Liebe ist nicht in erster Linie eine Bindung an eine bestimmte
Person. Sie ist eine Haltung, eine Charakter Orientierung, welche die
Bezogenheit eines Menschen zur Welt als Ganzem und nicht nur zu einem
einzigen «Objekt» der Liebe bestimmt.
Wenn jemand nur eine einzige
andere Person liebt und ihm alle übrigen Mitmenschen gleichgültig
sind, dann handelt es sich bei seiner Liebe nicht um Liebe, sondern
um eine symbiotische Bindung oder um einen erweiterten Egoismus.
Trotzdem glauben die meisten Menschen, Liebe komme erst durch ein
Objekt zustande und nicht aufgrund einer Fähigkeit. Sie bilden sich
tatsächlich ein, es sei ein Beweis für die Intensität ihrer
Liebe, wenn sie außer der «geliebten» Person niemanden lieben.
Es
ist dies der gleiche Irrtum, den wir bereits an anderer Stelle
erwähnt haben. Weil man nicht er kennt, daß die Liebe ein
Tätigsein, eine Kraft der Seele ist, meint man, man brauche nur das
richtige Objekt dafür zu finden und alles andere gehe dann von
selbst.
Man könnte diese Einstellung mit der eines Menschen
vergleichen, der gern malen möchte und der, anstatt diese Kunst zu
erlernen, behauptet, er brauche nur auf das richtige Objekt zu
warten, und wenn er es gefunden habe, werde er wunderbar malen
können.
Wenn ich einen Menschen wahrhaft liebe, so liebe ich alle
Menschen, so liebe ich die Welt, so liebe ich das Leben. Wenn ich zu
einem anderen sagen kann: «Ich liebe dich», muß ich auch sagen
können: «Ich liebe in dir auch alle anderen, ich liebe durch dich
die ganze Welt, ich liebe in dir auch mich selbst.»