Tattva Viveka 60 (2014) Autor: Clinton Callahan
Ab und zu taucht eine Formulierung auf, die schlafende Gehirnzellen erfasst, von denen du gar nicht wusstest, dass du sie hast. Aufgeschreckt wachen die Neuronen auf und nehmen die elektrisierende Wirkung mit überraschender Wachheit wahr. Wie schnell dann deine Gehirnzellen wieder einschlummern, hängt davon ab, wie groß deine Bereitschaft ist, mit ganzer Entschlossenheit in diese neu gefundene Wachheit zu springen und sie zu reiten wie ein wildgewordenes Pferd. Wenn du das Pferd ignorierst, dann galoppiert es schon bald ohne dich dem Sonnenuntergang entgegen und kehrt vielleicht nie mehr zurück.
Aber wenn du die Gelegenheit beim Schopfe packst, dann könnte dich dieses neue Mem auf einen Bewusstseinspfad zu einem völlig neuen, unerforschten Gebiet mitnehmen, welches für deine bislang unhinterfragten Annahmen sehr wahrscheinlich gefährlich ist. Es sind genau diese unhinterfragten Annahmen, die dein Leben beherrschen. Diese Annahmen in Frage zu stellen führt fast immer zu persönlicher und kultureller Evolution. Eine bestimmte Aussage erschreckt dich genau deswegen, weil sie deine heiliggehaltenen Annahmen direkt in Zweifel zieht.
Männer-Kultur im Archearchat
Die bestimmte Formulierung, über die wir hier sprechen, ist »Männer-Kultur im Archearchat«. Man kann den transformatorischen Prozess, der sich beim Ringen mit dieser Formulierung ergibt, vermeiden, indem man sich an gewohnte, aber sehr veraltete Denkprogramme klammert – und damit der Initiation aus dem Weg geht. Wenn das dein Wunsch ist, dann höre jetzt bitte auf zu lesen.
Der Begriff »Männer-Kultur« übermittelt so viele neue Informationen, dass dir seine Betrachtung in diesem kurzen Artikel einen schlechten Dienst erweisen könnte, weil er dich glauben lässt, dass du wirklich verstehst, was damit gemeint ist. Ich gehe das Risiko ein, weil ich so oft erlebt habe, wie wertvoll es ist, auch nur einen kleinen Blick über meinen eigenen Horizont werfen zu können. Wenn du dir also die Zeit nimmst, diesen Artikel zu lesen, dann nehme ich mir die Zeit, ihn zu schreiben.
Während die Frauen als Sklaven und Sexobjekte geboren werden,
müssen die Männer nicht erwachsen werden.
Wirklich zu verstehen, was mit »Männer-Kultur im Archearchat« gemeint ist, kann nur geschehen, wenn du persönlich einen Kulturwechsel vollziehst, indem du das kapitalistische patriarchale Imperium deiner Geburt hinter dir lässt und dich in die nächste Kultur begibst, jene Kultur, die nach dem Matriarchat und dem Patriarchat kommt, jene Kultur, die ich Archearchat nenne.
Das Archearchat ist die bewusste, zukunftsfähige Kultur, in der archetypisch initiierte erwachsene Frauen mit archetypisch initiierten erwachsenen Männern kreativ zusammenarbeiten. Durch gleichzeitige persönliche Experimente von einigen Millionen Menschen tritt das Archearchat bereits unaufhaltsam überall auf der Welt unterhalb des Radars des Mainstream-Bewusstseins in Erscheinung. Du bist wahrscheinlich einer dieser Forscher. Ich danke dir von Herzen für deinen mutigen Einsatz.
Strukturelle Verantwortungslosigkeit im Patriarchat
Lass uns das Tempo ein wenig herausnehmen und einen Schritt nach dem anderen machen. Der Begriff »Männer-Kultur« impliziert offensichtlich den verwandten Begriff »Frauen-Kultur«, aber seine Nicht-Entsprechung wird verschleiert, denn unsere Untersuchung hier findet innerhalb des patriarchalen Kontextes statt. Im Patriarchat sind die Bedingungen für Männer und die Bedingungen für Frauen zwar diametral entgegengesetzt, aber gleichermaßen entwürdigend.
Während die Frauen als Sklaven und Sexobjekte geboren werden, müssen die Männer nicht erwachsen werden. Da das Patriarchat seine Mitglieder nicht darüber aufklärt, dass sie in einem Patriarchat leben, musst du es selbst herausfinden, indem du bis an die gedanklichen Grenzen des Patriarchats gehst und dann über den Rand hinausblickst. Der Rand ist da, wo das Erwachsenwerden geschieht.
Das moderne Patriarchat bringt uns bei,
dass es einfach nur dumm ist,
Verantwortung zu übernehmen.
Verantwortung zu übernehmen.
»Erwachsen zu werden« bedeutet, immer verantwortlicher zu werden (Verantwortung ist Bewusstsein in Aktion – Possibility Manager Handbuch). Das moderne Patriarchat bringt uns bei, dass es einfach nur dumm ist, Verantwortung zu übernehmen. Wenn ein Kind zum Beispiel eine Sauerei macht, wer macht hinterher sauber? Die Antwort ist, die Eltern machen sauber. (Im Patriarchat macht die Mama sauber.) Die moderne Kultur macht ungeheure Sauereien ohne jegliche Absicht, diese jemals wieder zu bereinigen – Übersäuerung der Meere, Kinder auf Ritalin, von fossilen Brennstoffen abhängige Infrastruktur, Lobbyismus der Großkonzerne, Brandrodung tropischer Regenwälder und so weiter.
