Die Nebenübungen, auch die sechs Eigenschaften oder die sechs Tugenden genannt, dienen der Stärkung des Seelenlebens und sind eine wesentliche Vorbedingung für jeden, der eine geistige Schulung anstrebt. Konsequent ausgeübt führen sie bis an die imaginative Erkenntnis heran und weiter zur Inspiration und Intuition.
Diese Nebenübungen, die keinesfalls nebensächlich, sondern essentiell für jede zeitgemäße Geistesschulung sind, müssen stets die meditativen Hauptübungen begleiten. Indem man sich in diesen sechs Eigenschaften übt, wird die 12-blättrige Lotosblume, das Herzchakra, regelmäßig ausgebildet, wird aktiv und beginnt sich im Uhrzeigersinn zu drehen, womit die Basis für ein bewusstes, intuitives, in die Wesen eintauchendes Herzdenken geschaffen wird.
Die Nebenübungen wurden von Rudolf Steiner in verschiedenen Varianten gegeben. Im Kern geht es immer um die Entwicklung folgender sechs Eigenschaften:
Gedankenkontrolle
Sie besteht darin, daß man wenigstens für kurze Zeiten des Tages nicht
alles mögliche durch die Seele irrlichtelieren läßt, sondern einmal Ruhe
in seinem Gedankenlaufe eintreten läßt. Man denkt an einen bestimmten
Begriff, stellt diesen Begriff in den Mittelpunkt seines Gedankenlebens
und reiht hierauf selbst alle Gedanken logisch so aneinander, daß sie
sich an diesen Begriff anlehnen. Und wenn das auch nur eine Minute
geschieht, so ist es schon von großer Bedeutung für den Rhythmus des
physischen Leibes und des Ätherleibes.
Initiative des Handelns,
das heißt, man muß sich zwingen zu wenn auch unbedeutenden, aber aus
eigener Initiative entsprungenen Handlungen, zu selbst auferlegten
Pflichten. Die meisten Ursachen des Handelns liegen in
Familienverhältnissen, in der Erziehung, im Berufe und so weiter.
Bedenken Sie nur, wie wenig eigentlich aus der eigenen Initiative
hervorgeht! Nun muß man also kurze Zeit darauf verwenden, Handlungen aus
der eigenen Initiative hervorgehen zu lassen. Das brauchen durchaus
nicht wichtige Dinge zu sein; ganz unbedeutende Handlungen erfüllen
denselben Zweck.
Gelassenheit
Das dritte, um was es sich handelt, kann man nennen Gelassenheit. Da
lernt man den Zustand des Hin- und Herschwankens zwischen «himmelhoch
jauchzend» und «zum Tode betrübt» regulieren. Wer das nicht will, weil
er glaubt, daß dadurch seine Ursprünglichkeit im Handeln oder sein
künstlerisches Empfinden verlorengehe, der kann eben keine okkulte
Entwickelung durchmachen. Gelassenheit heißt, Herr sein in der höchsten
Lust und im tiefsten Schmerz. Ja, man wird für die Freuden und Leiden in
der Welt erst dann richtig empfänglich, wenn man sich nicht mehr
verliert im Schmerz und in der Lust, wenn man nicht mehr egoistisch
darin aufgeht. Die größten Künstler haben gerade durch diese
Gelassenheit am meisten erreicht, weil sie sich dadurch die Seele
aufgeschlossen haben für subtile und innere wichtige Dinge.
Unbefangenheit
Das vierte ist, was man als Unbefangenheit bezeichnen
kann. Das ist diejenige Eigenschaft, die in allen Dingen das Gute sieht.
Sie geht überall auf das Positive in den Dingen los. Als Beispiel
können wir am besten eine persische Legende anführen, die sich an den
Christus Jesus knüpft: Der Christus Jesus sah einmal einen krepierten
Hund am Wege liegen. Jesus blieb stehen und betrachtete das Tier, die
Umstehenden aber wandten sich voll Abscheu weg ob solchen Anblicks. Da
sagte der Christus Jesus: Oh, welch wunderschöne Zähne hat das Tier! -
Er sah nicht das Schlechte, das Häßliche, sondern fand selbst an diesem
eklen Kadaver noch etwas Schönes, die weißen Zähne. Sind wir in dieser
Stimmung, dann suchen wir in allen Dingen die positiven Eigenschaften,
das Gute, und wir können es überall finden. Das wirkt in ganz mächtiger
Weise auf den physischen und Ätherleib ein.
Glaube
Das nächste ist der Glaube. Glauben drückt im
okkulten Sinne etwas anderes aus, als was man in der gewöhnlichen
Sprache darunter versteht. Man soll sich niemals, wenn man in okkulter
Entwickelung ist, in seinem Urteil durch seine Vergangenheit die Zukunft
bestimmen lassen. Bei der okkulten Entwickelung muß man unter Umständen
alles außer acht lassen, was man bisher erlebt hat, um jedem neuen
Erleben mit neuem Glauben gegenüberstehen zu können. Das muß der
Okkultist bewußt durchführen. Wenn einer zum Beispiel kommt und sagt:
Der Turm der Kirche steht schief, er hat sich um 45 Grad geneigt - so
würde jeder sagen: Das kann nicht sein. - Der Okkultist muß sich aber
noch ein Hintertürchen offen lassen. Ja, er muß so weit gehen, daß er
jedes in der Welt Erfolgende, was ihm entgegentritt, glauben kann, sonst
verlegt er sich den Weg zu neuen Erfahrungen. Man muß sich frei machen
für neue Erfahrungen; dadurch werden der physische und der Ätherleib in
eine Stimmung versetzt, die sich vergleichen läßt mit der wollüstigen
Stimmung eines Tierwesens, das ein anderes ausbrüten will.
Inneres Gleichgewicht
Und dann folgt als nächste Eigenschaft inneres Gleichgewicht. Es bildet
sich durch die fünf anderen Eigenschaften nach und nach ganz von selbst
heraus.
Auf diese sechs Eigenschaften muß der Mensch bedacht sein. Er muß sein
Leben in die Hand nehmen und langsam fortschreiten im Sinne des Wortes:
Steter Tropfen höhlt den Stein.
Text von anthrowiki.at
Eine Dame stellt uns die Übungen vor:
Rudolf Steiner/Erste Nebenübung, Gedankenkontrolle
Rudolf Steiner/Zweite Nebenübung, Willensschulung
Rudolf Steiner/Dritte Nebenübung, Gelassenheit gegenüber Lust und Leid
Rudolf Steiner/Vierte Nebenübung, Positivität
Rudolf Steiner /Fünfte Nebenübung, Unbefangenheit
Rudolf Steiner/Sechste Nebenübung, Harmonisierung