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Mehr Freude!

Im deutschsprachigen Raum hat das Spazierengehen eine kulturelle Tiefe, die weit über das körperliche Bewegen hinausgeht. Ich denke dabei eher an eine Haltung, nämlich die Bereitschaft, sich auf den Weg zu machen, sich der Veränderung und dem Aussen anzuvertrauen und darauf zu vertrauen, dass das Leben einen führt. Der «Taugenichts» ist ein romantisch verklärtes Bild für diese Haltung. Die in der deutschen Kultur tief verwurzelte Tradition der Wanderschaft nach der Lehre symbolisiert den Aufbruch in die Welt, über das Bekannte hinaus.

Das Lied «Geh aus, mein Herz, und suche Freud» beschreibt einen ähnlichen Akt: das Heraustreten aus der Enge des Ichs, aus der Geschlossenheit der eigenen Gedankenwelt - hin zur Welt, zur Schöp-fung, zur lebendigen Gegenwart. Es ist ein poetischer Aufruf zur Selbsttranszendenz, getragen von einer geistigen Offenheit für das, was ist.

Freiheit ist hier nicht Abgrenzung, sondern Ent-grenzung. Die Freiheit des Menschen zeigt sich nicht im Rückzug, sondern in der Bereitschaft zur Begegnung. In der Bewegung nach aussen wird das Ich durchlässig und erfährt sich neu - als Teil eines grösseren Ganzen. Und die Methodik dieses Freiheitsansatz ist ganz einfach - Freude.

Das klingt erstmal banal. Vielleicht auch ein bisschen einfach. Und fast ein bisschen unseriös, weil Freude vielleicht dem ernsten Anspruch eines Schulalltags und des Lernens widerspricht. Aber anders als Vergnügen ist Freude kein passives Konsumgut, sondern ein aktives Lebensprinzip - ein Motor menschlicher Selbstverwirklichung (Erich Fromm) und, wie Schiller sagt, ein nährendes Naturprinzip («Ode an die Freude»).

Freude ist eine innere Haltung: die Bereitschaft, sich berühren zu lassen, zu staunen, sich einzulas-sen. Sie ist die Voraussetzung für wirkliches Ler-nen. Wenn ich an meinen Unterricht denke, wird mir klar: Freude ist der Impuls, der Verbindung schafft - zur Klasse, zu einzelnen Schülerinnen und Schülern, zum gemeinsamen Tun. Und sie ist das, was bleibt, wenn etwas gelungen ist.
Die Freude ist Ursprung und Frucht jeder echten Lernbewegung. Sie öffnet uns für das, was uns be-gegnet, und wächst zugleich aus dieser Offenheit heraus.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es mich, wie selten die Schule ein Ort der Freude ist. Ihr Fehlen ist besonders deutlich spürbar im Lehrerzimmer, in Besprechungen, bei Vorbereitungen und in kurzen Gesprächen auf dem Flur. Ich weiss ja nicht, wie es an eurer Schule ist. Aber an meiner Schule ist Freude eher nebensächlich und glänzt zu häufig durch Abwesenheit. Mir scheint, dass es nicht nur bei uns so ist.

Die grosse Anzahl von Ratgebern mit Titeln wie «Die eigene Freude wiederfinden» oder «Wie aus Arbeit Freude wird» lässt mich vermuten, dass fehlende Freude ein weit verbreitetes Phänomen ist. Betrachtet man die Kernbotschaft dieser Rat-geber, stellt man immer wieder fest: «Tu das, was du gerne tust.» Eine einfache Botschaft. Und in ihrem Umkehrschluss weist sie auf das Kernproblem hin. Wir sind überwiegend fremdbestimmt von Dingen, Vorgaben, Ansichten usw.

Die Begegnung mit Edu erinnert mich an etwas, das ich oft vergesse: Wir sind nicht hier, um zu funktionieren, sondern um frei zu sein. Und Freiheit beginnt dort, wo wir dem folgen, was uns wirklich Freude macht. 

