Wovon träumen Libertäre?

Alle liberalen und libertären Strömungen haben als zentrales Prinzip das Selbsteigentum. Und sie wollen den Staat vollständig oder zumindest teilweise abschaffen. Das macht sie natürlich aktuell für staatliche Verfassungsschützer zu Staatsfeinden und Linksradikalen. Aber sind sie wirklich linksradikal? Sie fordern nämlich, aktuelle Staatsaufgaben so weit wie möglich auszulagern und auf private Hände zu übertragen. Und als Basis für die Gesellschaft verlangen sie robuste Eigentumsrechte und weit reichende wirtschaftliche Freiheit.

Betrachten wir als erstes das libertäre Eigentum genauer. Hinsichtlich der Berechtigung zu und des Erwerbs von privatem Eigentum gibt es innerhalb des Liberalismus bzw. des Libertarismus unterschiedliche Auffassungen. Grundsätzlich machen sie eines geltend: In der freien, libertären Gesellschaft ist Eigentum nur das Ergebnis freiwilliger Interaktion und keine politische Doktrin.

Umstritten ist unter Libertären, inwiefern aus dem Prinzip des Selbsteigentums auch das Recht auf Privateigentum an materiellen Ressourcen folgt. Viele Anarchokapitalisten gehen von einem naturrechtlich begründeten Eigentumsrecht aus. Linkslibertäre erkennen kein absolutes Recht auf Privateigentum an externen Gütern, insbesondere Land, an.

Linkslibertäre streben eine Kombination aus Selbsteigentum und gerechter Verteilung von Ressourcen an. Nur interne Güter, die aus der eigenen Leistung hervorgehen, könnte man sein eigen nennen. Hierbei wird der Gemeinschaft, zumindest im Vorfeld, ein gemeinsames Recht an natürlichen Ressourcen eingeräumt. Der Besitzer müsse eine Zahlung an die Gemeinschaft verrichten.

Gegen die anarchokapitalistische Eigentumstheorie, die ohne Staat auskommt, sagen manche: Sofern es in einer Massengesellschaft Gerechtigkeit geben solle, in der ein Eigentümer sein Eigentum in irgendeiner Weise „verdient“ oder „erarbeitet“ haben muss, müsse ein Rechtsstaat als Gewaltmonopolist dieses Eigentum garantieren.

Einige Libertäre stimmen dieser Position zu, während Anarchokapitalisten auf etwas wichtiges verweisen: Im Verhältnis der Staaten zueinander fehlt ein oberster Gewaltmonopolist. Doch auch ohne diese Instanz ist friedliches Zusammenleben inklusive Eigentumsschutz offensichtlich möglich. Offensichtlich - wenn man sich die Welt anschaut.

Manche meinen, diesem Argument widerspräche das ständige Auftreten und Fortbestehen von intra- und internationalen Konflikten und Kriegen. Das gilt allerdings nur, wenn man meint, Kriege zwischen Staaten werden von der Bevölkerung initiiert. Die Geschichte lehrt uns aber, dass es die Herrscher sind, die Völker in den Krieg hetzen. Also: Gibt es keine Herrscher bzw. Staaten mehr, gibt es keine Kriege mehr.

Erstes Fazit: Einig sind sich die Libertären darüber, dass das Privateigentum ein zentrales Element der Gesellschaftsordnung sein soll und größtmögliche Freiheit braucht. Aber es gibt unterschiedliche Auffassungen über Eigentum an natürlichen und intellektuellen Ressourcen. Und, ob es für die Organisation dieser Freiheit einen Staat braucht oder nicht, ist auch nicht klar.

Die Gesellschaftsform


Einige Libertäre befürworten einen strikten Minimalstaat andere fordern eine mehr oder weniger große Rolle der Regierung. Der Anarchokapitalismus will alle traditionellen Staatsaufgaben dem Markt übertragen, beispielsweise innere und äußere Sicherheit. Ihnen ist selbst der Minimalstaat zu groß.

Anmerkung: Hier ist es sinnvoll sich von der Vorstellung von Staatsgrenzen zu lösen. Wenn es keinen Staat gibt, muss auch kein Staat gesichert werden. Was gesichert werden muss, und in welchem Gebiet, organisiert die Gesellschaft in freier (Markt)Form.

Die klassischen Liberalen verstehen staatliche Zwänge als sinnvoll, wenn es um die Bereitstellung öffentlicher Güter geht. Auch viele Libertäre möchten eine kleine Regierung, um Missbrauch zu vermeiden. Aber um Nichts Die-Freiheit-Einschränkendes zu haben, lehnen sie das eingreifende Staatswesen grundsätzlich ab und fordern eine Reduktion des Staates auf seine Funktion zur Sicherstellung der Grundfreiheiten. Denn grundsätzlich meinen Libertäre: Wenn es keinerlei Einschränkungen für privates Eigentums gäbe, würden individuelle Rechte und Marktkräfte eine friedliche, gerechte Gesellschaft ermöglichen.

Monarchie oder was?


