Transformation - Annäherungen an eine Theorie und Praxis des Systemwandels

Von Johannes Krause, Frühjahr 2014

Statt die Zustände Schritt für Schritt zu verbessern, was lange Zeit die Hoffnung vieler engagierter Menschen und Organisationen gewesen war, scheint es derzeit, als bewegte sich die Weltgesellschaft tiefer und tiefer in eine große Krise hinein, aus der kein Ausweg in Sicht ist.

Schon wieder eine Weltuntergangswarnung? Hat es davon nicht seit den „Grenzen des Wachstums“ (1972) genug gegeben? Hat das „System“ nicht allen Warnrufen zum Trotz bisher ganz beachtlich weiter funktioniert? Es geht hier nicht um Weltuntergang – wohl aber um eine Bedrohung der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Balance der Zusammenhänge, in denen wir auf diesem Planeten leben. Diese Bedrohung scheint heute von neuer Qualität zu sein:

Der Klimawandel schreitet drastisch voran. Das ZeitFenster, in dem noch gegengesteuert werden kann, bevor systematische Kipp-Punkte erreicht sind, schließt sich. Die Weltgemeinschaft zeigt sich nicht nur konsequent unfähig, die Erderwärmung mit einer gemeinsamen Anstrengung einzudämmen, sondern seit der vertanen Chance von Kopenhagen 2009 auch resigniert. Ähnlich dramatisch ist es um den Erhalt der Artenvielfalt bestellt.

Der globale Ressourcenverbrauch wächst ungebremst. Das Wirtschaftswachstum in den so genannten Schwellenländern ist enorm. Auch in den bereits hoch industrialisierten Ländern setzen die Regierungen weiterhin auf Wachstum. Die Industrie generiert Nachfrage nach immer neuen Produkten. In der Überflussgesellschaft sind Konsum und Shopping zu zentralen Kulturgütern geworden. Das Wirtschaftssystem braucht Wachstum, um stabil zu funktionieren – doch die Erde ist begrenzt.

Die Finanzkrise hat die Fragilität unseres Wirtschafts- und Finanzsystems, die verheerenden Auswirkungen seiner immer weniger kontrollierbaren Eigendynamiken und seine Entkopplung von realen Bedürfnissen einerucksvoll unter Beweis gestellt.

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Dieser Essay exploriert die Dynamiken systemtransformativer Prozesse und die Möglichkeiten, die Große Transformation aktiv mitzugestalten. Im Folgenden möchte ich der Frage nachgehen, welches Paradigma dem gegenwärtigen System im Kern zugrunde liegt (Abschnitt II.), einige Theorien und Modelle der Systemtransformation vorstellen (Abschnitt III.), die Grenzen reflektieren, denen die Gestaltbarkeit von Transformationsprozessen prinzipiell unterworfen ist (Abschnitt IV.), und abschließend skizzieren, welche Ansatzpunkte ich dennoch sehe, den Systemwandel praktisch zu unterstützen (Abschnitt V.).

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