Das moderne patriarchalische Reich befindet sich auf dem Verantwortungsgrad eines Kindes. In der modernen Kultur ist »verantwortlich sein« gleichbedeutend mit erwischt werden, gerügt werden, bestraft werden, für schuldig befunden werden, die Last tragen und zahlen müssen. Die moderne Kultur hat die »juristische Person« erfunden, um Einzelpersonen davor zu schützen, Verantwortung für ihre Aktionen übernehmen zu müssen. Die moderne Wirtschaft lehrt uns durch ihr Beispiel, dass wir besser »clever« sein sollen als Verantwortung zu übernehmen. »Clever zu sein« heißt zu lügen, zu betrügen, heimlich zu tun, zu täuschen und sich nicht erwischen zu lassen, während du soviel mitnimmst, wie du kriegen kannst. »Clevere« Menschen machen Profit, indem sie Kosten auf andere abwälzen:
- auf die allgemeine Öffentlichkeit (durch Staatszuschüsse)
- auf weniger »modernisierte« Kulturen (durch »Handelsabkommen« und Ausbeuterbetriebe)
- und
auf zukünftige Generationen (durch den Raub wertvoller Rohstoffe unseres Planeten und gleichzeitiger Bestechung von korrupten Amtsträgern, die dann erlauben, dass giftiger und radioaktiver Abfall in den Hinterhöfen anderer Menschen entsorgt wird und diese für 50.000 Jahre verseucht).
»Männer-Kultur« im Patriarchat
Unsere Bilder von »Männer-Kultur« im kapitalistischen patriarchalen Reich könnten Folgendes beinhalten: Sehr reiche ältere Männer, die in privaten Villen herumsitzen, Zigarren rauchen und Brandy aus Cognac-Schwenkern trinken. Weniger reiche Männer, die in Bars herumsitzen, Bier trinken, Zigaretten rauchen und dabei im Fernsehen Sportsendungen, Wagenrennen oder Rodeo anschauen. Männer in exotischen Bars, die mit ihren coolen Autos, coolen Computern, coolen Freundinnen und imposanten Geldgeschäften prahlen. Männer in der Mafia, in Drogenbanden, in der Armee oder in geheimen Drei-Buchstaben-Gesellschaften, die sich mit ihren Waffen und ihrem Insider-Wissen für cool halten. Mehrere Generationen von Männern, die zusammen jagen, fischen oder mit ihren Allrad-Antriebs-Fahrzeugen schießen gehen. Männer, die auf dem Bau oder unter Tage arbeiten und zusammen in die Mittagspause gehen.
»Männer-Kultur« im »New Age«
Unsere Anhaltspunkte für die »Männer-Kultur« im »New Age« (in Ermangelung eines besseren Ausdrucks) könnten so aussehen: Nicht so alte Männer, die wandern, Marathon laufen, Kajak fahren oder Ballsportarten zusammen machen. Nicht so alte Männer, die Partys machen, sich betrinken, bekiffen oder mit Kokain anturnen und Porno-Nächte zusammen veranstalten. Nicht so alte Männer, die bei einem Männertreffen nach ihrem nächsten homosexuellen Partner Ausschau halten. Nicht so alte Männer in wöchentlichen »Männer-Gruppen«, die ihre Identitätsprobleme, ihre Partnerschaftsprobleme, ihre familiären Probleme, ihre gesundheitlichen Probleme und ihre finanziellen Probleme miteinander besprechen.
Du kannst dich aus dem Patriarchat nicht hinausdenken.
Du musst körperlich aussteigen.
Du musst körperlich aussteigen.
Innerer Ausstieg aus dem Patriarchat
Hier halten wir einen Moment inne, um eine relevante Frage in Betracht zu ziehen:
…
Was wäre, wenn alle unsere bisherigen Orientierungspunkte darüber, was »Männer-Kultur« ist, in der Kultur, die dem Patriarchat folgt, nicht mehr länger gültig sind? Was, wenn wir verstünden, dass unser Verständnis von »Männer-Kultur« Teil des Problems ist? Was, wenn die Männer-Kultur im Archearchat ganz anders ist, als was wir kennen, und das Beste, was wir als Männer tun können, wäre, zusammenzukommen und jedes Treffen damit zu beginnen, die Verbrechen und Schrecken der 6000 Jahre langen patriarchalen Männer-Kultur zu betrauern? Verbrechen und Schrecken, die Frauen, Kindern, Tieren und der Erde angetan wurden und bis heute in großem und zerstörerischem Ausmaß andauern?
Was, wenn wir damit starten anzuerkennen, dass wir die Söhne von Patriarchen sind, die selbst nur Patriarchen als Vorbilder hatten? Was, wenn wir uns eingestehen, dass wir in unserem Denken und unserer Wahrnehmung derart gefangen sind, dass wir jedes Mal, wenn wir zusammenkommen, gar nicht anders können als unbewusst die Kultur des kapitalistischen, patriarchalen Reiches heraufzubeschwören?
Es ist ein Weckruf, zu erkennen, dass jeder von uns so lange im Patriarchat gefangen bleibt, bis wir uns einem persönlichen und tiefgreifenden Prozess unterziehen, daraus auszusteigen. [...]