Viele Jahre hatte ich Magie, Alchemie und okkulte Wissenschaften studiert und praktiziert. Ich war von dem Gedanken fasziniert, dass eine Gruppe von Menschen eine ungeheure Macht besaß, die auf gar keinen Fall mit dem Rest der Menschheit geteilt werden durfte, weil es höchst riskant wäre, dieses riesige Potenzial in unerfahrene Hände gelangen zu lassen. Ich hatte in Geheimgesellschaften mitgemacht, war in exotische Sekten verwickelt gewesen, hatte sündhaft teure, auf dem Markt nicht erhältliche Bücher gekauft, wahnsinnig viel Zeit mit Ritualen und Initiationen verbracht. Andauernd war ich in irgendwelche Gruppen und Bruderschaften ein- und wieder ausgetreten, in der fieberhaften Hoffnung, jemanden zu treffen, der mir endlich die Mysterien der nichtsichtbaren Welt enthüllen würde. Und ich war jedesmal wieder enttäuscht, wenn ich herausfand, dass die meisten dieser Menschen - sosehr sie auch von guten Absichten geleitet waren - nur blind einem Dogma folgten und häufig zu Fanatikern wurden, weil Fanatismus der einzige Ausweg aus den Zweifeln ist, die die Seele des Menschen unaufhörlich quälen.
Ich hatte herausgefunden, dass viele der Rituale tatsächlich funktionierten. Aber ich hatte auch herausgefunden, dass diese selbsternannten Meister, die behaupteten, um die Geheimnisse des Lebens zu wissen, Techniken zu kennen, die jedem Menschen, die Fähigkeit verleihen, alles zu erreichen, was er will, die Verbindung zu den Lehrer der Alten bereits verloren hatten. Auf dem Jakobsweg zu gehen, und zu entdecken, dass das Universum eine eigene Sprache spricht (die Sprache der Zeichen) und wir, um sie zu verstehen, nur mit wachem Geist das anzuschauen brauchen, was um uns herum geschieht - all das hat mich daran zweifeln lassen, dass der Okkultismus wirklich das einzige Tor zu diesen Mysterien ist. In meinem Buch über den Jakobsweg beginne ich nun, über andere Möglichkeiten des Wachsens nachzudenken, und komme zu dem Schluss: „Es reicht, aufmerksam zu sein; die Lektionen kommen immer dann, wenn du bereit bist und offen für die Zeichen, und sie lehren dich alles, was du für den nächsten Schritt brauchst.“
Allerdings gibt es da immer zwei Probleme: Das erste ist, zu wissen, wann man etwas anfängt, das zweite, wann man damit aufhört.
Quelle: Paolo Coelho - Der Zahir, Diogenes 2006, S.37-38
über das Buch