Wenn Libertäre einen kleinen Rest-Staat befürworten, nennt man sie libertäre Monarchisten, d.h. sie betrachten einen minimalen Staat mit einer minimalen Steuerquote als notwendiges Übel für das Aufrechterhalten öffentlicher Institutionen zum Schutz von Bürgerfreiheiten und Eigentumsrechten, beispielsweise der Polizei, eines freiwilligen Militärs ohne Wehrpflicht und öffentlicher Gerichte.

Im Gegensatz dazu befürworten Anarchokapitalisten eine Gesellschaft, in der diese Aufgaben durch private Organisationen kommerzieller und nichtkommerzieller Art wahrgenommen werden. Das nennen sie „Spontane Ordnung“.

Interessant ist: Anarcho-Kapitalisten sind der Überzeugung, dass kein Staatswesen in einem vernünftigen Rahmen gehalten werden kann. Ein Staatswesen entwickelt sich immer zu einem despotischen Zwangssystem. Der „Wille zu Macht“ ist menschlich.

Dennoch überlappen sich die politischen Positionen von Monarchisten und Anarcho-Kapitalisten zu aktuellen Mainstreamthemen. Beide Pole betrachten das aktuell existierende Staatswesen als zu eindringlich und bevormundend.

Die Wirtschaft


Für viele Libertäre ist eine Organisation der Gesellschaft nach dem Marktprinzip letztlich die stabilste Form der Gesellschaft, die den größten Wohlstand für alle nach sich zieht. Sie fordern daher ein völliges Laisser-faire sowohl im Bereich der Wirtschafts- als auch der Gesellschaftspolitik.

Generell vertreten sie die Ansicht, der Marktmechanismus könne Aufgaben besser und günstiger lösen, als es durch Staaten jemals möglich wäre. Darum befürworten sie beispielsweise echten Freihandel und Bankfreiheit.

Libertäre betrachten jede Form staatlichen Eingreifens in die Wirtschaft, etwa durch Einschränkung der Vertragsfreiheit oder Steuern, als illegitime „Enteignung“: Steuern sind Diebstahl.

Eine Ausnahme sind die Anhänger Henry Georges, sog. Geolibertarians. Sie erachten eine Steuer auf den Grundbesitz für notwendig.

Kritisiert wird natürlich auch das Eingreifen des Staates in das Privatleben der Menschen, etwa durch staatliche Überwachung oder Wehrpflicht.

Kritik am Staatsapparat


Die Zurückweisung und Beschränkung staatlicher Macht fußt auf einer klaren Auffassung. Libertäre erkennen im Staat eine Ansammlung egoistischer Individuen, welche die ihnen zur Verfügung stehende Macht zuallererst zur eigenen Bereicherung nutzten.

Für Libertäre kann kein zentral geleiteter Staat wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Aufgaben bewältigen. Für sie ist es ein Irrtum, dass der Staat durch zentrale Planung und Intervention Probleme lösen könne.

Libertäre werfen politischen Gegnern häufig „Staatsfetischismus“ vor, weil diese dem Staat ausufernde Macht zugestehen, ohne den praktizierten Machtmissbrauch durch Politiker zu reflektieren.

Ihrer Auffassung nach dienen staatliche Interventionen nur den Interessen von Lobbys. Kombiniert mit zu großer Macht fügen Staaten vielen Menschen großen Schaden zu.

Dementsprechend verstehen sie die Globalisierung als Selbstentfaltung weltweit vernetzter Wirtschaftsakteure, die autoritäre Staaten durch Protektionismus einschränken wollten, um ihre eigene Macht zu erhalten.

Demokratie?


Die meisten Libertären sind skeptisch gegenüber einer rechtsstaatlich uneingeschränkten bzw. wenig eingeschränkten Demokratie. Einige lehnen sie als Regierungsform ab. Sie kritisieren u.a. das irrationale Wählerverhalten in der Demokratie. Hoppe, ein aktueller deutscher Libertärer, befürwortet „Freiheit statt Demokratie“ und sieht die Monarchie gegenüber der Demokratie als geringeres Übel an.

Andererseits gibt es auch Überlegungen und Bestrebungen Demokratie und Liberalismus miteinander zu verbinden: Eine libertäre Demokratie wäre ein demokratisch und rechtsstaatlich verfasster Minimalstaat. Er böte einen stabilen Ordnungsrahmen mit innerer, äußerer sowie rechtlicher Sicherheit und hielte sich aus der Gestaltung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens weitgehend heraus.

Entsprechend dem Politikwissenschaftler Thomas Meyer ist die libertäre Demokratie geprägt durch „eine freie Marktwirtschaft verbunden mit freiem Privateigentum und der individuellen Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger für ihr soziales und wirtschaftliches Wohlergehen“ und einem selbst regulierten Markt.

Thomas Meyer sieht diese libertäre Demokratie als die der sozialen Demokratie entgegengesetzte Hauptausprägung. Er hält sie für eine der großen politischen Strömungen, die in „der globalen Arena unserer Zeit“ „um intellektuellen und politischen Einfluss ringen“, neben sozialer Demokratie und politisch-religiösem Fundamentalismus.

