* Rudolf Steiner, Auszug aus einem Vortrag für Mitglieder der Anthroposophischen (damals Theosophischen) Gesellschaft, 5. Mai 1914, enthalten in Band 154 der Gesamtausgabe:
In unserer Zeit gibt es bekanntlich eine Furcht, die sich ganz sinngemäß vergleichen lässt mit der mittelalterlichen Furcht vor Gespenstern. Das ist die heutige Furcht vor den Bazillen. Die beiden Furchtzustände sind sachlich ganz dasselbe. Sie sind auch insofern ganz dasselbe, als ein jedes der beiden Zeitalter, das Mittelalter und die Neuzeit sich so verhalten, wie es sich für sie schickt. Das Mittelalter hat einen gewissen Glauben an die geistige Welt; es fürchtet sich selbstverständlich dann vor geistigen Wesenheiten. Die neuere Zeit hat diesen Glauben an die geistige Welt verloren, sie glaubt an das Materielle, sie fürchtet sich also vor materiellen Wesenheiten, wenn diese auch noch so klein sind.
Ein Unterschied könnte, nicht wahr, sachlich höchstens darin gefunden werden, dass die Gespenster doch wenigstens gewissermaßen anständige Wesen sind gegenüber den kleinwinzigen Bazillen, die keineswegs eigentlich, ich möchte sagen, wirklich Staat machen können mit ihrem Wesen, so dass man sich wirklich so ernsthaftig fürchten könnte vor ihnen wie vor einem anständigen Gespenst.
Nun soll ja damit selbstverständlich nicht gesagt werden, dass die Bazillen durchaus gepflegt werden sollen, und dass es etwas Gutes ist, recht viel sozusagen mit Bazillen zusammenzuleben. Das soll durchaus nicht gesagt werden. Aber es widerspricht auch nicht dem, was gesagt wurde, denn schließlich Bazillen sind gewiss da, aber Gespenster waren auch da. Für diejenigen, die an die geistige Welt wirklich glauben konnten, ist nicht einmal in Bezug auf Realität ein Unterschied in dieser Beziehung.
Nun handelt es sich darum, und das ist das Wesentliche, was heute hervorgehoben werden soll, dass Bazillen nur dann gefährlich werden können, wenn sie gepflegt werden. Pflegen soll man die Bazillen nicht. Gewiss, da werden uns auch die Materialisten recht geben, wenn wir die Forderung aufstellen, Bazillen soll man nicht pflegen. Aber wenn wir weitergehen und vom Standpunkt einer richtigen Geisteswissenschaft davon sprechen, wodurch sie am meisten gepflegt werden, dann werden sie nicht mehr mitgehen, die Materialisten.
Bazillen werden am intensivsten gepflegt, wenn der Mensch in den Schlafzustand hineinnimmt nichts anderes als materialistische Gesinnung. Es gibt kein besseres Mittel für diese Pflege, als mit nur materialistischen Vorstellungen in den Schlaf hineinzugehen und von da, von der geistigen Welt, von seinem Ich und Astralleib aus zurückzuwirken auf die Organe des physischen Leibes, die nicht Blut und Nervensystem sind. Es gibt kein besseres Mittel, Bazillen zu hegen, als mit nur materialistischer Gesinnung zu schlafen.
Das heißt, es gibt noch wenigstens ein Mittel, das ebenso gut ist wie dieses. Das ist, in einem Herd von epidemischen oder endemischen Krankheiten zu leben und nichts anderes aufzunehmen als die Krankheitsbilder um sich herum, indem man einzig und allein angefüllt ist mit der Empfindung der Furcht vor dieser Krankheit. Das ist allerdings ebenso gut. Wenn man nichts anderes vorbringen kann vor sich selber als Furcht vor den Krankheiten, die sich rundherum abspielen in einem epidemischen Krankheitsherd und mit dem Gedanken der Furcht hineinschläft in die Nacht, so erzeugen sich in der Seele die unbewussten Nachbilder, Imaginationen, die durchsetzt sind von Furcht. Und das ist ein gutes Mittel, um Bazillen zu hegen und zu pflegen. Kann man nur ein wenig mildern diese Furcht durch werktätige Liebe zum Beispiel, wo man unter den Verrichtungen der Pflege für die Kranken etwas vergessen kann, dass man auch angesteckt werden könnte, so mildert man auch durchaus die Pflegekräfte für die Bazillen.
