Der Wald hat ihn geschickt

Das hier ist eine Naturserie. Eine Serie ohne Menschen. Baum. Bäume. Ist vielleicht auch mal ganz cool. Das hier war in Guatemala.

Das war alles in Guatemala?

Ja. Ich denke schon. Alle Bilder sind Guatemala.

Hast du irgendeinen Schimmer, was man auf diesen Bilder sieht?

Warte mal. Ich schau noch mal. Ja. Den Dschungel vor meinem Haus. Das war auf einer Bananen-lasagne. Ich meine, Plantage. Ich weiß nicht mehr genau, wie das heißt. Valley? Wo Europäer seit ein paar Hundert Jahren plantagen. Es wird einfach ohne Ende Zeug angebaut. Bananen. Bananen. Wir haben da auf einer Kaffeeplantage gewohnt. Es war so ein Hilfsprojekt.

Wann war das?

Das war im März rum.

Wie hast denn da hingefunden?

Die zwei Typen, die dort arbeiten, habe ich in einem Hostel kennengelernt, und die haben erzählt: Komm doch mit und blaaa. Und ich hab gedacht, klaaa, und dann bin ich mit denen in den Dschungel gefahren. Ich habe dort umsonst gewohnt, umsonst gegessen. Als Gegenleistung habe ich ihnen einen kleinen Film gemacht.

Wie lange warst du dort?

Zwei Wochen. Aber eine davon war ich fett krank. Das war die einzige Krankheit, die ich auf meiner Weltreise hatte. Mir ist der Nacken angeschwollen.

Was hattest du denn?

Keine Ahnung. Ich hatte keinen Arzt und keine Medikamente. Ich habe nur Salzwasser gegurgelt und gekifft wie bescheuert.

Dschungelmedizin.

Jawoll.

Du warst also dort zwei Wochen im Dschungel bei zwei Typen. Was machten die denn da?

Das waren Studenten. Die haben das Hilfsprojekt geleitet. So volunteermäßig.

Das war ein Hilfsprojekt für die Bevölkerung oder für die Natur? Erzähl mir doch was!

Das war eine Region in Guatemala, die von Europäern besiedelt wurde. Vor zwei-dreihundert Jahren sind die da rüber, haben sich einen Flecken Land rausgesucht, der irgendwie zu bewirtschaften ist und haben angefangen, allen möglichen Scheiß anzubauen. Fiese Monokulturen und so. Die Leute, die dort leben, sprechen kein Spanisch, sondern diese - keine Ahnung was - Mayasprache. Sie sind größtenteils quasi ungebildet, gehen bis zur vierten Klasse in die Schule und das war es. Wenn sie vierzehn sind, werden sie aus der Schule herausgeholt und müssen auf Plantagen arbeiten. Diesen Leuten wird in diesem Hilfsprojekt geholfen. Sie bekommen ein wenig Bildung. Ihnen wird Spanisch beigebracht. Die Schule wird unterstützt. Das ist mitten im Nirgendwo. Genau dort habe ich abgehangen. Der Dschungel hat mich weggeflasht. Die Bilder sind gut. Schau sie dir an. Da ist kein Baum doppelt. Es ist fieser Dschungel. Das ist nicht so, wie bei uns, wo du in den Wald schaust und siehst Tannen und Eichen. Da ist kein Baum doppelt. Ich dachte, vielleicht kann man darüber was schreiben. Mögliche Themen, über die man was sagen könnte, sind zum Beispiel: Auswirkungen der Globalisierung, worum sich das Hilfsprojekt kümmert und so. Generell am Beispiel von Guatemala müsste man ein wenig recherchieren und dann könnte man einfach was über den Dschungel schreiben oder über das Hilfsprojekt.

Aha.

Aber vielleicht sind die Fotos ja zu abstrakt. Von dem Dschungel auf das Hilfsprojekt zu schließen ist vielleicht ein wenig weit hergeholt. Oder man behandelt das alles in einer Randnotiz. Was fällt dir denn zu den Fotos so ein?

Äh - noch nichts. Ich sauge erst einmal auf. Grundsätzlich: Ja! Ich sehe Wald auf den Bildern. Also will ich auch etwas über den Wald erfahren. Hilfsprojekt sehe ich tatsächlich nicht so viel. Aber wenn das dort zu erleben war, ist das gut.

