Will ich die Regierung abschaffen?

Die Recherche zu Libertarismus und Anarchie haben einen Dialog angezettelt. Er fand in mir statt. Ich habe mit mir diskutiert, ob die Menschheit zum Frieden fähig ist. Das Ich, das der Menscheit vertraut, hat das andere überzeugt. Die Menschheit kann aufatmen. Toll ist übrigens, ich habe beide Ichs besser kennengelernt. Wenn ihr sie auch kennenlernen wollt, lest!

„Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn wir heute die Regierung abschaffen?“
„Klar, dann versinkt die Welt im Chaos.“
„Wieso sollte das passieren?“
„Weil es niemanden mehr gibt, der Regeln für das Verhalten macht und durchsetzt. Ohne Regeln schlagen wir uns alle die Köpfe ein. Der Mensch ist dem Mensch ein Feind. Wir brauchen Regeln.“
„Hast du jemals die Regierung getroffen? Hat dir jemals im Leben die Regierung gesagt, wie du dich verhalten sollst? Begegnet dir beim Einkauf im Supermarkt die Regierung, die dir sagt, wie du den Einkauf machen sollst?“
„Natürlich nicht. Das funktioniert ja im übertragenen Sinne. Einige wenige arbeiten die Regeln aus. Und die gelten dann für alle. Über Kommunikation werden sie dann weitergegeben. Strafen hindern uns am Regelbruch.“
„Toll, damit hast du schon das Prinzip von Herrschaft beschrieben. Wenige diktieren die Regeln. Die Masse gehorcht.“
„Gut, dass es so ist.“
„Finde ich nicht. Ich frage: Warum werden die Regeln nicht von allen gemacht? Warum machen wir nicht Regeln, die wir gar nicht brechen wollen?“
„Schau sie dir doch an, die Menschen. Die Menschen sind dazu nicht in der Lage. Der Mensch ist ein Raubtier.“
„Welche Menschen meinst du? Dich und mich?“
„Nein, die meisten anderen. Die meisten checken es einfach nicht, wie das mit dem friedlichen Leben geht. Die meisten prügeln sich ja direkt um jeden Scheiß. Schau dir doch mal an, wo überall Krieg ist, wo sich Banden bekriegen, wie oft sich Ehepaare streiten. Die Menschen können einfach nicht in Frieden zusammenleben.“
„Du tust ja gerade so, als gäbe es nur Krieg und Gewalt in der Welt. Das ist doch falsch. Wir sitzen hier und unterhalten uns. Draußen fallen gerade keine Bomben. Bandenkriege hatten wir hier im Viertel während der letzten Dreißig Jahre noch keinen einzigen. Das mit dem Frieden, scheint doch meistens ganz gut zu funktionieren. Ich behaupte, in 90 Prozent der Fällen funktioniert es gut. Mich wundert, wie fokussiert du auf Situationen bist, in denen es unfriedlich ist.“

„Ja. Ich gebe zu, meistens funktioniert das mit dem Frieden. Aber früher oder später hauen wir uns die Köpfe ein.“
„Du und ich? Wieso sollten wir das tun?“
„Nicht du und ich. Wir als Menschheit.“
„Bist du nicht Teil der Menschheit.“
„Ja, doch schon. Wir beide sind vielleicht nicht gleich gewalttätig. Aber viele checken es einfach nicht. Und wenn wir nicht mehr genug zu Essen haben, schlagen auch wir beide uns die Köpfe ein - wenn es ums Überleben geht.“
„Mich stört es, wie du immer von den anderen als der Menschheit sprichst. Du scheinst dich selbst nicht umfassend dazu zu zählen. Du tust gerade so, als gäbe es Unterschiede, die dich besser machen. Leitest du davon auch das Recht ab, den anderen zu sagen, wie sie sich verhalten sollen?“
„Ja, irgendwer muss ja für Frieden sorgen.“
„Warum bist du dann nicht in der Regierung.“
„Es können ja nicht alle guten in der Regierung sitzen, haha. Das wäre ja total unübersichtlich.

„Seltsame Einstellung. Aber jetzt verstehe ich zwei deiner Grundlagen. Erstens: Herrschaft ist etwas Notwendiges von einigen „besseren“ gegenüber den meisten anderen weniger für den Frieden geeigneten. Das zweite ist: Es gibt wohl auch gute Menschen wie du und ich, die nicht in der Regierung sind, und sich somit aus irgendwelchen Gründen regieren lassen.“

Demokratie


„Es kann doch sein, dass ich total Einverstanden mit unserer Regierung bin. Unsere demokratischen Regierungen sind keine Herrscher im klassischen Sinne. Wir haben sie gewählt. Und was diese Regierung als Regel & Gesetz beschließt, wurde in langen Diskussionsrunden erarbeitet.“
„Ja, das ist die Theorie einer Demokratie. Die Regeln werden in repräsentativen Verfahren von allen erarbeitet. Bei welcher Regel hast du denn das letzte Mal mitgearbeitet.“
„Äh, also. Bei keiner.“
„Wann hast du denn das letzte Mal überhaupt deine Meinung öffentlich kundgetan?“
„Na, bei der Wahl. Ich habe da jemanden gewählt, der sich für meine Interessen einsetzt.“
„Das war nicht öffentlich. Das war geheim. Und du hast nicht deine Meinung kundgetan, du hast jemanden beauftragt, ungefähr deine Meinung kundzutun.“
„Aber ich habe Einfluss genommen.“
„Ja, aber welchen? Hast du jemanden gewählt, der dich hundertprozentig in allen Bereichen vertritt? Jemanden, dem du traust? Einen Menschen, den du kennst? Einen Freund von dir?“
„Nein, natürlich einen Politiker.“