Diese Dinge werden ja in der Geisteswissenschaft nicht bloß vorgebracht, um auf den Egoismus der Menschen zu spekulieren, sondern um Tatsachen der geistigen Welt zu schildern. So sehen wir, dass wir es eigentlich im Leben in diesem konkreten Fall sehr wohl mit der geistigen Welt zu tun haben, denn wir wirken tatsächlich selber aus der geistigen Welt heraus vom Einschlafen bis zum Aufwachen. Und wahrhaftig mehr als durch alle Mittel, die jetzt von der materialistischen Wissenschaft vorgebracht werden gegen all das, was Bazillen heißt, wahrhaftig mehr, unsäglich reicher für die Menschheitszukunft könnte man wirken, wenn man den Menschen Vorstellungen überlieferte, durch die sie vom Materialismus weggebracht werden und zu werktätiger Liebe vom Geiste aus angespornt werden konnten.
Immer mehr und mehr muss sich im Laufe dieses Jahrhunderts die Erkenntnis verbreiten, wie die geistige Welt auch für unser physisches Leben absolut nicht gleichgültig ist, wie sie für die physische Welt ihre durchdringende Bedeutung hat, weil wir in der Tat vom Einschlafen bis zum Aufwachen in der geistigen Welt drinnen sind und da von ihr aus wirksam bleiben für den physischen Leib. Wenn sich das auch nicht unmittelbar zeigt, so ist es doch der Fall.
Nun wird man sich an eines gewöhnen müssen, wenn man diese Dinge im richtigen Lichte betrachten will. Man wird sich daran gewöhnen müssen, dass dasjenige, was man direkt als Heilkraft der Geisteswissenschaft zu betrachten hat, wirken muss durch die menschliche Gemeinschaft. Denn man möchte sagen, was hätte es für eine Bedeutung, wenn irgendein einzelner Mensch da oder dort in die geistigen Welten beim Einschlafen hineingeht jedesmal mit denjenigen Gedanken, die der geistigen Welt zugeneigt sind, und ringsherum sind die anderen, die mit materialistischen Gedanken, materialistischen Empfindungen und Furchtempfindungen — die ja immer mit dem Materialismus zusammenhängen —, Heger und Pfleger der Bazillenwelt sind.
Was ist sie eigentlich, diese Bazillenwelt? Ja, da kommen wir auf ein Kapitel, über das etwas zu wissen, recht wesentlich ist für das menschliche Leben. Wenn wir draußen in der Natur die Luft erfüllt finden mit Vogelgattungen aller Art, das Wasser mit Fischen, wenn wir verfolgen dasjenige, was kriecht über die Erde, was sich auf ihr tummelt und so den äußeren Sinnen zeigt, was da lebt in der Natur, da haben wir es zu tun mit Wesenheiten, von denen wir eigentlich durchaus ganz richtig sprechen, wenn wir sagen: Sie sind doch in irgendeiner Form, selbst dann, wenn sie da oder dort schädlich eingreifen in die Naturwirkungen, sie sind doch Geschöpfe der sich fortentwickelnden Gottheit.
In dem Augenblick aber, wo wir auf diejenigen Wesen kommen, die den Wohnplatz ihres Wirkens in anderen lebenden Wesen haben, in Pflanzen, Tieren oder Menschen, da haben wir es zu tun, insbesondere wenn es sich handelt um bazillenähnliche Geschöpfe, die im tierischen oder menschlichen Leibe, namentlich die im menschlichen Leibe sind, da haben wir es allerdings auch zu tun mit Geschöpfen von geistigen Wesenheiten, aber mit Geschöpfen Ahrimans.
Und richtig betrachtet man die Anwesenheit solcher Geschöpfe innerhalb unserer Welt, wenn man sich klar darüber ist, dass alle diese Wesenheiten zusammenhängen mit geistigen Tatsachen, mit den Beziehungen des Menschen zu Ahriman. Und diese Beziehungen des Menschen zu Ahriman werden hergestellt, wie wir wissen, durch materialistische Gesinnung oder rein egoistische Furchtzustände. Und richtig betrachtet man das Verhältnis, in dem vorhanden sind solche parasitäre Wesenheiten in der Welt, wenn man sagt: Da wo sich diese parasitären Wesenheiten zeigen, sind sie ein Symptom für das Eingreifen Ahrimans in die Welt.
Und wenn wir an einem solchen Beispiel sehen, dass es tatsächlich nicht einerlei ist, ob der Mensch, wenn er des Abends einschläft, in die geistige Welt, in der er ist zwischen Einschlafen und Aufwachen, hinübernimmt reine materialistische Vorstellungen oder geistige Vorstellungen, wenn wir einsehen, dass das nicht einerlei ist, dann hören wir auch auf, davon zu sprechen, dass es etwa einerlei sein könnte, schon in dieser Welt etwas zu wissen vom Geiste oder nichts zu wissen vom Geiste.