Zum Weiterdenken

 

"Im Gegensatz zur gängigen Meinung, dass die heutige Weltordnung „kapitalistisch“ oder „neoliberal“ dominiert sei, betrachten viele Libertäre das derzeitige globale Staatssystem als sozialistisch. Zudem sehen sie eine generelle Tendenz zu Totalitarismus und Kollektivismus."

"Als ideologisches Bindeglied zwischen Liberalismus und Rechtsextremismus fungierte laut Priester der Sozialdarwinismus mit der naturgewollten Überlegenheit der Starken gegenüber den Schwachen und der Elite gegenüber der Masse."

Einige Worte von Peter Mühlbauer aus dem Jahr 2000 von www.heise.de:

[…] „Libertarianism“ ist, kurz gesagt, die Absolutsetzung der Individualrechte. Aus dem Glauben an ein absolutes und uneinschränkbares Recht auf Privateigentum erwächst die libertäre Forderung nach Laisser-faire in der Wirtschaft. Steuern werden als institutionalisierter Diebstahl von Privateigentum betrachtet, […] Eine volkstümliche Definition von „libertarianism“ lautet deshalb „Anarchismus für Reiche.“

"Auch einflussreiche libertäre Ideologie ist meist recht hausbacken. Sie setzt sich kaum mit Widersprüchen auseinander und beschränkt sich auf ein Preisen der heilenden Kräfte des Eigennutzes und des Marktes sowie auf ein Verdammen staatlicher Einflussnahme. Gerade diese Hausbackenheit scheint aber ein Ideal für libertäre Ideologie zu sein.“

"An den Schnittstellen von Technologie und populärer Kultur ist libertäre Ideologie besonders deutlich sichtbar: Die 1982 gegründete "Libertarian Futurist Society" vergibt jährlich den "Prometheus Award" für den besten libertären Science Fiction-Roman sowie den "Hall of Fame Award" für den besten klassischen Freiheitsroman."

"Die "Island One Society" ist eine Gruppe von Libertären, die auf eine Kolonisation des Weltraums, auf ein Öffnen der Space Frontier hinarbeitet. Das von Libertären initiierte Artemis Project will eine private ständige Siedlung auf dem Mond errichten."

"Doch nicht nur der Weltraum dient libertärer Ideologie als Projektionsfeld: Transhumanisten und "Extroprianer" sind Libertäre, die auf künstliche Veränderungen des menschlichen Körpers bzw. auf dessen Unsterblichkeit oder Überwindung hinarbeiten."

"Die Bionomik beschreibt ökonomische Prozesse mit Metaphern aus der Biologie, wobei sie in ihren Ergebnissen meist zu libertären Sichtweisen kommt."

"Im Computerbereich verbindet libertäre Ideologie so gegensätzliche Figuren wie den Open Source-Theoretiker Eric Raymond, der das Libertarianism FAQ verfasste, und den Microsoft-Program Manager Vinod Valloppilli. Auch wo es um die freie Rede, die Privatsphäre oder um Kryptographie geht, sind libertäre Organisationen wie das Center for Democracy&Technology stark vertreten."

"Auf der anderen Seite findet sich libertäre Ideologie auch in rückständigeren gesellschaftlichen Bereichen: bei den Milizen und den militanten Waffenbesitzern sowie bei den Gegnern öffentlicher Schulen."

„Der Begriff „Anarchist“ wird […] als politische Theorie definiert, die alle Formen von staatlicher Autorität für „nicht notwendig und nicht wünschenswert“ ansieht. Das Wort selbst kommt vom griechischen ajnarciva - ohne Herrschaft.“

„Tatsächlich entstand [der Anarcho-Kapitalismus] erst mit der Libertären Ideologie ab den 1940er Jahren. Amerikanische Individualanarchisten […] argumentierten, dass der Anarchismus die aus der Zinsnahme resultierende Ausbeutung mit den Mitteln des freien Wettbewerbs von selbst abschaffen würde."

„Die ungerechte Mehrwertabschöpfung […] resultierte […] nicht aus dem ökonomischen Prozess selbst, sondern aus Privilegien, d. h., aus der Verfügungsgewalt von wenigen Menschen über viel Macht, was schließlich zu Monopolen führt. Absolut freier Wettbewerb hat […] einen „gerechten Preis“ von Waren und Arbeit zur Folge."

"Wie die vier Reiter der Apokalypse kannte Benjamin Tucker vier Monopole: das Landmonopol, das Kreditmonopol, das Zollmonopol, sowie das Urheber- und Patentmonopol. Den Staat sah Tucker als obersten Bösewicht und Verursacher dieser Monopole“

 

Anmerkung


Die meisten Infos sind dem Wikipedia-Artikel Libertarismus entnommen. Die meisten Anregungen zum Weiterdenken stammen aus dem Heise Artikel.

Lesen:
wikipedia.org - Libertarismus

www.heise.de - Es klingt wie eine Mischung aus "liberal" und "pubertär"

www.libertaere-rundschau.de

www.freitum.de

wikipedia.org - Hans-Hermann Hoppe

Sehen und Hören:
Der Staat - Hans Herrmann Hoppe 2015

Manuel Peters (Die Libertären) im Gespräch mit Robert Maurer (Kongress der Neuen Rechten)