„Klar. Einen Berufspolitiker, der mit Politik Geld verdient.“
„Ja. Und?“
„So einem vertraust du?“
„Ja - also nein. So einfach ist das nicht. Der muss ja auch noch andere Interessen vertreten. Nicht nur meine. Er wurde ja von vielen gewählt.“
„Aha.“
„Und da muss er eben Kompromisse eingehen.“
„Muss er nicht.“
„Doch.“
„Wieso? - Ich will nicht von jemandem vertreten werden, der auch die Interessen von jemand anderem vertritt, Interessen, die meinen nur nahe kommen oder in manchen Bereichen meinen Interessen total entgegenstehen.“
„Aber so ist es eben. Du bist halt nicht alleine auf der Welt. Da gibt es auch andere Interessen.“
„Natürlich. Aber ich frage dich: Welche Interessen soll ein gewählter Politiker denn vertreten? Seine eigenen? Deine? Die von mir? Soll er für sich oder uns einen Kompromiss erarbeiten? Oder soll er die Interessen von seinem besten Freund vertreten? Oder die von einem, der ihn bezahlt?“
„Natürlich nicht die von jemandem, der ihn bezahlt. Da wäre ja Korruption.“
„Und wenn er die von seinem Freund vertritt, weil er ihn besser kennt als dich - und ihn lieber mag. Ist das keine Korruption?“
„Das ist Klüngelei.“
„Das ist doch nur ein anderes Wort. Das ist die Form der Korruption, die keine deutliche Spur hinterlässt. Freundschaftliche Abmachungen brauchen keinen schriftlichen Vertrag, brauchen keinen Zahlungsverkehr. Sie ist viel schwerer nachzuweisen.
„Stimmt.“
„Ich meine, man kann soziale Korruption nur erkennen, wenn man schon mal selbst erlebt hat, wie Vitamin B funktioniert - und was für Verbindlichkeiten daraus entstehen.“
„Kann sein.“

„Zurück zum Kern seiner Interessenvertretung: Ich fände es gut, wenn der Politiker einfach seine eigenen Interessen vertreten würde. Dann wäre er umfassend glaubwürdig und ich wüsste, woran ich bin.“
„Jetzt muss ich dir aber deutlich widersprechen. Das funktioniert natürlich nicht. Der würde ja nur nach seinem Vorteil schauen. Also schauen, dass er am meisten von dem Kuchen abbekommt.“
„Ja, weil er mit Politik Geld verdient. Das könnte man ändern. Aber das muss dennoch kein Widerspruch sein. Wenn es nämlich so wäre, dass er nur seine Interessen vertritt, und er gäbe das ehrlich und offen zu, würde ich ihn nicht wählen - oder eben gerade deshalb. Aber das wird ja nicht zugegeben. Leider ist unsere aktuelle Demokratie genau das: Ein Schauspiel, das vorgibt, die Interessen des Volkes zu vertreten. Wie und wann ein Politiker seinen Interessen nachgeht, welchen Interessen er überhaupt dient, bekommen wir nur von investigativen Journalisten mit. Von Menschen, die ehrlich sind, hört man doch schon seit 1945, dass man auch in der sogenannten Demokratie der BRD nur Karriere macht, wenn man „mitspielt“, also im System der Politiker spielt, den richtigen dient. Es geht nicht darum, der beste Repräsentant des Volkes zu sein. Es geht vielmehr darum, denen zu dienen, die einen „weiterbringen“ können - und bestmöglichst dem Volk vorzuspielen, dass man ihm dient. Wenn man sich auf einzelne Themen konzentriert, geht das vielleicht sogar. Dann kann man dem Volk dienen. Aber das große Ganze dient doch nicht dem Volk?“
„Doch vielleicht schon. Weil unsere Regierung ja vom Volk gewählt wurde.“