Schau mal hier: Das ist eine Gummibaumplantage. Und hier, wo der Typ sitzt...

Auch toll.

Das ist mitten im Dschungel. Man läuft auf Pfaden. Drumherum ist Dschungel. Man ist immer im Dschungel. Ich dachte, man könnte eine Baumserie machen. Das habe ich mir überlegt. Zehn Bilder. Nur Bäume.

Bäume in Guatemala? Oder hast du auch Bäume von anderen Orten?

Ja. Aber nicht viele.

Wie heißen denn die Typen?

Chaleb und David. Hey, ich finde eine fotografische Serie, wo man nur Bäume sieht, wirklich ganz interessant.

Dir schwebt ein Text vor, der die Bäume beschreibt?

Nee. Nicht so.

Ich denke: Der Baum. Die Bäume. Hattest du auch Fieber?

Ja.

Grundsätzlich wäre es spannend, wenn man deinen Eindruck mitbekommt, den du da hattest. Ich kann auch recherchieren und etwas über das allgemeine, universelle Superproblem schreiben, das die Welt mit dem Urwald in Guatemala hat, und über dieses Hilfsprojekt natürlich auch. Aber das wird ein Infotext. Interessant werden deine Fotos doch erst mit der Geschichte deiner Sicht auf den Wald. Und dazu gehören auch deine Empfindungen von dem Ort, deine Eindrücke von Vorort.

Stimmt.

Eindruck Eins: Du warst krank.

Ja.

Eindruck Zwei: Der Wald hat dich beeindruckt, weil keine zwei gleichen Bäume nebeneinander stehen. Was hast du denn in der anderen Woche gemacht? Oder wie war die Woche, in der du krank warst denn sonst noch?

Da habe ich in der Hängematte gehangen und war stoned.

Aha. Sehr gut.

Ich habe mich auch von den Jungs rumschleppen lassen. Die haben mich überall hingeprügelt. Beziehungsweise: Ich bin rumgerannt. Weil: Selbst wenn du krank bist - den ganzen Tag im Bett liegen, geht auch nicht. Das nervt irgendwann.

Hast du Ausflüge gemacht? Auch in den Wald rein?

Nö. Da waren ja überall Plantagen. Der Wald war nur am Rand der Plantagen. Riesige Monokulturen und so.

Feuchte Luft?

Ja. Moskitos. Skorpione.

Was gab es zu Essen?

Schokolade.

Oha!

Die haben sehr viel mit Schokolade gekocht. Mit guatemaltekischer Schokolade. Eier mit Schokolade. Alles mit Schokolade.

Spaghetti mit Schokolade?

Nö. Aber ich hab mir noch einen Igel an diesen schwarzen Bohnen gefressen. An diesem ekelhaften Bohnenbrei aus der Dose. Den kann ich jetzt nicht mehr essen.

Was meinst du, was diese Bäume sind? Was waren die da? Reste einer vergangen Welt?

Nö. Bestandteil einer aktuellen. Mittendrin.

Aber die sind doch eigentlich nur im Weg. Bald holzen sie sie ab.

Nö. Das haben sie schon gemacht. Das ist, was übrig geblieben ist. Die meisten Bilder entstanden von der Plantage aus. Vom Balkon aus.

Auf dem du immerhin eine Woche in der Hängematte lagst, und genügend Zeit hattest, die Bäume anzuschauen. Was hast du dir da so überlegt - in deinem bekifften Kopp?

Äh – das kann ich dir gar nicht mehr genau sagen.

War es laut?

Nö. Nicht sonderlich. Normal. Dschungel.

Ja, aber Dschungel ist ja schon lauter als unser Eichhörnchenwald.

Nö. Nicht viel, Alter. Ich war in letzter Zeit viel im Wald hier im Saarland. Da ist es auch sehr laut. Wir haben auch einen guten Dschungel hier.

Vögel und röhrende Hirsche.

Ja. Die Vögel sind sehr laut. Da geht es rund. Ich habe viele Rehe gesehen.

Gab es dort auch viele Tiere, die man sehen konnte. Affen? Riesen Papageien? Giraffen.

Tukane.

Wars das?

Keine Ahnung. Ich bin mir nicht wirklich sicher. Die Fotos von den Bäumen habe ich gemacht, weil mich die Bäume geschickt haben. Das wars. Brauchst du mehr?