Kluge Worte von Raymond Feist

"Hier gibt es verschiedene Hauptprobleme, Probleme, über deren Bedeutung für das Kaiserreich ich nur Vermutungen anstellen kann.
Erstens sind diejenigen an der Macht mehr an ihrer eigenen Größe als am Wohlergehen des Kaiserreichs interessiert. Und da sie es sind, die nach außen hin für den flüchtigen Beobachter, das Kaiserreich verkörpern, ist es nicht schwer, das zu übersehen."
"Was meinst du damit?" fragte der ältere Magier.
"Wenn du an die Weltgeschichte denkst, an was denkst du dann? An die Geschichte von Armeen, die über Landesgrenzen hinweg Krieg führen? Oder an den Aufstieg der Versammlungen? Vielleicht erinnerst du dich auch an eine Chronik der Herrscher? Was es auch ist, höchstwahrscheinlich wird die eine, einzige und offensichtlichste Wahrheit übersehen. Das Kaiserreich, das sind all jene, die innerhalb seine Grenzen leben, von den Adligen bis herab zu den einfachsten Dienern, selbst die Sklaven, die auf den Feldern arbeiten, gehören dazu. Es muss als ein Ganzes gesehen werden. Es wird nicht durch einen kleinen, sichtbaren Teil verkörpert wie zum Beispiel durch den Kriegsherrn oder den Hohen Rat. Verstehst du das?"
"Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube schon ... fahre fort."
"Wenn das wahr ist, dann denke über den Rest nach. Zweitens darf es niemals eine Zeit geben, in der das Bedürfnis nach Stabilität das nach Wachstum und Größe übertrifft."
"Aber wir sind immer größer geworden!" wandte der Ältere ein.
"Das stimmt nicht", widersprach der Jüngere. "Ihr habt eure Grenzen ausgedehnt, und das sieht dann aus wie Größe, wenn man nicht genauer nachforscht. Aber während eure Armeen euch neues Land einverleibt haben, was ist in dieser Zeit aus eurer Kunst, eurer Musik, eurer Literatur und Forschung geworden? Selbst die Versammlung tut kaum mehr, als alles das zu verfeinern, was bereits bekannt ist. Du hast vorhin gesagt, dass ich meine Zeit verschwende mit der Suche nach neuen Wegen. Nun was ist daran nicht in Ordnung? Da stimmt alles. Aber es stimmt etwas nicht mit einer Gesellschaft, wenn sie auf alles Neue nur mit Mißtrauen blickt.
Schau dich doch um. Eure Künstler sind entsetzt, wenn etwas Neues hinzukommt. Eure Musiker verbringen all ihre Zeit damit, die alten Lieder zu lernen. Sie spielen sie perfekt, auf die Note genau, aber niemand komponiert neue oder wenigsten hübsche Abwandlungen der jahrhundertealten Melodien. Niemand schafft neue Epen. Sie erzählen nur immer wieder die alten. Euer Volk stagniert. Der Krieg ist nur ein Beispiel dafür. Er ist ungerechtfertigt. Er wird nur aus Gewohnheit geführt, um gewisse Gruppen an der Macht zu halten, um Reichtum für jene anzuhäufen, die bereits reich sind, und um das Spiel des Rates zu spielen. Und die Kosten! Jahr für Jahr werden Tausende von Leben vergeudet, das Leben derjenigen, die das Kaiserreich *sind*, seiner eigenen Bürger. Das Kaiserreich ist ein Kannibale, der seine eigenen Bürger verschlingt."
Der ältere Magier war beunruhig von dem, was er das hörte, denn es stand im totalen Gegensatz zu dem, was er zu sehen glaubte: einer lebendigen, energischen Kultur.
"Drittens: Wenn es meine Pflicht ist, dem Kaiserreich zu dienen, und wenn die soziale Ordnung des Kaiserreichs für seine Stagnation verantwortlich ist, dann ist es auch meine Pflicht, die soziale Ordnung zu ändern, selbst wenn ich sie dabei zerstören muss."
"Ich verstehe, was du sagst, aber das wovon du sprichst, ist zu vielschichtig, um sofort verstanden zu werden."
Die Stimme des jüngeren nahm einen beruhigenden Ton an. "Ich will damit nicht sagen, dass die Zerstörung der jetzigen Sozialen Ordnung die einzig mögliche Lösung wäre. Ich habe das nur gesagt, um dich zu schockieren und meinen Standpunkt klarzumachen. Aber wenn ich zu einer Entscheidung komme, was getan werden muss, dann werden ich handeln."