„Du hast es nicht verstanden. Ich sage: Auf den lokalen und vielleicht noch kommunalen Ebenen, wo Politik noch ehrenamtlich stattfindet, wo es kein Geld sondern „nur“ etwas Einfluss als Belohnung gibt, da gibt es noch mehr ehrliche Politiker. Aber ich sehe nicht, dass auch nur ein Regierungsmitglied des Bundes seinen Job hat, weil es vom Volk dazu bestellt wurde. Die Regierungsmitglieder werden ernannt, von Leuten denen gegenüber sie loyal sind. Schäuble ist seit dreißig Jahren Politiker und in der Regierung. Ist das Demokratie? Diese Leute wiederum ernennen ihnen loyale Staatssekretäre. Dann beginnt in den Ministerien schon die krasse Arbeitsteilung. Da arbeiten dann immer die gleichen Leute auf ihrem Gebiet für jeweils andere an der Spitze - und sehen das große Ganze nicht. Das ist doch keine Demokratie. Das ist ein zentralistisches Staatskonstrukt, das vorgibt eine Demokratie zu sein.“
„Und wozu wählen wir dann - deiner Meinung nach?“
„Wir wählen, damit wir im Glauben bleiben, mitzubestimmen. Wir wählen, weil wir damit unsere eigene Gestaltungsverantwortung abgeben. Anstatt, dass wir selbst gestalten, lassen wir gestalten. Das ist Magie. Wir geben unsere Verantwortung ab. Wir geben unsere Macht ab. Wir entmächtigen uns selbst im blinden Irrglauben an das Gute im Menschen. Aber das Gute im Menschen wird im politischen System nicht gefördert. Es hindert dich sogar an einer Karriere. “
„Das ist aber eine krasse Ansicht.“

„Fühlst DU dich von der Politik repräsentiert?“
„Naja.“
„Zeig mir ein politisches Feld, wo aktuell riesige, systematische Fortschritte für das Wohlergehen des Großteils der Bevölkerung gemacht wurden. Weder im Gesundheitswesen, noch im Steuerrecht. Weder bei der Regulierung des Finanzmarktes noch in der familiären Rechtsprechung wurden in den letzten zwanzig Jahren Neuerungen gestaltet, die einer breiten Mehrheit zu Wohle kommen.“
„Was ist mit dem Umweltschutz? Da hat sich viel getan.“
„Das stimmt. Da waren ja auch viele Bürger selbst aktiv. Da wurde demonstriert, blockiert und boykottiert.“
„Stimmt.“
„Mir zeigt das eines. Überall, wo sich Menschen engagieren, geht es voran. Da, wo sich die Umweltschützer engagieren, geht es mit dem Umweltschutz voran. Dort, wo sich die Banker für mehr Marktliberalismus engagieren, geht es mit Marktliberalismus voran.“
„Interessante Sichtweise. Wie würdest du das denn besser machen?“

„Ich würde, soweit es geht, Entscheidungen regionalisieren. Und allen Entscheidern und Gestaltern müsste ständig auf die Finger geschaut werden. Sie dürften sich nicht zuviel für sich selbst einsetzen. Sie dürften auch nicht reich werden. Ich wünsche mir totale Transparenz. Zu viel konzentrierte Macht müsste man gesellschaftlich im Konsens ächten und regulieren. Persönliche Absprachen dürfen nicht hinter Türen stattfinden. Es darf keine Geheimnisse geben. Geheimnisse sind IMMER Interessen für eine bestimmte Gruppe. Aber es darf keine bestimmte Gruppe geben, die ihre Interessen undurchsichtig hält. Dafür gibt es übrigens zum Beispiel das Kartellrecht. Komisch ist, dass die Marktkonzentration trotz Kartellrecht immer krasser wurde. Da ist doch etwas faul.“
„Hm, ja. Ich verstehe, dass vielleicht doch nicht alles so ist, wie es die reine Theorie beschreibt. Aber ist das nicht normal? Es sind halt Menschen, die das organisieren. Und wie ich sage: Der Mensch ist dem Mensch ein Feind.“

Guter Mensch, böser Mensch


„OK, lass uns zurückkehren zu deinem Menschenbild. Vorhin ging es um das Besser-sein. Der eine ist deiner Meinung nach besser als der andere, der eine ist besser für Frieden als der andere. Wie entstehen denn diese Unterschiede?“
„Puh, das ist vielschichtig.“
„Na, dann differenziere mal.“
„Da ist einmal die unterschiedliche Intelligenz. Und …“
„Ja?“
„Natürlich auch die Umgebung.“
„Meinst du, ein mehr intelligenter Mensch ist besser für Frieden, als ein weniger intelligenter, und ein Städter besser als ein Dörfler?“
„Ja. - Nein. - Nicht unbedingt.“
„Wie dann?“
„Ich meine: Klar, mann muss keinen Doktor in Physik haben, um friedlich Leben zu können. Und auch Doktoren können einen Streit anfangen.“
„Also ist es die Umgebung.“
„Ja, aber auch nicht allein.“
„Ok. Das meine ich auch. Man kann in den Favelas von San Paulo aufwachsen und kein Mörder werden. Und man kann bei Hippies in Freiburg aufwachsen und morgen seinen Nachbar zerstückeln.“
„Ja, aber Tendenzen sind trotzdem erkennbar.“
„Absolut. Können wir uns darauf einigen, dass Intelligenz und Umgebung Einfluss haben, aber beide nicht hinreichend einflussreich sind, damit Konflikte komplett vermieden werden?“
„Ja, das können wir.“

„Gibt es vielleicht noch etwas, was Einfluss hat? Wie schaut es zum Beispiel mit deinem Wunsch nach Frieden aus? Spürst du in dir einen Wunsch nach Frieden?“
„Hm.“
„Oder denkst du nur, dass Frieden besser ist für dich?“
„Nö. Ich gebe zu, Frieden fühlt sich auch besser an.“
„Woher kommt das? Hast du das gelesen? Bildest du dir das also nur ein?
„Hm.“
„Ich meine, ich habe erfahren, dass es sich schön anfühlt, wenn man nicht streitet. Am deutlichsten ist es zu spüren, nachdem ein Streit beendet ist.“
„Ja, dann merkt man, wie leicht es sich ohne Streit anfühlt.“
„Ich halte das für sehr wichtig.“
„Was genau?“
„Diese Erfahrung. Ich meine, wir haben alle eine innere Sehnsucht nach Frieden.

