Alfred Lumpe: „Es reicht nicht aus, wenn sie nur Wissen reproduzieren und rezitieren können, sondern sie müssen mit diesem Wissen umgehen können. Sie müssen unter Anwendung ihres Wissens handeln können. Sie müssen dieses Wissen bewerten können und in neue Situationen übertragen können. Sie müssen das Wissen verwenden, in andere Zusammenhänge transferieren, zum Lösen von Problemen und komplexen Aufgaben intelligent anwenden können. Dieses Handeln muss in der Schule eingeübt werden.“
„Es kommt jetzt nicht mehr ausschließlich darauf an, Wissen zu vermitteln (im Sinne von transportieren), sondern in diesem Bild kommt es darauf an, Situationen zu schaffen, in denen 20 Individuen ihre individuellen Bildungsprozesse optimal – und jeder dieser 20 hat eine eigene Optimierungslinie – entwickeln können. Wenn Lehrkräfte derartige Prozesse organisieren sollen, müssen sie dies auf der Grundlage entsprechender struktureller Vorgaben auch dürfen.“
„Es kann dann in Lehrplänen nicht mehr festgelegt werden, welche Inhalte wann gelehrt werden sollen. Dann müssen Lehrpläne zu Bildungsplänen werden, die mit anderen Vorgaben zur Grundlage für die Steuerung der Lernprozesse werden. Mit den Bildungsplänen müssen die Ergebnisse beschrieben und Gestaltungsräume eröffnet werden. Am Ende des Lernprozesses soll der Lernende und zwar jede Schülerin und jeder Schüler über bestimmte Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse verfügen und in der Lage sein, bestimmte Handlungen durchzuführen. Diese Anforderungen, also die Ergebnisse von Lernprozessen, sind die Vorgaben in Bildungsplänen. Das ist der Unterschied, der große Unterschied zwischen inhaltsbezogenen Lehrplänen und kompetenzorientierten Bildungsplänen, in denen definiert wird, welche Anforderungen ein Schüler oder eine Schülerin in der Regel erfüllen soll, wenn er oder sie einen ganz bestimmten Bildungsabschluss erreichen will. Der Unterschied zwischen Lehrplänen und Bildungsplänen ist die Konsequenz aus der Weiterentwicklung des Wissens über die Steuerungsmöglichkeiten von Lernprozessen. In den kompetenzorientierten Bildungsplänen sind Vorgaben zu den Kompetenzen enthalten, die die Schülerinnen und Schüler am Ende eines Bildungsabschnittes erworben haben sollen.“
„Was ein Schüler oder eine Schülerin zu einem bestimmten Zeitpunkt können soll, umfasst damit sowohl Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, aber auch Bereitschaften, Haltungen, Einstellungen, Strategien und Routinen, über die die Schülerinnen und Schüler verfügen sollen.“
hlz:
„Es ist also dem Lehrer völlig frei gestellt, was er und welche Literatur er mit den Schülern behandelt?
Alfred Lumpe:
„Ja und nein, es kommt darauf an, was unter „freigestellt“ verstanden wird. Mit kompetenzorientierten Bildungsplänen ist es der Lehrkraft völlig freigestellt, welche Literatur sie behandelt.“
„Müssen alle Schüler im November und Dezember Goethes Faust lesen und im Januar eine Klausur darüber schreiben oder ist man differenzierter und sagt, wir bieten an – klar Goethes Faust, der hat sich bewährt.“
hlz
„Ein Hohelied auf die Kollegenschaft, der damit eine große Verantwortung zukommt. Ich danke Ihnen für das Gespräch!“
Auszüge aus dem GEW
Interview mit Dr. Alfred Lumpe, verantwortlich in der BSB für die Bildungspläne, über den Wandel des Lernens
https://www.gew-hamburg.de/themen/schule/kompetenz-ist-niemals-wissensfrei