weiblich-männlicher Wirklichkeit in einem. Es ist in diesem Sinne ein Liebesgedicht. Beziehung bedeutet immer, dass eine innere Bewegung der gegenseitigen Anziehung zur Verbindung führt.

Das Lankavatara-Sutra des Mahayana Buddismus sagt: "Die falsche Vorstellung lehrt, dass Dinge wie Licht und Schatten, lang und kurz, schwarz und weiß verschieden sind und auseinandergehalten werden müssen; aber sie sind nicht unabhängig voneinander; sie sind nur verschiedene Aspekte desselben, sie sind Ausdrücke von Beziehungen, nicht Wirklichkeit. Daseinsbedinungen sind nicht von der Art, dass sie sich gegenseitig ausschließen, im Kern sind die Dinge nicht zwei, sondern eins."