Wie entsteht Frieden?


„Ja, wir haben eine Sehnsucht nach Frieden. Aber wir haben auch die Fähigkeit, uns die Köpfe einzuschlagen.“
„Das streite ich nicht ab. Die Fähigkeit zum Streit kenne ich. Die habe ich selbst auch schon erlebt. Für mich fühlt sich Streit nach Rechthaberei an. Im Streit will ich, dass der andere das tut oder sagt, was ich will. Ich will, dass der andere mir gehorcht. Es geht um Macht über einen anderen.“
„Kann sein.“
„Gleichzeitig habe ich im Streit auch die Sehnsucht nach Frieden. Ich meine im Streit: Wenn der andere endlich begreifen würde, dass ich recht habe, dann gäbe es keinen Streit mehr.“
„Ja, das kenn ich auch.“
„Stell dir mal vor, du streitst dich um Essen. Du will alles. Der andere sagt: Nein, ich will alles. Und so weiter. Jeder denkt nur an sich. So kann es auch theoretisch keine Lösung für beide geben. Oder?“
„Worauf willst du hinaus?“
„Wenn du den Apfel willst. Der andere auch. Du will aber gleichzeitig auch, dass ihr euch nicht streitet? Was könntest du machen?“
„Ha, meine Intelligenz nutzen und ihm vorschlagen zu teilen.“
„Der andere ist taub und stumm.“
„Dann nutze ich meine Hände. Ich kann ihm schon klar machen, dass teilen für uns beide was Gutes wäre.“
„Ok. Du würdest also Gesten machen.“
„Genau. Irgendwie versöhnliche Gesten: Er und ich. Wir beide. Teilen. Beide glücklich.“
„Glücklich? Ist für dich Glück das Gegenteil von Streit.“
„Hm. Im Streit ist man auf jeden Fall unglücklich.“
„Wenn ihr euch also nicht streiten würdet, wäret ihr glücklicher. Ihr würdet teilen, und euch nicht die Köpfe einschlagen.“
„Ja.“
„Noch Fragen?“
„Wie. Nein! Aber so ist das Leben nicht. Was, wenn es der letzte Apfel wäre? Dann ginge es ums Überleben.“
„Wenn es der letzte Apfel wäre, würdest du mit Apfel im Bauch einfach später sterben. Aber wenn du den anderen vorher im Streit erschlägst, um den Apfel zu kriegen, dann stirbst du auch noch alleine - ohne Freund.“
„Tja, da hast du recht.“

Der Staat, der Streithammel


„Jetzt stell dir vor, da ist noch ein dritter. Er ist weit weg und lässt dir einen Brief zukommen. Darin steht: In seinem Lager gibt es noch genug Essen für einen weiteren. Es schreibt, es wäre besser, den anderen umzubringen. Zur Belohnung bekämst du anschließend genug Essen. Würdest du den anderen töten?“
„Wenn es so wäre, ja - wahrscheinlich.“
„Du traust dieser Aussage also mehr als dem, was wir woher herausgefunden haben? Du traust dieser Aussage also mehr, als deiner Fähigkeit mit dem anderen zu teilen und glücklich zu sein? “
„Ja, wenn es nicht genug Essen gibt für alle?“
„Du hast das in einem Brief gelesen. Ich würde herausfinden wollen, ob das stimmt.“
„Ok. Und dann? Wenn es stimmt?“
„Und wenn es nicht stimmt?“
„Wenn es nicht stimmt, ist doch alles Ok. Dann können wir ja immer noch teilen, oder?“
„Das sehe ich nicht so. Dann hast du einen Lügner entlarvt. Dann wollte ein anderer Mensch, dass du einen anderen umbringst. Und das auch noch im Namen deines Überlebens.“
„Ok. Das ist mies. Aber wenn er Recht hatte, würdest du den anderen umbringen?“
„Ich könnte auch den Briefschreiber umbringen, oder?“
„Egal. Du würdest einen umbringen.“
„Ich behaupte, ich würde es nicht tun, weil ich keinen Bock habe, einen anderen umzubringen. Ich würde mich, zumindest theoretisch, wenn wir beide die allerletzten wären, lieber umbringen lassen, als selbst Mörder zu werden - um hinterher alleine zu sterben. Und könnten wir den Apfel nicht auch durch drei teilen?“
„In dieser Fantasy ist das verständlich. Aber in der Realität sind wir nicht die letzten.“
„Dann macht es ja noch viel weniger Sinn. Wir bekommen es doch wohl irgendwie hin, das Essen so zu teilen, dass wir alle überleben, auch wenn wir vielleicht ein wenig abmagern. Aber hinterher sind wir viele Hände, die wieder viele Äpfel ernten können, oder?“
„Du bist einfach ein Optimist.“
„Nein. Ich vertraue meiner Fähigkeit für Kooperation und Frieden. Und darum vertraue ich der Menschheit.“