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Text: Henrik Löning, in Schulkreis 2025 

Geist-Verstehen und Schicksals-Erleben

Das Verständnis des anthroposophischen Erkennens kann gefördert werden, wenn die menschliche Seele immer wieder auf das Verhältnis von Mensch und Welt hingelenkt wird.
Richtet der Mensch die Aufmerksamkeit auf die Welt, in die er hineingeboren wird und aus der er herausstirbt, so hat er zunächst die Fülle seiner Sinneseindrücke um sich. Er macht sich Gedanken über diese Sinnes-Eindrücke.
Indem er dieses sich zum Bewußtsein bringt: «Ich mache mir Gedanken über das, was mir meine Sinne als Welt offen-baren», kann er schon mit der Selbstbetrachtung einsetzen. Er kann sich sagen: in meinen Gedanken lebe «Ich». Die Welt gibt mir Veranlassung, in Gedanken mich zu erleben. Ich finde mich in meinen Gedanken, indem ich die Welt betrachte.
So fortfahrend im Nachsinnen verliert der Mensch die Welt aus dem Bewußtsein; und das Ich tritt in dieses ein. Er hört auf, die Welt vorzustellen; er fängt an, das Selbst zu erleben.
Wird umgekehrt die Aufmerksamkeit auf das Innere ge-richtet, in dem die Welt sich spiegelt, so tauchen im Bewußtsein die Lebensschicksalsereignisse auf, in denen das menschliche Selbst von dem Zeitpunkte an, bis zu dem man sich zurück-erinnert, dahingeflossen ist. Man erlebt das eigene Dasein in der Folge dieser Schicksals-Erlebnisse.
Indem man sich dieses zum Bewußtsein bringt: «Ich habe mit meinem Selbst ein Schicksal erlebt», kann man mit der Weltbetrachtung einsetzen. Man kann sich sagen: In meinem Schicksal war ich nicht allein; da hat die Welt in mein Erleben eingegriffen. Ich habe dieses oder jenes gewollt; in mein Wollen ist die Welt hereingeflutet. Ich finde die Welt in meinem Wollen, indem ich dieses Wollen selbstbetrachtend erlebe.
So fortfahrend, sich in das eigene Selbst einlebend, verliert der Mensch das Selbst aus dem Bewußtsein; die Welt tritt in dieses ein. Er hört auf, das Selbst zu erleben; er fängt an, die Welt im Erfühlen gewahr zu werden.
Ich denke hinaus in die Welt; da finde ich mich; ich versenke mich in mich selbst, da finde ich die Welt. Wenn der Mensch dieses stark genug empfindet, steht er in den Welt- und Men-schenrätseln drinnen.
Denn fühlen: man müht sich im Denken ab, um die Welt zu ergreifen, und man steckt in diesem Denken doch nur selbst darinnen, das gibt das erste Welträtsel auf.
Vom Schicksal in seinem Selbst sich geformt fühlen und in diesem Formen das Fluten des Weltgeschehens empfinden; das drängt zum zweiten Welträtsel hin.
In dem Erleben dieses Welt- und Menschenrätsels erkeimt die Seelenverfassung, in der der Mensch der Anthroposophie so begegnen kann, daß er in seinem Innern von ihr einen Eindruck erhält, der seine Aufmerksamkeit erregt.
Denn Anthroposophie macht nun dieses geltend: Es gibt ein geistiges Erleben, das nicht im Denken die Welt verliert.
Man kann auch im Denken noch leben. Sie gibt im Meditieren ein inneres Erleben an, in dem man nicht denkend die Sinnes-welt verliert, sondern die Geistwelt gewinnt. Statt in das Ich einzudringen, in dem man die Sinnen-Welt versinken fühlt, dringt man in die Geist-Welt ein, in der man das Ich erfestigt fühlt.
Anthroposophie zeigt im weiteren: Es gibt ein Erleben des Schicksals, in dem man nicht das Selbst verliert. Man kann auch im Schicksal noch sich selbst als wirksam erleben. Sie gibt in dem unegoistischen Betrachten des Menschenschicksals ein Erleben an, in dem man nicht nur das eigene Dasein, sondern die Welt lieben lernt. Statt in die Welt hineinzustarren, die in Glück und Unglück das Ich auf ihren Wellen trägt, findet man das Ich, das wollend das eigene Schicksal gestaltet. Statt an die Welt zu stoßen, an der das Ich zerschellt, dringt man in das Selbst ein, das sich mit dem Weltgeschehen verbunden fühlt.
Das Schicksal des Menschen wird ihm von der Welt bereitet, die ihm seine Sinne offenbaren. Findet er die eigene Wirksamkeit in dem Schicksalswalten, so steigt ihm sein Selbst wesenhaft nicht nur aus dem eigenen Innern, sondern es steigt ihm aus der Sinneswelt auf.
Kann man auch nur leise empfinden, wie im Selbst die Welt als Geistiges erscheint und wie in der Sinneswelt das Selbst sich als wirksam erweist, so ist man schon im sicheren Verstehen der Anthroposophie darinnen.
Denn man wird dann einen Sinn dafür entwickeln, daß in der Anthroposophie die Geist-Welt beschrieben werden darf, die vom Selbst erfaßt wird. Und dieser Sinn wird auch Verständnis dafür entwickeln, daß in der Sinneswelt das Selbst auch noch anders als durch Versenken in das Innere gefunden werden kann. Anthroposophie findet das Selbst, indem sie zeigt, wie aus der Sinneswelt für den Menschen nicht nur sinnliche Wahrnehmungen sich offenbaren, sondern auch die Nachwirkungen aus seinem vorirdischen Dasein und aus den vorigen Erdenleben.
Der Mensch kann nun in die Welt der Sinne hinausblicken und sagen: da ist ja nicht nur Farbe, Ton, Wärme; da wirken auch die Erlebnisse der Seelen, die diese Seelen vor ihrem gegenwärtigen Erdendasein durchgemacht haben. Und er kann in sich hineinblicken und sagen: da ist nicht nur mein Ich, da offenbart sich eine geistige Welt.
In einem solchen Verständnisse kann der von den Welt- und Menschenrätseln berührte Mensch sich mit dem Eingeweihten zusammenfinden, der, nach seinen Einsichten, von der äußeren Sinneswelt so reden muß, als ob aus derselben nicht nur sinnliche Wahrnehmungen sich kundgäben, sondern die Eindrücke von dem, was Menschenseelen im vorirdischen Dasein und in verflossenen Erdenleben gewirkt haben; und der von der inneren Selbst-Welt aussagen muß, daß sie Geistzusammenhängeoffenbart, so eindrucks- und wirkungsvoll, wie die Wahrnehmungen der Sinneswelt sind.
Bewußt sollten sich die tätig sein wollenden Mitglieder zu Vermittlern dessen machen, was die fragende Menschenseele als Welt- und Menschenrätsel fühlt, mit dem, was die Ein-geweihten-Erkenntnis zu sagen hat, wenn sie aus Menschen-Schicksalen eine vergangene Welt heraufholt, und wenn sie aus seelischer Erkraftung die Wahrnehmung einer Geist-Welt erschließt.
So kann im Arbeiten der tätig sein wollenden Mitglieder die Anthroposophische Gesellschaft zu einer echten Vorschule der Eingeweihten-Schule werden. Auf dieses wollte die Weih-nachtstagung kräftig hinweisen; und wer diese Tagung richtig versteht, wird mit diesem Hinweisen fortfahren, bis ein genügendes Verständnis dafür der Gesellschaft wieder neue Aufgaben bringen kann.