So müssen wir allerdings an einem bestimmten Punkte einsetzen, wenn wir uns so recht vor Augen rücken wollen die große Bedeutung der geisteswissenschaftlichen Forschung schon für dieses menschliche Leben zwischen Geburt und Tod.
* Rudolf Steiner, Auszug aus den Gedenkworten für Oda Waller und Christian Morgenstern, am 9. Mai 1914 vor Mitgliedern der Anthroposophischen (damals Theosophischen) Gesellschaft gesprochen, enthalten in Band 261 der Gesamtausgabe:
Nicht wahr, in Bezug auf gewisse Dinge ändert sich das menschliche Leben, aber gewisse Grundnuancen dieses Lebens bleiben ja doch gleich durch lange Zeiten hindurch. So gab es im Mittelalter eine bestimmte Furcht, die Furcht, die heute ja gilt als der finstere Aberglaube des Mittelalters, die sogenannte Gespensterfurcht, die Furcht vor allen möglichen Elementarwesen, vor Gespenstern. Nun, das ist für die heutige Zeit ein mittelalterlicher Aberglaube.
Aber die heutige Zeit, sie hat sozusagen den Gegenstand geändert, aber nicht die Furcht, denn die heutige Zeit fürchtet sich ebenso wie das Mittelalter vor Gespenstern, sie fürchtet sich vor den sogenannten Bazillen und ähnlichen Wesenheiten. Nun könnte man sogar sagen, dass Gespenster verhältnismäßig anständigere Wesen noch waren, vor denen man sich eher fürchten konnte, als vor den Wesenheiten, die man heute als Bazillen und ähnliches bezeichnet. Und geändert hat sich eigentlich nur das an der Sache, dass man dazumal mehr geistig gesinnt war und sich vor geistigen Elementarwesen gefürchtet hat; jetzt ist man mehr materiell gesinnt, und die Gespenster müssen physisch sein. Das entspricht auch dem Zeitalter des Materialismus mehr.
Nicht das wollte ich aber hervorheben, sondern das, dass in der Tat die okkulte Wissenschaft uns zeigt, dass Bazillen zum Beispiel im menschlichen Leibe gepflegt werden müssen, wenn sie wirklich gedeihen sollen. Sie müssen von Menschen gepflegt werden. Nun wird selbstverständlich jeder Mensch in der Gegenwart sagen, es wäre töricht, Bazillen geradezu zu mästen, zu pflegen, sie zu veranlassen, möglichst zahlreich zu werden. Aber es handelt sich nicht darum, dass man Grundsätze hat, und welche Grundsätze man hat, sondern darum, dass man die Sache vom richtigen Gesichtspunkt aus anzusehen vermag.
Und nun kann vor der geisteswissenschaftlichen Erkenntnis nicht geleugnet werden, dass zum Beispiel ein Ich und ein Astralleib, die sich nur füttern mit materialistischen Vorstellungen, die abweisen alle spirituellen Vorstellungen, die abweisen allen Spiritualismus, davon nichts wissen wollen, wenn sie schlafend aus dem Leibe hinausgehen, aus der geistigen Welt Kräfte in die Organe hineinstrahlen, die geradezu förderlich sind für das Bazillenleben. Man kann, wenn man Bazillen recht mästen will, nichts Besseres tun, als rohe materialistische Vorstellungen in den Schlaf mit hineinnehmen und dadurch ahrimanische Kräfte aufrufen, welche einstrahlen in den Organismus und zu Bazillenpflegern werden.
Nun müssen wir, wenn wir eine solche Sachlage in der richtigen Weise beurteilen wollen, uns klar machen, dass in dem Augenblick, wo wir die Betrachtung auf das geistige Leben erstrecken, wir sogleich ins Auge zu fassen haben, was menschliche Gemeinschaft heißt. Denn das Zusammenwirken in der menschlichen Gemeinschaft erweist sich sogleich in ungeheurem Maße größer, wenn es sich handelt um geistige Wirkungen, als um diejenigen, die sich bloß vollziehen auf dem physischen Plan.
Man könnte nämlich sagen, nun könnte also jemand am besten tun, um ja keine Bazillen in seinem Leibe schädlich werden zu lassen, als Heilmittel anzuwenden, sich mit spirituellen Vorstellungen schlafen zu legen. Vielleicht wäre das sogar ein Mittel, wenn man es äußerlich klinisch beweisen würde, dass die hartgesottensten Materialisten der Zukunft sich verschreiben ließen geradezu spirituelle Vorstellungen, und auf diese Weise einiges erhofft werden könnte für das spirituelle Leben.