Friedlich sein ist leicht


„Ich weiß nicht, ob die Menschheit dein Vertrauen verdient hat.“
„Du drehst dich im Kreis. Da waren wir doch schon zwei Mal. Ich frage: Warum machst du immer einen Unterschied zwischen dir und den anderen. Wir haben doch vorhin herausgefunden, dass es weder die Intelligenz alleine ist, noch das Umfeld, die uns zu dem machen, was wir sind. Da gibt es auch noch die innere Sehnsucht nach Frieden. Du hast sie, ich habe sie.“
„Aber sicherlich nicht jeder.“
„Woher weißt du das denn?“
„Schau dir doch an, wie sich die meisten verhalten. Krieg, Streit etc.“
„Schon wieder? Deine Fokussierung auf das Schlechte im Menschen ist ja manisch. Die meisten Menschen streiten doch nicht ständig. Ja, auch ich streite mich manchmal. Aber 99,99 Prozent von meinem Leben habe ich keinen Streit. Da ist viel mehr Frieden als Streit.
„Jaja. OK.“
„Aber vielleicht kannst du mir erklären, warum wir streiten?
„Na, weil wir den Apfel haben wollen.“
„Genau. Wenn wir aufhören würden, den Apfel alleine haben zu wollen, wäre die Lösung einfach da. Zack. Und wir würden teilen. Und alles wäre gut.“
„Das ist doch nur Theorie. In der Praxis muss man das erstmal lernen.“
„Da gebe ich dir recht. Streiten zu lernen, ist schwierig. Besser gesagt: Das Nicht-Streiten lernen ist schwierig. Aber damit fangen wir schon als Kinder an. Was sagen deine Eltern zu dir, wenn du deinem Bruder keinen Keks abgibst? Nicht streiten. Teilen! Und für viele Situationen haben wir das auch schon verinnerlicht. Schau uns hier und jetzt an: Wir streiten uns doch hier gerade auch nicht um den Tee. Wir streiten nicht um den bequemeren Stuhl. Wir streiten uns nicht über den Blick auf die Straße. Wir streiten uns nicht um den letzten Keks. Da haben wir begriffen, dass der letzte Keks weniger gut schmeckt als das Glück, ihn dem anderen anzubieten. Wir haben uns auf all das friedlich geeinigt. Einfach so. Ohne viel Aufhebens. Uns zu einigen, fällt uns mega-leicht.“
„Ja, das ist toll.“

Wenn es ums Überleben geht


„Deine Teilen-und-wir-sind-alle-glücklich Theorie funktioniert aber nur, wenn wir nicht ums Überleben kämpfen.
„Ok. Von mir aus. Dann sollte es nicht ums Überleben gehen, oder?“
„Das ist wieder so leicht gesagt.“
„Das ist nicht leicht gesagt. Hier im globalen Westen geht es doch schon seit 50 Jahren nicht mehr ums Überleben. Es gibt genug für alle. Aber wir streiten trotzdem, oder?“
„Ja. Siehst du! Der Mensch ist dem Mensch ein Wolf.“
„Ich meine, das liegt daran, dass wir eine Regierung und eine Industrie haben, die uns Briefe schreibt.“
„Die Regierung schreibt uns Briefe mit der Aufforderung jemand umzubringen?“
„Natürlich nicht so krass. Sie vermittelt uns, das wir im Job besser sein müssen, als der andere, damit wir bekommen, was wir wollen.“
„Das ist aber jetzt was ganz anderes?“
„Nein. Es geht ums das Wollen. Apfel. Geld. Fast das Gleiche. Frag dich selbst. Wie ist das mit dem Wollen? Du willst mehr, oder? Immer mehr.“
„Hm. Nicht von allem. Aber könnte man so sagen. Natürlich sicher nicht nur.“
„Klar. Du willst glücklich sein. Eigentlich. Aber meistens bist du damit beschäftigt, mehr zu wollen, weil du meinst, wenn du mehr hast, bist du glücklicher. Mehr Platz. Mehr Auto. Mehr Möbel. Mehr Zeit. Mehr Geld, mehr Einfluss, mehr Spaß, mehr Nervenkitzel.“
„Mehr Sex.“
„Wirklich?“
„Nein - nicht wirklich. Ich wollte früher mehr.“
„Oha. Du hast also genug.“
„Ja, im Großen und Ganzen.“
„Hat dir jemand gesagt, welche Menge genug ist?“
„Nein. Ich glaube, das habe ich selbst herausgefunden.“
„Bemerkenswert.“
„Haha.“