Emotionale Bedürftigkeit und die Liebe des Herzens

Das Herz erbarmt sich aller Bedürfnisse, der großen wie der kleinen. Trost zu spenden, Liebe zu geben und zu verstehen ist seine Natur. Du mußt es ihm nur erlauben!

Wenn du deinem Herzen nicht erlaubst, sich um deine emotionalen Bedürfnisse zu kümmern - beispielsweise wenn du sie verurteilst oder für nicht der Rede wert hältst -, dann suchen sie ein anderes Herz, das sich ihrer erbarmt. Dann trägst du dein Bedürfnis nach Liebe, Trost und Verständnis zu anderen Menschen, in der Hoffnung, daß sie sich seiner annehmen. Da du dich deiner Bedürftigkeit schämst, verkleidest du sie als Liebe, als Zärtlichkeit, Mitgefühl oder als Anteilnahme am Geschick des anderen. Dieser aber spürt dein Bedürfnis, er fühlt den Hunger unter deinen Gesten oder Worten der Zuwendung, und er antwortet auf ihn entsprechend seiner psychischen Verfassung. Ist er zufrieden und in Geberlaune, so gibt er dir, was du brauchst, oder versucht es jedenfalls; ist er gerade selber emotional hungrig, erschöpft, schlecht gelaunt oder mag dich nicht, so wird er mit Abwehr reagieren. Je weniger dir dieser Vorgang bewußt ist, desto größer ist dein Schmerz, wenn du in verdeckter oder offener Weise zurückgewiesen wirst.

