Manifest für eine post-materialistische Wissenschaft

1. Die moderne wissenschaftliche Weltsicht begründet sich vor allem auf Annahmen, die mit der klassischen Physik eng verbunden sind. Der Materialismus – die Idee, dass die Materie die einzige Realität ist – ist nur eine dieser Annahmen. Eine verwandte Annahme ist die des Reduktionismus, die Vorstellung, dass komplexe Dinge durch Reduktion auf die Wechselwirkungen ihrer Teile, oder durch den Fokus auf einfachere, grundlegendere Dinge wie winzige Materialpartikel zu verstehen sind.

2. Während des 19. Jahrhunderts verfestigten sich diese Annahmen, verwandelten sich in Dogmen und verschmolzen zu einem ideologischen Glaubenssystem, das als »wissenschaftlicher Materialismus« bekannt wurde. Dieses Glaubenssystem setzt voraus, dass der Geist nichts anderes als die körperliche Aktivität des Gehirns ist und dass unsere Gedanken keine Auswirkungen auf unser Gehirn und unseren Körper, unsere Handlungen und auf die physische Welt haben.

3. Die Ideologie des »wissenschaftlichen Materialismus« setzte sich in der Wissenschaft im 20. Jahrhundert durch. Sie wurde so vorherrschend, dass eine Mehrheit der Wissenschaftler zu glauben begann, sie basiere auf einer feststehenden empirischen Evidenz und stelle die einzige rationale Sicht auf die Welt dar.

4. Wissenschaftliche Methoden, die auf der materialistischen Philosophie beruhen, waren zu einem großen Teil erfolgreich, nicht nur um unser Verständnis für die Natur zu erweitern, sondern auch um bessere Kontrolle und Freiheit durch die Vorteile der Technologie zu bringen.

5. Allerdings hat die übermächtige Dominanz des Materialismus in der akademischen Welt die Wissenschaft streng begrenzt und die Entwicklung der wissenschaftlichen Erforschung von Geist, Bewusstsein und Spiritualität behindert. Der Glaube an diese Ideologie, als exklusiver Erklärungsrahmen für die Wirklichkeit, hat Wissenschaftler gezwungen, die subjektive Dimension der menschlichen Erfahrung zu vernachlässigen. Dies führte zu einem stark verzerrten und verarmten Verständnis von uns selbst und unserem Platz in der Natur.

6. Die Wissenschaft ist in erster Linie eine undogmatische, aufgeschlossene Methode des Erwerbs von Wissen über die Natur durch Beobachtung, experimentelle Untersuchungen und theoretische Erklärungen von Phänomenen. Ihre Methodik ist nicht gleichbedeutend mit dem Materialismus und sollte nicht bestimmten Überzeugungen, Dogmen oder Ideologien untergeordnet werden.

7. Am Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten Physiker empirische Phänomene, die nicht durch die klassische Physik erklärt werden konnten. Dies führte in den 1920er und frühen 1930er Jahren zu der Entwicklung eines revolutionären neuen Zweiges der Physik, der sogenannten Quantenmechanik (QM). Die Quantenmechanik hat die materiellen Grundlagen der Welt in Frage gestellt, indem sie zeigte, dass Atome und subatomare Teilchen nicht wirklich feste Objekte sind, d.h, dass sie nicht mit Sicherheit an bestimmten räumlichen Orten und zu bestimmten Zeiten existieren. Noch wichtiger ist die Feststellung, dass die Quantenmechanik ausdrücklich den Geist in ihre grundlegende konzeptionelle Struktur miteinbezieht, denn es hat sich gezeigt, dass die beobachteten Teilchen und der Beobachter – der Physiker und die verwendete Methode zur Beobachtung – eng miteinander verbunden sind. Nach einer bestimmten Interpretation der Quantenmechanik impliziert dieses Phänomen, dass das Bewusstsein des Betrachters von entscheidender Bedeutung ist, um die Existenz der physikalischen Vorgänge zu beobachten, und dass psychische Ereignisse die physische Welt beeinflussen können. Die Ergebnisse der jüngsten Experimente unterstützen diese Interpretation. Diese Ergebnisse legen nahe, dass die physische Welt nicht mehr die primäre oder einzige Komponente der Realität ist und dass die Welt nicht vollständig verstanden werden kann, ohne den Einfluss des Geistes zu berücksichtigen.