Das Genug lernen


„Spielen wir das Denkspiel weiter: Wenn wir nicht aufhören, besser sein zu wollen, müssen wir ständig besser werden. Weil das, was wir sind und haben, nie genug ist, müssen wir ständig mehr haben und mehr wollen.“
„Verstehe ich.“
„Und grundsätzlich: Mehr zu haben, geht nur im Gegensatz zu etwas anderen. Entweder zu dem, was du vorher hattest, oder zu dem, was andere haben. Das Mehr-als ist immer ein Vergleich. Mehr als vorher. Mehr als der andere. Das ist das Hamsterrad, in dem wir gefangen sind. Nichts ist je genug.“
„Es sei denn, ich erkenne mein persönliches Genug.“
„Genau.“
„Wie kam es denn deiner Meinung nach dazu, dass wir ständig mehr wollen? Siehst du da eine Verschwörung?“
„Das Mehr-haben-wollen ist von Natur aus menschlich. Im Kindesalter des Menschen sehr sinnvoll. Im Kindesalter der Menschheit sehr sinnvoll. Aber man er-wächst. Wenn man heranwächst, verlernt man das Immer-mehr-haben-wollen. Denn: Glückliche Erwachsene bringen einem bei, das es ein persönliches Genug für eine Menge an Keksen gibt. Sie zeigen dir, das es sich lohnt, herauszufinden, was genau glücklich macht. Die Menge der Kekse? Der Keks an sich? Das gemeinsame Keksessen? Das Fazit ist irgendwie: Das Glück kommt von Innen und so. Hauptsache es gibt Kekse und wir feiern das gemeinsam ab. Aber leider machen wir das nur mit Keksen so. Und da nicht mal wirklich. Denn: Das „System“ da draußen hindert dich am Finden deines persönlichen Genugs. Das kapitalistische System redet noch Erwachsenen ein, dass es kein Genug gibt. Man kann auch sagen: Es lässt sie nicht erwachsen werden. Sie müssen immer mehr haben, immer mehr wollen - und dafür müssen sie immer mehr arbeiten und so weiter. Das Finden des persönlichen Genugs ist systemfeindlich.“
„Hilfe. So krass ist es? Aber ich erkenne, was du meinst.“

Warum wir nicht erwachsen werden


„Erinnerst du dich an die dritte Partei, die den Brief schrieb? Wir, die wir nicht erwachsen werden, schreiben uns alle diese Briefe ständig gegenseitig. Verstehst du?“
„Nein.“
„Ich hole etwas aus. Früher machte das Mehr-haben-wollen Sinn. Da waren wir uns Fressfeinde. Lange Zeit ging es ums Überleben einer Person, dann ums Überleben einer Familie, dann um das einer Sippe, eines Dorfes, einer Stadt, eines Landes. Innerhalb dieser Zellen ging es allerdings meist recht friedlich zu, sonst wären sie ja ausgestorben. Innerhalb wurde also kooperiert, wurde Streit geschlichtet. Und schau, das Gebiet der Kooperation wurde immer größer. Von der Familie zum Dorf zur Stadt zur Region zum Land. Der Frieden hat sich ausgebreitet. Jetzt nähern wir uns zum ersten Mal in unserer Geschichte der planetarischen Gesellschaftsform. Wir müssen uns nicht mehr von irgendetwas abgrenzen. Wir sind jetzt eine Familie. Wir sind eine Spezies. Wir können jetzt global kooperieren. Wir können das Leben auf der ganzen Erde so organisieren, dass alle genug haben.“
„Ich kann dir Folgen. Aber was hat das mit der Regierung zu tun, die den Brief schreibt - und mit uns, die wir uns gegenseitig Briefe schreiben.“
„Ich möchte, dass die Menschen selbst erkennen, dass sie keine Regierung brauchen, um glücklich in Frieden zu leben. Die Botschaft ist: Lies den Brief einfach nicht. Wir verlassen uns ab jetzt auf unsere Fähigkeit zum Frieden. Das können wir selbst. Aber die Herrschenden aus Industrie, Finanzwesen und Politik wollen nicht, dass wir erkennen, wie gut wir sein können. Sie wollen nicht, dass wir sie nicht brauchen. Unsere Fähigkeit zur Kooperation ist das, was wahren Fortschritt bringt.“
„Hast du ein Beispiel?“
„Klar! Schon heute ist jedes neue Produkt ein Ergebnis von Kooperation. Was meinst du, wieviele Menschen an einem neuen Auto, an einem neuen Handy oder einer neuen Trägerrakete für Satelliten zusammenarbeiten? Das kann man wahrscheinlich nur sehr schwer zählen. Und trotzdem: Zu guter letzt hat man meist ein Produkt, das mit einem anderen konkurriert. Und selbst innerhalb der Kooperation konkurrieren Menschen um Arbeitsplätze? Macht sie das glücklicher und motivierter? Oder macht das Stress und Angst? Und warum muss das Produkt dann doch billiger sein als das andere? Und macht es die Menschen überhaupt glücklicher? Warum ist das alles so? Ist das sinnvoll?
„Ok. Offensichtlich hängt deiner Meinung nach das Wirtschaftssystem genauso schief wie die Politik.“
„Erkannt. Ich trenne das Wirtschaftssystem nicht mehr von der Politik.“
„Ich glaube aber nicht, dass sich da was ändern wird.“
„Ich behaupte, das liegt daran, dass du dir selbst nicht traust. Das hat damit zu tun, dass du gewisse Erfahrungen nicht als Erkenntnisse anerkennst, weil eben nicht nur die Regierung uns Briefe schreibt, sondern wir uns auch noch gegenseitig. Wir haben das böse Spiel einfach übernommen, weil wir meinen, einen Vorteil daraus zu ziehen. Dabei verleugnen wir unsere eigene Sehnsucht und unsere eigene Fähigkeit zu Frieden und Kooperation."
"Geht das auch konkreter?"
 "Ein Beispiel: Du hast vielleicht schon einmal im Streit deiner Freundin vorgeworfen, dass sie nicht klar sehe, um was es gehe. Vielleicht stimmte das sogar. Aber sie konnte es auf deinen Appell hin auch nicht nicht klar erkennen. Was glaubst du, wie sie vielleicht erkennen könnte, wie der Streit abläuft?“
„Sicherlich erst nach dem Streit. Wenn sie zur Ruhe findet.“
„Das meine ich auch. In einem Ruhemodus erkennt man viel klarer, was abgeht. Jetzt stell dir vor, sie hat einfach nie Ruhe. Dann erkennt sie nie klar, um was es geht.“
„Jetzt sind wir ruhig, und ich erkenne nicht, was du meinst.“
„Klar erkennst du es. Es fällt dir nur nicht leicht, es zuzugeben.“
„Du spinnst.“