Erlaubst du jedoch deinem Herzen, sich um deine emotionalen Bedürfnisse zu kümmern, dann erhältst du alles, was du brauchst, und alles zur richtigen Zeit. Das Herz stillt jeden Mangel. Sobald du ein Bedürfnis nach Liebe, Trost und Verständnis in dir auftauchen fühlst, wende dich an dein Herz und bitte es, sich darum zu kümmern. Wende dich dann mit ganzer Aufmerksamkeit dir selber zu, sei ganz eins mit dir, mit deinem Körper, deinem Atem, deinen Gefühlen, während du mit deinem Herzen in Fühlung bleibst. Überlasse dem Herzen dann alles weitere. Das ist der Weg zur Erfüllung. Auch hier geht es um Achtung und Achtsamkeit. Du mußt deine Bedürfnisse achten; zu sehr achten, als daß du sie der Laune und Willkür eines anderen auslieferst. Achte dich selbst! Achte dich so sehr, daß du dich mit größter Sorgfalt um dich kümmerst! Und achte deinen Partner, deine Mitmenschen, deine Freunde und Verwandten! Achte sie so sehr, daß du sie mit der Last deiner emotionalen Bedürfnisse verschonst und sie nicht in Situationen hineinzwingst, in denen sie gar nicht anders können, als sich entweder zu verstellen oder ins Unrecht zu setzen! Noch einmal in Großschrift:

ACHTE DICH SELBST
so sehr, daß du dich um deine Bedürfnisse kümmerst,
anstatt sie der Laune und Willkür anderer
auszusetzen, und

ACHTE DEINE MITMENSCHEN
so sehr, dass du sie mit der Last deiner emotionalen Bedürfnisse verschonst und ihnen die Freiheit gewährst, sie selbst zu sein.

Das ist für manche eine harte Lektion; vielleicht die härteste, die sie zu lernen haben. Für diejenigen, die besonders mit diesem Kapitel Probleme haben, steht am Anfang dieser Lektion das Gebot

KÜMMERE DICH UM DEINE BEDÜRFNISSE!
ACHTE SIE!

Wirst du nicht deinem Hund Wasser zu trinken geben, wenn er durstig ist?
Genau das denkst du vielleicht auch und fragst dich, warum nicht dein Partner, der dich doch angeblich liebt, dir die Zuwendung gibt, nach der du verlangst. Er wird das tun oder auch nicht, je nach seinem momentanen Vermögen. Ein Mensch ist kein unerschöpflicher Quell der Liebe. Mal sprudelt und fließt die Liebe in ihm und mal nicht. Willst du davon abhängig sein?

Du wünschst Befreiung? Befreien kannst du dich nur selbst, und zwar durch Bereitschaft zur Befreiung. Bist du bereit? Dann gib dir jetzt, an dieser Stelle, ein Versprechen:

Sobald ein emotionales Bedürfnis in dir auftaucht, wirst du dich deinem Herzen zuwenden und diesem Bedürfnis erlauben, in dein Herz aufgenommen zu werden. Schenke ihm all deine Aufmerksamkeit, Achtung und Zuwendung, bevor du die Aufmerksamkeit anderer forderst! Hier nämlich liegt das Problem: Du selbst verweigerst deinem Bedürfnis die Aufmerksamkeit, die es braucht; bevor sich deine Aufmerksamkeit noch einschalten kann, wendest du dich schon an deinen Partner und verlangst von ihm, daß er dein Bedürfnis erfüllt. Da das ganze aber mehr oder weniger unbewußt vor sich geht, findet dein Verlangen keinen klaren Ausdruck, und dein Partner hat nicht die Möglichkeit, in klarer Weise darauf einzugehen; es sei denn, er ist ein achtsamer Mensch mit einem offenen Herzen und nimmt wahr, was in deinem Innern vor sich geht.

Zuerst also kümmere dich selbst um deine emotionalen Bedürfnisse, indem du ihrer gewahr wirst, sobald sie auftauchen, und sie bewußt empfindest. Nimm sie in dein Herz auf und bitte dein Herz - besser gesagt, bitte das Herz aller Herzen, bitte Gott - um Erfüllung dieser Bedürfnisse. Dieser kleine innere Vorgang kann in Sekundenschnelle geschehen, wenn du dich ernsthaft und entschieden um dich kümmerst. Andere brauchen es nicht wahrzunehmen. 