8. Psychologische Studien haben gezeigt, dass bewusste geistige Aktivität das Verhalten beeinflussen kann und dass der Erklärungs- und Vorhersagewert von Beobachterfaktoren (z.B. Überzeugungen, Ziele, Wünsche und Erwartungen) sehr hoch ist. Darüber hinaus zeigt die Forschung in der Psychoneurologie, dass unsere Gedanken und Gefühle deutlich die Aktivität der physiologischen Systeme beeinflussen können, die mit dem Gehirn verbunden sind (z.B. das Immunsystem, die Hormondrüsen, das Herz und das Kreislaufsystem). In anderer Hinsicht zeigen bildgebende Verfahren der Gehirnforschung bei Studien über emotionale Selbstregulation, die Psychotherapie und den Placebo-Effekt, dass mentale Ereignisse einen bedeutenden Einfluss auf die Gehirnaktivität haben.

9. Studien der so genannten »Psi-Phänomene« zeigen, dass wir manchmal bedeutende Informationen erhalten können, ohne unseren gewöhnlichen Sinne zu nutzen. In manchen Fällen überschreitet dies die gewohnten Zeit- und Raum-Grenzen. Des Weiteren zeigt die Psi-Forschung, dass wir mentalen Einfluss – auch aus der Ferne – sowohl auf physische Objekte als auch auf lebendige Organismen ausüben können (andere Menschen mit eingeschlossen). Ebenfalls macht die Psi-Forschung deutlich, dass voneinander entfernte Bewusstseine sich auf eine Weise verhalten können, die nicht-lokal korreliert, d.h. von den Wechselwirkungen der voneinander entfernten Bewusstseine vermutet man, dass sie unvermittelt (nicht an irgendein bekanntes Energiesignal gebunden), nicht abgeschwächt (sie nehmen mit zunehmender Entfernung nicht ab), und instantan (sie erscheinen simultan) sind. Diese Ereignisse sind so häufig, dass sie nicht als Anomalien oder Ausnahmen zu den Naturgesetzen betrachtet werden können, sondern als Indikatoren der Notwendigkeit eines umfassenderen Erklärungsansatzes, der nicht ausschließlich auf dem Materialismus gründen kann.

10. Bewusste mentale Aktivitäten können auch im Falle eines klinischen Todes während eines Herzstillstandes erfahren werden (sogenannte »Nahtod-Erfahrungen«, engl. »near-death experience« [NDE]). Manche Personen, die eine Nahtod-Erfahrung durchliefen, berichteten wahrheitsgetreu von außerkörperlicher Wahrnehmung (z.B. Wahrnehmungen, die bewiesenermaßen mit der Realität übereinstimmen). Dies geschah während des Herzstillstandes. Zudem berichteten sie von tiefen spirituellen Erlebnissen während der Nahtod-Erfahrung, die durch den Herzstillstand ausgelöst wurde. Es ist erwähnenswert, dass die elektrischen Aktivitäten des Gehirns Sekunden nach dem Herzstillstand aussetzen.

11. Kontrollierte Laborexperimente haben gezeigt, dass auf ihre Fähigkeiten geprüfte Medien (Personen, die die Fähigkeit in Anspruch nehmen, mit den Geistern von physisch verstorbenen Personen zu kommunizieren) manchmal sehr exakte Informationen über Verstorbene erhalten können. Dies untermauert zusätzlich die Schlussfolgerung, dass der Geist getrennt vom Gehirn existieren kann.

12. Manche materialistisch ausgerichteten Wissenschaftler und Philosophen weigern sich diese Phänomene anzuerkennen, da sie nicht mit ihrer exklusiven Auslegung der Welt vereinbar ist. Die Ablehnung von post-materialistischen Untersuchungen der Natur oder die Weigerung wissenschaftliche Entdeckungen zu veröffentlichen, die den post-materialistischen Ansatz stützen, stehen im Widerspruch zum wahren Geist der wissenschaftlichen Untersuchung, der besagt, dass empirische Daten immer angemessen behandelt werden müssen. Daten, die nicht zu den bevorzugten Theorien und Vorstellungen passen, können nicht von vornherein verworfen werden. Solch eine Ablehnung gehört in das Gebiet der Ideologien, nicht der Wissenschaft.

13. Es ist wichtig zu erkennen, dass Psi-Phänomene, Nahtod-Erfahrungen während eines Herzstillstands und wiederholbare Beweise von glaubhaft untersuchten Medien nur dann als Anomalien erscheinen, wenn man durch die Linsen des Materialismus blickt.

