Nicht wie die "gelobten" Schrifsteller erzählen.

«Ich verzichte von vornherein, so wie die ‹gelobten› Schriftsteller zu erzählen. Warum? Es wäre das Allerleichteste für mich. Aber ich müßte dabei das Allerschwerste aufgeben: die Entwicklung zu einem höheren Menschentum, mein Gewissens-Verhältnis zum Geist. Als ich mich zu dieser Strenge mir selber gegenüber entschloß, stand ich vor der Frage: werde ich überhaupt noch Leser finden? Aber selbst auf die Gefahr hin, daß ich den letzten verliere, wollte ich diesen Weg gehen. […] Ich betrachte die Aufgabe des Dichters, um es ganz schlicht zu sagen, darin, Bausteine zu einer im Geiste verjüngten Menschheit, zu einer neuen Erde, beizutragen. […] Durch jenen Verzicht, so wie die meisten gegenwärtigen Schriftsteller zu schreiben, gab ich nicht, wie meine Kritiker meinten, das Dichtertum auf, wohl aber den Erfolg. Was sichert heute den Erfolg? Die großen Auflagen liefern die Antwort. Entweder die photographische Treue, mit der man unsere Zivilisationsverhältnisse schildert, oder aber die rücksichtslose Darstellung des Trieblebens. Oder beides miteinander verbunden. Aber dieses ist die verderblichste Ehe.»

von Albert Steffen

Albert Steffen (* 10. Dezember 1884 in Wynau; † 13. Juli 1963 in Dornach) war ein Schweizer Schriftsteller und Anthroposoph. Nach dem Tode Rudolf Steiners war Steffen ab 1925 dessen Nachfolger als Vorsitzender der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft.

Prolog
Es ist mir kein Auftrag gegeben,
von Göttern nicht
und nicht von Menschen,
keine Lehre von irgendwem wurde mir anbefohlen.
Ich wußte nicht, woher ich gekommen,
wohin ich gehe,
ich fand mich am Platze, wo ich geboren,
Vater, Mutter, Geschwister um mich,
den Garten, den Acker, den Wald,
fern das Gebirge.
Eines erfaßte ich bald, aber von mir aus:
Wahr will ich werden, Schönes erleben, Gutes tun.
Viele Menschen wurden mir Vorbild darin,
und ich hatte sie gern.
Von diesen durfte ich lernen,
von Werken der göttlichen Vorzeit,
sie zu erforschen, sie zu erproben, sie zu befolgen,
das war mein Wille, nicht eines andern.
Kein Lehrer gebot mir: Du sollst!
Und wenn er es sagte, prüfte ich erst,
tat, was mir recht schien.
So schaute ich um mich,
erblickte das Erdreich,
Steine, Pflanzen, Tiere und die Gestirne.
Alle Wesen sprachen zu mir,
und ich suchte sie zu begreifen.
Von jedem lernte ich etwas,
von mir nur wenig,
bis ich mich selber erkannte,
wie einen Fremden, von meinem höheren Selbst aus.
Zuerst erschien mir die Welt gut,
dann sah ich, daß manches bös war.
Ich meinte, alle Menschenseelen sind schön,
und erblickte viele sehr häßlich.
Ich suchte die Wahrheit
und fand die Lüge.
Böses, Häßliches, Lüge,
verwandeln wollte ich sie.
Ich kämpfte deshalb mit Menschen,
wenn sie mir nicht die Freiheit gewährten,
zu sehen, zu sagen, zu tun,
was selber als wahr und gut und schön ich erkannte.
Christus durfte ich lieben,
weil er mich, niemals zu etwas genötigt.
Er ist mein höchster Lehrer geworden.
Andere Menschen wurden es nur,
sofern sie sprachen
Nicht ich, sondern Christus in mir.
Aber die Nacht, die ins Nichts führt?
Ich lernte vom Dunkel die Sehnsucht nach Licht.
Licht entwickelt am Finstern die Farbe.
Farbe erweckt die Seele.
Die Seele lernt von den Sternen
die Worte der Götter.
Die erste Wahrheit, die sie mich lehrten,
sie lautet:
Mensch, du bist frei, und Mensch, du darfst lieben,
Mensch, erkenn dich zur Freiheit bestimmt,
aus Liebe immer wieder geboren,
als Einer in Aller Gemeinschaft zu wirken.
Das ist dein Auftrag, dir von dir selber verliehen,
Freien und Liebenden recht.

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