An der ersten Stelle dieser Lektion steht also ein Verzicht: der Verzicht darauf, andere Menschen verantwortlich zu machen für dein Wohlergehen. Das bedeutet nicht, daß du ein für allemal darauf verzichten mußt, von anderen Liebe, Zuwendung, Trost oder dergleichen zu erhalten; keine Angst: Das Universum hält genug davon für dich bereit.

Der Verzicht bezieht sich vielmehr auf das Verlangen und auf die Erwartung. Erwarte und verlange dein Heil grundsätzlich nicht von anderen. Unterdrücke und verleugne dein Verlangen nicht; im Gegenteil: Widme ihm Aufmerksamkeit; empfinde es mit ganzem Herzen, ganzem Körper, ganzer Seele; sei eins und einverstanden mit ihm; wisse, daß dieses Verlangen das Mittel ist, durch das die göttliche Sehnsucht in dir wirkt und dich formt. Nimm dein Bedürfnis an und dein Verlangen. Sei eins mit ihm. Auch wenn es sich auf eine bestimmte Person und keine andere bezieht: Nimm es als gegeben vom Geliebten selbst.

Ist dein Verlangen nach Nähe und Zuwendung eines bestimmten Menschen sehr mächtig, dann trage es in deinem Herzen und hüte und nähre es. Doch bleibe voller Achtsamkeit in der Gegenwart des betreffenden Menschen; empfinde dein Verlangen mit ganzem Herzen, doch behalte es für dich. Nur in Momenten vollkommener gegenseitiger Offenheit gib es dem anderen preis, um als Gegengeschenk das seine zu empfangen. Niemals aber gib dein Verlangen preis, wenn die Zeit dafür nicht reif ist. Jede Preisgabe im falschen Moment oder der falschen Person gegenüber schwächt dich.

Dein Herz halte weit offen, doch die Geheimnisse deiner Psyche behalte für dich. Wenn du sie hütest und nur mit dem Geliebten teilst, sind sie ein heiliger Schatz, aus dem dir Liebe und die Glückseligkeit innerer Erfüllung wachsen. Gibst du sie aber Menschen preis, werden sie mißverstanden, mißachtet und entweiht.

Du mußt dich achten, wie du eine Königin achten würdest, die in deine Obhut gegeben ist. Wirst du sie der Willkür und dem Gelächter der Menschen aussetzen? Du mußt deiner Königin Diener und Beschützer sein; du mußt sie umhätscheln und versorgen und zugleich mit größter Ehrfurcht behandeln. Die Königin ist deine Seele; ihr irdisches Abbild ist deine Psyche. Deine Psyche ist sozusagen der Leib deiner Königin.

Es ist an dir, die Wunden, die dieser kostbare Leib erlitten hat, zu reinigen und zu pflegen. Es ist an dir, ihn vor weiteren Verwundungen zu schützen. Beleidigter Rückzug nach erfolgter Kränkung ist allerdings kein Schutz. Der Schutz besteht in Achtsamkeit; darin, wach zu sein und deine Bedürfnisse, sobald sie auftauchen, bewußt zur Kenntnis zu nehmen und dich sofort um sie zu kümmern. Übe das mit den Bedürfnissen deines Körpers, deines inneren Kindes, deiner Psyche. Wenn du unbequem sitzt, kümmere dich sofort darum, bequemer zu sitzen. Wenn du Durst hast, trinke sofort etwas. Wenn die Gesellschaft dir zu laut ist, ziehe dich sofort zurück. Wenn du das Bedürfnis nach Zuwendung verspürst, wende dich dir sofort zu. Schiebe nichts auf. Übe dich darin, schnell zu sein. Wenn dein Baby schreit, wie lange wirst du warten, bis du dich um es kümmerst?

Deine Bedürfnisse sind heilig. Ihre Erfüllung ist ein heiliger Akt. Denk nur an den Säugling, der Hunger hat, und an die heilige Stille des Stillens; was könnte heiliger sein? Ebenso verhält es sich mit all deinen Bedürfnissen.