Raymond Feist, Die Midkemia-Saga 2: Der verwaiste Thron, München 1982

Gustav Landauer - Die Revolution

Wir kennen überhaupt nur eine Revolution, so meine ich ein ganz konkretes Vorkommnis unserer eigenen Geschichte, ein Vorkommnis, in dem wir noch selbst mitten drinstehen, und ich meine, dass wir nicht imstande sind, über einen Vorfall, in dem wir noch selbst, wenn auch nur als stumme Hunde, agieren, Wissenschaft zu treiben. Denn alle wissenschaftliche Behandlung braucht doch wohl einen Standort außerhalb des betrachteten Gegenstandes.

Der Vorfall, von dem ich rede, ist die Revolution, die mit der sogernannten Reformationszeit begonnen hat. Die Etappen dieser Revolution sind: die eigentliche Reformation mit ihren geistigen und sozialen Umwandlungen, ihren Säkularisationen und Staatenbildungen - der Bauernkrieg - die englische Revolution - der Dreißigjährige Krieg - der amerikanische Unabhängigkeitskrieg, weniger um seiner Vorfälle, als seiner geistigen Prozesse und Ideen willen, mit denen er den stärksten Einfluss auf das ausübte, was nun folgt: die große Französische Revolution.

Es wird im ferneren gezeigt werden, dass die große Französische Revolution nicht nur in Frankreich, sondern in Europa dauert und lebendig ist von 1789 bis 1871, und dass das Jahr 1871 einen deutlichen und merkbaren Einschnitt bedeutet.

Ich habe aber nicht die Kühnheit zu behaupten, damit sei die gewaltige Bewegung, deren Beginn ich ins 16.Jahrhundert setze, am Ende, erloschen, versickert. Ich behaupte nur, wir seien jetzt gerade in einer kleinen Pause, und es hängt ganz und gar von unserer Natur, von unserem Willen, von unserer inneren Macht ab, ob wir den Punkt, in dem wir stehen, als einen Wendepunkt, als eine Entscheidung betrachten oder als einen Ort größter Faulheit und Ermattung.

Die nach uns kommen, werden es wissen, das kann aber nur heißen: sie werden es anders wissen. Selbstverständlich leugne ich nicht, dass nach meiner eigenen Darstellung man in dem Zeitraum dieser vierhundert Jahre auch von mehreren Revolutionen und von immer festgesetzten Stabilitäten sprechen kann.

Man wird mir sagen, meine Konstruktion eines einheitlichen, untrennbaren, zusammengehörigen Verlaufs mit allerlei Auf und Ab und ohne dass er jetzt schon zu Ende wäre, sei eine Willkür. Ich kann nur erwidern, dass ich gerade das behaupte, dass ich nur hinzufüge, dass alle geschichtliche Betrachtung all dieser Dinge unter dem Einfluss unseres Willens, unserer gegenwärtigen Zustände, mit einem zusammenfassenden Wort: unseres Weges steht.

Ich behaupte sogar, dass unser geschichtliches Gedächtnis viel weniger von den Zufällen der äußeren Überlieferung und Erhaltung abhängt als von unserem Interesse. Wir wissen von der Vergangenheit nur unsere Vergangenheit; wir verstehen von dem Gewesenen nur, was uns heute etwas angeht; wir verstehen das Gewesene nur so, wie wir sind; wir verstehen es als unseren Weg.