Nun aber, so einfach liegt die Sache nicht, denn es beginnt gleich die Bedeutung des gemeinschaftlichen Lebens, wenn es sich um Geistiges handelt, und da können wir sagen: Es nützt vielleicht gar nichts dem einzelnen, wenn er solche spirituellen Vorstellungen hegt, wenn die anderen ringsherum mit materialistischen Vorstellungen zu Bazillenpflegern werden, denn da pflegt einer für den anderen. Das ist das Wichtige, was wir ins Auge fassen müssen. Deshalb muss immer wiederum betont werden, was ich auch hier schon besprochen habe: Geisteswissenschaft als solche kann das eigentlich Fruchtbare, das sie zu leisten hat für die Menschheit, sozusagen nicht bloß individuell leisten; es genügt nicht, dass der Einzelne die geisteswissenschaftlichen Dinge aufnimmt, sondern Geisteswissenschaft muss in Geduld warten, bis sie ein Kulturfaktor wird, bis sie die Herzen und Seelen vieler durchzieht; dann erst wird sich zeigen, was sie den Menschen sein kann.
Es gibt allerdings etwas, was ebenso stark auf die ahrimanischen Wesenheiten wirkt, die wir in den Bazillen zu beobachten haben. Ich sage: ahrimanische Wesenheiten. Ich kann Ihnen leicht einen Unterschied sagen zwischen ahrimanischen Wesenheiten und anderen Wesenheiten, es geht leicht, das zu unterscheiden, auch äußerlich.
Wir sehen gewissermaßen rund um uns herum die Natur mit ihren Geschöpfen erfüllt. Alles, was unmittelbar draußen lebt in der Natur, hat gewissermaßen sein Leben von den fortschreitenden guten weisen Schöpfern. Alles das, was sein Dasein aufschlägt in anderen Organismen und da vorzugsweise gedeiht, ist unter den Geschöpfen luziferischer oder ahrimanischer Art. Alles Parasitäre ist auf luziferischen oder ahrimanischen Ursprung zurückzuführen; das muss festgehalten werden, denn dadurch können wir im Reiche der Natur sehr leicht unterscheiden.
Eines, sagte ich, gibt es noch, was außerordentlich förderlich ist diesen ahrimanischen Geschöpfen, die als Parasiten im menschlichen Leibe leben, das ist das Folgende. Nehmen wir an, wir leben in einer Epidemie drinnen oder in einer Seuche. Selbstverständlich muss da einer für den anderen stehen, und da tritt das menschliche Gemeinschaftswesen und all das, was damit zusammenhängt, in ungeheurer Stärke auf, weil tatsächlich die karmischen Zusammenhänge so sein können, dass der, der durch individuelle Betätigung am wenigsten geeignet scheint, der Epidemie zu verfallen, doch ihr verfällt. Aber im allgemeinen gilt trotzdem — wir dürfen uns durch den Schein nicht täuschen lassen —, was ich jetzt sagen werde:
Wenn man umgeben ist von den der Krankheit verfallenen oder sterbenden Menschen und diese Bilder zunächst aufzunehmen hat und dann mit diesen Bildern in den Schlaf zieht und nichts hineindringt als die egoistische Furcht, dann durchtränkt sich die Imagination, die aus diesen Bildern entsteht und während des Schlafes in der Seele lebt, mit der egoistischen Furcht, und das bewirkt, dass da schädliche Kräfte einschlagen werden in den menschlichen Leib. Furcht-Imaginationen sind dasjenige, was tatsächlich pflegende Kräfte für des Menschen ahrimanische Feinde abgibt.
Wenn sich ausbreitet eine edle Gesinnung, so dass die egoistische Furcht zurücktritt, und das liebende Helfen unter den Menschen wirkt und in den menschlichen Schlaf nun hineingeht, nicht mit Furcht-Imaginationen, sondern mit dem, was das liebende Helfen bewirkt, dann bedeutet das Schaden für die ahrimanischen Feinde des Menschen. Und es ist tatsächlich wahr, dass man erfahren würde, was die Ausbreitung einer solchen Gesinnung auf das Beendigen von Epidemien wirken könnte, wenn man sich danach benehmen würde.
Ich deute Ihnen damit an, wie einmal, was heute noch nicht sein kann, von der Erkenntnis des geistigen Lebens heraus im sozialen Menschenleben gewirkt werden wird, wie die menschlichen Seelen in geistiger Erkenntnis erstarken werden und wie die in die Gesinnung übergehenden geistigen Erkenntnisse vom Geiste heraus gesundend auch auf das materielle Erdenleben wirken werden.