14. Außerdem versagten materialistische Theorien bei der Erläuterung, wie das Gehirn den Geist entwickeln könne, und sind zudem unfähig, die in diesem Manifest erwähnten empirische Beweise zu erklären. Diese Ohnmacht sagt uns, dass es an der Zeit ist, uns von den Fesseln und Scheuklappen der alten materialistischen Ideologie zu befreien, um unser Konzept der natürlichen Welt zu erweitern und das post-materialistische Paradigma willkommen zu heißen.

15. Gemäß dem post-materialistischen Paradigma gilt:
  • Der Geist repräsentiert einen Aspekt der Realität, der genauso ursprünglich ist wie die physische Welt. Der Geist ist elementar im Universum. Beispielsweise kann er nicht von der Materie abgeleitet, noch zu etwas Grundlegenderem reduziert werden.
  • Es gibt eine tiefe Vernetzung zwischen dem Geist und der physischen Welt.
  • Der Geist (Wille/Intention) kann den Zustand der physischen Welt beeinflussen, und wirkt auf einer non-lokalen (oder erweiterten) Art und Weise. Zum Beispiel ist er nicht wie Gehirn und Körper auf bestimmte Punkte im Raum begrenzt, auch nicht auf bestimmte Zeitpunkte wie die Gegenwart. Da die Möglichkeit besteht, dass der Geist nicht-lokal die physische Welt beeinflusst, können die Absichten, Gefühle und Bedürfnisse des Experimentierenden nicht gänzlich von den Ergebnissen der Experimente isoliert werden, und das sogar bei kontrollierten und blinden Versuchsanordnungen.
  • Die Bewusstseine sind offenbar unbegrenzt und können sich auf eine Weise vereinigen, die einen einheitlichen Allgeist (One Mind) nahelegen, einen Geist, der alle individuellen Bewusstseine miteinschließt.
  • Nahtod-Erfahrungen während eines Herzstillstandes lassen vermuten, dass das Gehirn sich wie ein Sende- / Empfangsgerät von mentalen Energien verhält, z.B. kann der Geist durch das Gehirn wirken, aber er wird nicht von diesem erzeugt. Nahtod-Erfahrungen, die während eines Herzstillstands geschahen, in Verbindung mit den Nachweisen von forschenden Medien, legten weiterhin die Vermutung des Überlebens des Bewusstseins nach dem körperlichen Tod und der Existenz von anderen, nicht-physischen Realitätsebenen nahe.
  • Wissenschaftler sollten sich nicht vor der Erforschung von Spiritualität und spirituellen Erfahrungen fürchten, da sie einen zentralen Aspekt der menschlichen Existenz darstellen.

16. Post-materialistische Wissenschaft lehnt empirische Beobachtungen und den großen Wert wissenschaftlicher Errungenschaften, die bis jetzt gemacht wurden, nicht ab. Es strebt nach einer Erweiterung der menschlichen Kapazitäten, um die Wunder der Natur besser zu verstehen und in diesem Prozess wird die Wichtigkeit des Geistes und der Seele als Teil des Kernstoffes des Universums wiederentdeckt. Post-Materialismus schließt die Materie mit ein, welche als grundlegender Bestandteil des Universums angesehen wird.

17. Das post-materialistische Paradigma beinhaltet weitreichende Konsequenzen. Es verändert grundlegend die Vision, die wir von uns selbst haben, indem es uns unsere Würde und Kraft als Menschen und als Wissenschaftler wiedergibt. Dieses Paradigma unterstützt positive Werte wie Mitgefühl, Respekt und Frieden. Durch das Hervorheben der tiefen Verbindung zwischen uns und der Natur in ihrer Gesamtheit fördert das post-materialistische Paradigma Umweltachtsamkeit und den Erhalt unserer Biosphäre. Zudem ist es nicht neu, jedoch wurde für vierhundert Jahre vergessen, dass ein gelebtes transmaterielles Verständnis möglicherweise der Eckpfeiler für Gesundheit und Wohlergehen ist, so wie es von antiken Körper-Geist-Seele Praktiken, religiösen Traditionen und kontemplativen Ansätzen festgehalten und erhalten wurde.

18. Der Wechsel von der materialistischen Wissenschaft zu der post-materialistischen Wissenschaft könnte von entscheidender Bedeutung für die Evolution der menschlichen Zivilisation sein. Es könnte sogar noch bedeutender sein als der Übergang vom Geozentrismus zum Heliozentrismus.

Ronald Engert zum Manifest für eine postmaterialistische Wissenschaft

http://www.tattva.de/manifest-fuer-eine-post-materialistische-wissenschaft

http://www.opensciences.org/about/manifesto-for-a-post-materialist-science