Das Essen ist ein heiliger Akt, ebenso das Trinken; ebenso die sexuelle Vereinigung. Das gleiche gilt für deine emotionalen Bedürfnisse. Sie sind heilig. Deshalb mußt du sie achten und schützen und ehren. Bringe sie nur dann zu einem anderen Menschen, wenn du ihnen Aufmerksamkeit gewidmet hast und dir dein Herz sagt, daß es der richtige Mensch und der richtige Augenblick ist. Ist das nicht der Fall, so beschränke dich darauf, deine Bedürfnisse deinem eigenen Herzen zu überantworten und um Erfüllung zu bitten. Auf welche Weise, wann und durch wen die Erfüllung sich einstellt und ob von innen oder von außen, das überlasse vertrauensvoll dem göttlichen Liebhaber!

Wisse dich immer geliebt, auch wenn niemand da ist, der dich streichelt. Streichelt dich nicht dein Atem? Streichelt dich nicht der Wind? Wohnt nicht der Geliebte in deinem Herzen? Gibt es irgendeine Wonne, die zu vergleichen wäre mit einer Begegnung mit ihm? Gibt es irgendeinen Zauber, der größer wäre als der Zauber des Lebens in jedem Moment? Fühlst du das Blut in deinen Adern kreisen? Ist das nicht Liebe? Ist das nicht Zauber? Ist das nicht Wunder? Fühlst du deinen Atem? Fühlst du den Wind? Fühlst du dein eigenes Leben? Fühlst du das Leben um dich? Spürst du es? Es ist Liebe! Es ist ER! Es ist SEINE Gegenwart! Und ebenso ist Seine Gegenwart in deiner Sehnsucht, in jedem echten Bedürfnis, das du verspürst. Es ist SEIN Verlangen, SEINE Sehnsucht. Du hast teil an Seiner Sehnsucht auf deine Weise; und ebenso teil an der heiligen Kommunion der Erfüllung.

So heilig ist sie, die Erfüllung, daß sie verborgen werden muß wie ein kostbares Geheimnis. Erlebst du sie zu zweit, in den Armen deines Liebsten oder in einem Austausch von Blicken oder Worten, dann empfange die Verzückung in deinem Herzen wie das heilige Brot des Abendmahls und breite den Schleier der Andacht und des Schweigens darüber. Sprich weder mit deinem Liebsten darüber noch mit anderen Menschen; noch nicht einmal mit dir selbst.

Findest du keine Erfüllung in einer Begegnung, dann hast du nicht auf dein Herz geachtet. Erfüllung muß nicht daraus resultieren, daß du das erhältst, was du dir vorgestellt hast; Erfüllung kommt aus der Kommunion, der Vereinigung, der tiefen Begegnung. Begegnung kann auch mit Worten einhergehen, die dir Schmerz verursachen; wenn es Worte der Wahrheit sind und aus tiefstem Herzen gesprochen, so können sie dir, wenn du dein Herz zu öffnen vermagst, Erfüllung geben.

Wenn der König, der in deine Obhut gegeben ist, durstig ist, so wirst du ihm nur das Beste zu trinken geben, nicht wahr? Wenn er Hunger hat, so wirst du ihm nicht irgend etwas vorsetzen; du wirst die Köche, die seine Nahrung zubereiten, mit Sorgfalt auswählen. Genauso sollst du umgehen mit dir selbst. Achtung und Sorgfalt sollst du dir angedeihen lassen. Es ist der König der Könige, den du in dir ehrst. Er hat deinen Körper, deinen Geist, deine Psyche zu seinem Palast erkoren; ist das nicht Grund genug, dich zu achten und zu ehren? Der König der Könige ist die Seele deiner Seele, das Herz deines Herzens, das Ich deines Ichs, das Wesen deines Wesens. Wenn du dich selber nicht achtest, verachtest du Ihn. Dich unwürdig zu fühlen, dein Ich zu verachten, ist falsch verstandene Religiosität. Das bringt dich Gott nicht näher; es entfernt dich von ihm. Denkst du mit ihm und fühlst du mit ihm, so bist du ihm nah; und er, der die Liebe selbst ist, er, der dich schuf aus Liebe und dein Wachstum und Gedeihen, dein Glück und deine höchste Erfüllung ersehnt, er, der in jedem deiner Atemzüge anwesend ist - er sollte dich geringschätzen? Dich unwürdig finden? Dich verachten? Fühlst du, wie sehr ein solches Denken, eine solche Selbstverachtung und -erniedrigung dich von ihm entfernt? Fühlst du den Geliebten in dir trauern, wenn du dieses kostbare Geschenk verachtest - deinen Leib, deinen Geist, deine Psyche? Ein Juwel auf seiner Stirn, eine Blume in seinem Garten, eine Freude in seinem Herzen, eine Erfüllung seiner Sehnsucht sollst du sein. Dazu bist du geschaffen. Eine Königin zu sein, ein König! Nicht ein Bettler.