„Nein, ich kenne mich. Ich weiß, wie schwer ich mir manchmal tue, ehrliche, neue Erkenntnisse zuzugeben. Ich bin überzeugt, das erlebst du gerade. Du erkennst, wie gut die Menschen sind, kannst aber diese Erkenntnis nicht zugeben, weil du sie bisher nicht zugegeben hast. Du meinst, du müsstest mir gegenüber konstant erscheinen, um von mir gemocht zu werden. Aber es ist genau andersherum. Ich nehme dich als viel sympathischer wahr, wenn du zugibst, dass du dich irren kannst.“
„Und wenn du dich irrst?“
„Ich bemühe mich, offen zu sein. Dass ich mich irre, ist möglich. Ich versuche die Gedankengänge anderer Menschen zu verstehen, durch Bücher und Gespräche. Ich höre Ihnen zu. Und ich versuche deren Erklärungen und Erfahrungen mit meinen zu vergleichen.“
„Was kommt dabei heraus?“
„Ich kann sie oft verstehen, weil ich auch ein Mensch bin. Aber ich bemerke oft, dass ich auch andere Erfahrungen gemacht habe, die mich zu anderen Gedanken bringen.“
„Hast du ein Beispiel?“
„Unser Gespräch ist ein gutes Beispiel. Wir sind ein gutes Beispiel. Deine Beschreibung der Macht des Streites im Menschen kann ich nach-denken. Das verstehe ich. Aber für deine Schlussfolgerungen fehlen einige Aspekte, die ich wahrnehme. Im Gespräch hat sich gezeigt, du nimmst diese auch wahr, aber nimmst sie nicht mit in deine Theorie über den Menschen auf.“
„OK. Und du meinst jetzt, dass ich Teile meiner Erfahrung ausblende.“
„Genau das meine ich. Ich tue das bestimmt auch zu einem Teil. Aber bezüglich dieses Themas, tue ich das vielleicht weniger als du.“
„Jaja, relativier das. Sonst habe ich den Eindruck, du meinst, du wärst besser als ich.“
„Ich bin nicht besser. Aber anders. Zumindest betrachte ich bei dem Thema Frieden andere Aspekte als du.“
„Das ist klar.“
„So klar ist das nicht. Zumindest scheint es nicht leicht zu sein, die Sichtweise des anderen als genauso wahr zu akzeptieren, wie die eigene.“
„Gilt das nur für mich.“
„Nein, das gilt auch für mich selbst.“
„Du meinst also, auch du könntest dich irren.“
„Nein. Für mich ist meine Wahrheit immer wahr. Ich irre mich für mich selbst nicht. Ich irre mich nur im Vergleich zu deiner Wahrheit.“
„Dann gibt es kein richtig und kein falsch.“
„Genau so ist es.“
„Warum unterhalten wir uns dann?“
„Weil es ein Wachstum der eigenen Wahrheit gibt. Ich empfinde es als Bereicherung meiner Sichtweise Aspekte deiner Sichtweise hinzuzufügen. Und im Gespräch mit dir erkenne ich eigene Sichtweisen, die ich bisher nicht beachtet habe. So wie du es mit der guten Seiten des Menschen vorhin erlebt hast. Du hast diese Erfahrungen in dir. Aber erst im Gespräch mit mir wird deine Aufmerksamkeit darauf gelenkt.“
„Und du glaubst, jetzt ändere ich meine Meinung.“
„Das entscheidest ganz alleine du. Du entscheidest, wie wichtig dir deine Erfahrung ist. Mir ist es wichtig, meine Erfahrungen zu erkennen, so umfassend wie möglich. Daraus entwickele ich dann meine Gedanken. Und ich weiß, meine Erfahrungen verändern sich ständig. Und andere Menschen machen andere Erfahrungen. Im Dialog erkennen wir das.“
„So kommst du ja nie zu einem stabilen Ergebnis.“
„Stabilität ist ständiger Wandel. Ein Grashalm ist stabil, aber biegt sich mit dem Wind.“
„Du änderst also dein Leben lang deine Meinung.“
„Du etwa nicht?“
„Auf irgendwas muss man sich doch verlassen können.“
„Dieser unpersönliche Allgemeinplatz ist mir zu schwammig. Klar, muss man sich auf etwas verlassen können. Aber das heißt nicht, dass ich meine Meinung nicht ändern darf. Schau dir ein fünfjähriges Kind an. Und den gleichen Mensch mit zwanzig oder fünzig. Der ändert seine Meinung, oder? Wo also hört man auf, seine Meinung zu ändern? Worauf verlässt der Mensch sich?“
„Auf das, was man für richtig hält.“
„Genau. Auf das, was du merkst, was für dich richtig ist. Für mich muss es zur gleichen Zeit nicht richtig sein.“
„Ok. Ich verstehe.“

