Es gibt keinen Grund außer für mich. Da ist kein Erlebnis in der Welt. Es gibt nur mich und meine Bilder, meine Wünsche, Träume und Sehnsüchte. Sie drängen auf mich ein, wie der Nebel, der abends langsam vom See ans Ufer kriecht. Es ist unheimlich, im Nebel zu verschwinden. Er ist so mächtig, so undurchsichtig. Er hüllt mich ein, nimmt mir die Sicht, doch er lässt mir die Handlungsräume offen.
Im Nebel schwimmt die Zeit. Das Klare wird trüb. Farben verschmelzen und lösen sich auf. Konturen verwischen, verschwinden und täuschen. Wohl bleiben die Gegenstände erhalten, weiß mein Verstand. Doch sehen und riechen, ja nicht einmal hören kann ich sie noch.
Die ganze äußere Welt ist verändert. In Nebel gehüllt. Ich finde mich wieder, an meinem Platz stehend. Um mich diese befremdliche Welt. Ohne Orientierung. Sie fehlt mir, die Orientierung. Ich vermisse sie. Ich vermisse ihren Halt. Auf was soll ich achten? Welche Schatten betrügen mich? Welche Klänge verführen mich? Es ist alles so fremdartig im Nebel.
Ich bin ohne Nebel aufgewachsen. Ohne Wind. Ohne Fluss. Ohne See. Ohne Meer. Bei mir gab es den Wald. Den konnte ich studieren. Aber nicht das, was ich als Bild verwende, wenn ich das beschreibe, was mir geschieht, wenn ich an dich denke im Nebel.
Du bist mein Nebel. Du bist die fehlende Welt. Du bist das Unbekannte, Mysteriöse, das, wovor ich Angst habe - manchmal, das, was mich am Handeln hindert, weil ich keine Orientierung habe. Du bist meine Welt im Nebel. Du bist mein Nebel.
Ich stehe am Ufer eines Sees. Die Sonne geht unter, das Licht nimmt ab. Gleichzeitig kommt der Nebel auf. Er kriecht auf mich zu, umschlängelt meine Beine. Er schlingt sich nach oben. Mit der nächsten Woge verschwinde ich ganz, er umhüllt mich, packt mich ein, umfasst und streichelt mich, nimmt mir den Atem, die Sicht, den Raum. Raubt mir die Welt, wie ich sie kenne. Ich verschwinde im Nebel.
Dunkelheit kenne ich. Sie ist die Einsamkeit. Darin gibt es nur mich. Der Nebel ist anders. Er bringt mich in Beziehung zur Welt. In eine fremde. In eine neblige.
Im düsteren Nebel einsam verloren, von plötzlichem Mut gepackt, schreite ich los. Mit mir als einsamer Quelle im ewigen Nichts. Ich hebe den Fuß, brineg ihn nach vorne, laufe ihm nach. Doch halt. Da ist doch wer? Ich kann dich sehen, hören, fühlen. Ich erkenne dich nicht. Wer bist du? Dort bis du, du wundersamer Engel ohne Augen. Du Decke ohne Wand. Du Wüste ohne Sand. Du Meer ohne Wellen. Du Alles mit dem vielen Nichts.
Für mich bist du unerreichbar. Undurchdringbar. Ich kann nicht fliegen, nicht schweben. Ich kann nicht schwimmen. Du bist nicht hier. Du bist nur eine Fantasie. Du bist meine Sehnsucht, mein im Nebel verborgenes Herz.
Mutig schreite ich zwei schnelle Schritte nach vorne. Doch hoppla! Etwas geschieht. Ich stolpere, ja wirklich, hinüber, eine Wurzel? Eine Hand? Zwei unsichere, hastige Schritte muss ich tun, sonst falle ich, stolpere weiter in die Nebelwelt, die unendliche, und dann stehe ich wieder.
Nichts lies mich stürzen? Nichts fing mich auf? Ich strebte, schritt und strauchelte - und stand erneut. Fest. Unbeweglich. Einige Meter weiter als bisher, doch erneut im selben feuchten Nebel, der auf mich wartet.
Was will der Nebel von mir? Was will er wirklich? Ich schreie ihn an: Was soll ich tun? Wer bin ich? Was willst du von mir? Er schluckt meine Worte und sprüht sie zurück. Ich spüre es: Er will mir etwas sagen. Mit seiner nebligen Stille. Ich soll zuhören. Ja?
Er lädt mich ein. Flüsternd. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Ich zittere. Mein Atem stockt. Ich kann den Nebel verstehen, mit meinen Gedanken, den Dunst schmecke, den Dies fühlen. Ich schließe die Augen und atme das Nass ein. Ich verwachse mit dem Boden, erreiche den Himmel und lasse dazwischen im Nebel mein Leben. Tief in mir, dort wo Glut und Feuer tanzen, dort tanzt der Nebel mit mir. Dort tanzt du mit mir, du Nebel, und löst dich auf, löst mich auf.
Liebe, ruft mir der Nebel zu. Liebe! Und vertraue mir! Was lerne ich mit dir, die du nicht da bist? Was lerne ich im Nebel? Du, du liebes Liebeswesen, du fehlendes Puzzleteil in einem Spiel ohne Bild. Du fehlende Geigerin in einem Orchester ohne Instrumente. Du, du meine Illusion der Unvollkommenheit, dein Glanz blendet mich und erfreut mein Herz obgleich die Sterne dunkeln.