Anders ausgedrückt heißt das, dass die Vergangenheit nicht etwas Fertiges ist, sondern etwas Werdendes. Es gibt für uns nur Weg, nur Zukunft; auch die Vergangenheit ist Zukunft, die mit unserem Weiterschreiten wird, sich verändert, anders gewesen ist.

Damit ist nicht bloß gemeint, dass wir sie je nach unserem Weiterschreiten anders betrachten. Das wäre zu wenig gesagt. Ich behaupte vielmehr aller Paradoxie zum Trotz ganz wörtlich, dass die Vergangenheit sich ändert. Indem nämlich in der Kette der Kausalität nicht eine starre Ursache eine feste Wirkung hervorbringt, diese wieder zur Ursache wird, die wieder ein Ei legt usw. So ist es nicht.

Nach dieser Vorstellung wäre die Kausalität eine Kette hintereinander folgender Posten, die alle außer dem Letzten still und angewurzelt feststünden. Nur der Letzte geht einen Schritt vorwärts, aus ihm entspringt dann ein Neuer, der wieder weiter vorgeht und so fort. Ich sage dagegen, dass es die ganze Kette ist, die vorwärts geht, nicht bloß das äußerste Glied. Die sogenannten Ursachen verändern sich mit jeder neuen Wirkung.

Die Vergangenheit ist das, wofür wir sie nehmen, und wirkt dementsprechend sich aus; wir nehmen sie aber nach Tausenden von Jahren als ganz etwas anderes als heute, wir nehmen sie oder sie nimmt uns mit fort auf den Weg.

Gustav Landauer - Die Revolution, 1. Auflage, Oktober 2003, Band 9 der Reihe "Klassiker der Sozialrevolte", hrsg. von Jörn Essig-Gutschmidt, UNRAST-Verlag, Münster, Mitglied in der assoziation Linker Verlage (aLiVe)

https://ptgustavlandauer.files.wordpress.com/2016/09/landauer-die-revolution.pdf

Anarchie & Liebe

Es geht los, und tatsächlich hilft die Wikipedia gleich aus den Puschen:

"Anarchie bezeichnet einen Zustand der Abwesenheit von Herrschaft. Er findet hauptsächlich in der politischen Philosophie Verwendung, wo der Anarchismus für eine solche soziale Ordnung wirbt. Landläufig wird Anarchie auch mit einem durch die Abwesenheit von Staat und institutioneller Gewalt bedingten Zustand gesellschaftlicher Unordnung, Gewaltherrschaft und Gesetzlosigkeit angenommen und vor allem in vielen Medien häufig den eigentlichen Sinn verfälschend im Schlagwort „Chaos und Anarchie“ verwendet. Die tatsächliche Bezeichnung für einen solchen Zustand ist jedoch Anomie."

Was die Liebe angeht, finde ich die christliche Sichtweise weitgehend hilfreich:

"Christen glauben, dass die Liebe zu Gott mit ganzem Herzen, Verstand und Kraft und die Liebe zum Nächsten wie zu sich selbst die beiden wichtigsten Gebote im Leben sind. Der heilige Augustinus fasste dies zusammen, als er schrieb:

„Liebe Gott und tu, was du willst.“

Der Apostel Paulus verherrlichte die Liebe als die wichtigste Tugend von allen. In der berühmten poetischen Interpretation in 1. Korinther schrieb er:

„Liebe ist geduldig, Liebe ist gütig.
Sie beneidet nicht, sie prahlt nicht, sie ist nicht stolz.
Sie ist nicht unhöflich, sie ist nicht selbstsüchtig,
sie nicht leicht verärgert, sie hält keine Aufzeichnungen über Unrecht.
Die Liebe erfreut sich nicht am Bösen,
sondern freut sich an der Wahrheit.
Sie beschützt immer, vertraut immer,
hofft immer und hält immer durch.“
(1 Kor 13,4–7, NIV)