„Für mich bedeutet Leben ständige Veränderung. Nicht immer verändert sich alles zur gleichen Zeit gleich intensiv. Dennoch, es gibt nie Stillstand.“
„Du meinst bestimmt: Es sei denn, man erzwingt ihn.“
„Genau das meine ich. Das kann man machen, aber das kostet viel Kraft - und Geld.“
„Meinst du, das kostet mehr Kraft als Veränderung.“
„Natürlich. Etwas stabil zu halten kostet viel mehr Kraft, als sich dem Fluss der Veränderung hinzugeben. Die Bevölkerung daran zu hindern, erwachsen zu werden, kostet Unsummen an Werbegeldern.“
„Jetzt sind wir also wieder im Thema.“

„Ja. Schau dir einen Staudamm an, mit wieviel Aufwand er gebaut und ständig gewartet werden muss. Das Fließen des Flusses geht einfach so, ruhig und leicht. Marketingmaßnahmen sind der Staudamm, der unser Fließen behindert. Marketingmaßnahmen sind das Sprachrohr des Kapitalismus. Wir sollen kein Genug erfahren. Wir müssen konsumieren. So will es das System. Wir sollen konkurrieren. So will es das System. Erinnerst du dich an den Streit mit deiner Freundin? Erst wenn ihr zur Ruhe kommt, erkennt ihr, wie der Streit ist. Damit die Gesellschaft nicht erkennt, wie der Streit aufrecht erhalten wird, darf sie nicht zur Ruhe kommen. Medien, Events, Konsum, Parties, Drogen. Wenn wir zur Ruhe kommen, fangen wir an, friedlich miteinander zu leben. Verstehst du?
„Au Backe! Wir kriegen ganz schön einen auf die Rübe.“

„Tja. Und freies, reflektiertes Philosophieren kann dich retten.“
„Wie jetzt?“
„Philosophieren heißt, sich ausführlich Gedanken machen. Ausführlich seiner Wahrnehmung nachspüren, sie in Worte fassen, darüber sprechen, sie vergleichen, andere Gedankenmodelle an sich heranlassen, Gedankenmodelle und Meinungen prüfen, mit Gedanken und Innenleben spielen“
„So habe ich das noch nicht gesehen. Und das ist sicher nicht das, was Philosophie an der Uni ist.“
„Leider. Dort vergleicht man viel zu viel die Gedanken der Philosophen miteinander. Man praktiziert das NACH-Denken. Dort gibt es zu wenig Raum zum VOR-Denken und SELBST-Denken. Philosophie entsteht in jedem Menschen selbst, wenn er sich Zeit nimmt, eigene Gedanken zu entwickeln. Und das wiederum setzt eigenes In-sich-spüren voraus.“
„Wenn die Menschen mehr philosophieren würden, wäre die Welt ein anderer Ort.“
„Wenn man die Menschen vom Philosophieren abhält, entfernt man sie von ihren stärksten Fähigkeit: Der gedanklichen Reflexion ihrer eigenen Gefühlswelt.“
„Und von ihren eigenen daraus wachsenden Überzeugungen.“
„So wie du bisher nicht erkannt hast, wie friedlich die Menschen schon zusammenleben.“
„Toll. Ich habe den Eindruck, du hast mich überzeugt.“
„Das lehne ich ab. Ich habe dich nicht überzeugt. Wenn überhaupt, dann hast du dich selbst überzeugt, weil du für dich erkannt hast, dass es in dir eine andere Sichtweise gibt, die du bisher nicht wahrgenommen hast.“
„Ok. Aber du hast sie mir gezeigt.“
„Gut, das akzeptiere ich. Ich danke dir, für das offene, ehrliche Gespräch.“
„Ich danke dir auch.“