Solidarische Unterstützungsarbeit ist der Kampf um gleiche soziale und politische Rechte für alle. »Ehrenamtliches« und »bürgerschaftliches« sowie
»zivilgesellschaftliches« Engagement ist seit vielen Jahren und in den
verschiedensten Diskursen in aller Munde.
[...]
Diese Arbeit wird als unersetzlich gewürdigt und oftmals sogar von offizieller Seite ausgezeichnet,
[...]
Nicht immer gelingt es bei solchen Anlässen, diese öffentliche Würdigung
einerseits anzunehmen, andererseits aber auch in ihrer
Widersprüchlichkeit zu benennen. Häufig tritt in der offiziellen
Darstellung sowie der medialen Berichterstattung in den Hintergrund,
dass (sozial)staatliche Pflichtaufgaben oftmals auf die »Ehrenamtlichen«
abgewälzt werden und die von den Initiativen formulierte, berechtigte
Kritik an der menschenunwürdigen Asyl- und Flüchtlingspolitik sowie den
gesellschaftlichen Bedingungen und gesetzlichen Grundlagen rassistischer
Ausgrenzung vereinnahmt, abgeschwächt oder gar mundtot gemacht wird.
[...]
Wie die bereits erwähnte Veranstaltung zum Internationalen Tag der
Migrant*innen zeigt, ist die öffentliche und politische Aufmerksamkeit
häufig reduziert auf das (humanitäre) Engagement von »ehrenamtlichen«
Initiativen. Gesamtgesellschaftliche Bedingungen und die notwendigen
gemeinsamen, solidarischen sozialen Kämpfe um gleiche Rechte für alle
geraten dabei aus dem Blick oder sollen gar nicht erst sichtbar
(gemacht) werden. Dies entlässt nicht nur die Politik aus der
Verantwortung, sondern verlagert auch politische Themen in einen
vermeintlich unpolitischen zivilgesellschaftlichen Raum. Humanitäres,
»ehrenamtliches« Engagement ist dabei nicht selten einem
paternalistischen Hilfediskurs verschrieben, der zum einen über die
Dichotomisierung der Helfenden und der Bedürftigen funktioniert und zum
anderen oftmals koloniale Bilder und Denkfiguren reproduziert.
Ein Verständnis von Unterstützung als wohltätige Hilfe verlangt, dass
die Bedürftigkeit zumindest diskursiv immer wieder bewiesen werden muss
und versetzt die (eigentlich) Anspruchsberechtigten in eine Position
als Bittsteller*innen, die ihnen unter Umständen auch noch unterwürfige
Dankbarkeit abverlangt. Die Macht der Helfenden wird dabei verschleiert.
Die bewusste oder unbewusste Ignoranz gegenüber gesellschaftlich
ausgrenzenden Bedingungen und die fehlende Analyse ihrer Ursachen
erlaubt eine Erhöhung der Helfenden gegenüber den Hilfe-Bedürftigen.
Dieser unkritische Ehrenamtsdiskurs ist gesellschaftlich dominant und
weist Überschneidungen mit kolonial geprägten Traditionen auf: Die
»ehrenamtlich« (»weißen«) Helfenden werden als aktiv handelnde Subjekte
konstruiert und erfahren Anerkennung und »Ehre«, während ihre
(»schwarzen«) Gegenüber als defizitär, arm, minderwertig, hilfs- und
entwicklungsbedürftig sowie passiv konstruiert werden. In der
zugeschriebenen Position als Opfer, Objekte oder Adressat*innen von
Hilfsangeboten erfahren sie Mitleid statt Anerkennung.
Das grundsätzliche Problem dieser »humanitären« oder
»humanitaristischen« Perspektive auf »Ehrenamt« besteht darin, dass es
ein ahistorischer und entpolitisierender Blick ist, der
gesellschaftliche Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse verschleiert.
In dieser Logik bleibt der Fokus »Recht auf Rechte« ausgeklammert.
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Das Medibüro – Netzwerk für das Recht auf Gesundheitsversorgung
aller Migrant*innen vermittelt seit 1996 in Berlin illegalisierten
Menschen und Migrant* innen ohne Krankenversicherung
Gesundheitsversorgung durch medizinisches Fachpersonal – anonym und
kostenlos für die Betroffenen. Das Medibüro ist ein selbstorganisiertes,
nichtstaatliches, antirassistisches Projekt, das seit seinem Bestehen
für gleiche soziale und politische Rechte aller Menschen unabhängig von
ihrem Aufenthaltsstatus eintritt. Alle im Medibüro-Netzwerk Aktiven
engagieren sich unentgeltlich. Entstehende Kosten für Labor, Diagnostik,
Material oder stationäre Aufenthalte werden über Spendengelder
finanziert.
http://www.blog.schattenbericht.de/2015/09/es-ist-uns-%E2%80%A8keine-ehre/