Wenn ein Mensch seine emotionalen Bedürfnisse an dich heranträgt, damit du sie erfüllst - ob sein Verlangen nun offen geäußert oder verdeckt an dich herantritt -, so achte auf dein Herz. Gib ihm oder gib ihm nicht, was er verlangt, je nachdem, was dein Herz befiehlt.

Hörst du nicht auf dein Herz, so reagierst du auf die verdeckten oder offen geäußerten Forderungen deines Partners oder sonstiger Mitmenschen entsprechend deiner psychischen Verfassung. So kann eine Kette von Reaktionen sich entfalten, die jeden Beteiligten in seinen vorgefaßten Ansichten und seinem Verhaltens- und Gefühlsmuster bestärkt. Hörst du jedoch auf dein Herz, so gibst du der Wahrheit Raum; kein Muster, keine Gewohnheit, kein Vorgefaßtes kann dich beherrschen, wenn die Wahrheit sich äußert. Das Herz weiß immer, was in Wahrheit gebraucht wird; Wärme oder Kälte, Zustimmung oder Ablehnung, Weichheit oder Härte. Die Stimme des Herzens ist die Stimme der Wahrheit. Wenn du dich in einer Situation befindest, in der du verwirrt bist und nicht in der Lage, festzustellen, was dein Herz sagt, so frage dich: Was ist die Wahrheit in dieser Situation?

Die Stimme der Wahrheit ist die Stimme der Liebe; es ist jedoch nicht die Liebe, die du als süße oder freundliche Emotion empfindest; nicht deine persönliche Empfindung ist gemeint, sondern die Liebe, die alles bewegt, die allem zugrundeliegende Liebe Gottes. Sie ist es, die durch dich handelt, wenn du gemäß deiner Wahrheit lebst und handelst.

Verwechsele sie nicht mit deiner persönlichen Emotion ›Liebe‹! Verwechsele sie auch nicht mit Freundlichkeit, Herzlichkeit und der grundsätzlichen Bereitschaft, die Wünsche anderer zu erfüllen! Die Liebe Gottes ist zu groß, als daß du sie erfassen könntest; sie ist die Wahrheit, die allem, was ist, zugrunde liegt. Im Zorn kann sie sich ebenso äußern wie in der Zärtlichkeit, im Ja ebenso wie im Nein.
Handle nur entsprechend deiner eigenen inneren Natur und mache dir keine Sorgen darüber, ob dein Handeln Liebe ausdrückt oder nicht. Lebst du Wahrheit, sprichst du Wahrheit und handelst du entsprechend der Wahrheit deines Herzens, so ist alles, was du tust, Ausdruck und Mittel der Liebe. Gemeint ist hier die Wahrheit deines Herzens und nicht deine psychologische Programmierung. Tritt dein Partner an dich heran mit dem Bedürfnis nach Zärtlichkeit, und du reagierst darauf mit heftiger Abwehr, dann ist die Abwehr nicht die Wahrheit deines Herzens, sondern die Reaktion deiner Psyche gemäß ihrer Prägung.

Wende dich an dein Herz, wenn dein Partner mit seinem Bedürfnis an dich herantritt. Steckst du schon mitten in deiner Reaktion, so nimm dich zuerst der in dir ausgelösten Gefühle an; nimm sie wahr und schließe sie ins Herz. Dann öffne dein Herz deinem Partner. Nimm das, was ihn bewegt, mit dem Herzen wahr, und handle, wie dein Herz es dir eingibt.

Das heißt, die Situation dem Herzen überantworten.

Safi Nidiaye "Die Stimme des Herzens", Köln, 2000

Sagen Sie immer die Wahrheit

Der geheime Rat und seine Absichten

Im 3. Bild gibt es eine Schlüsselszene, in der der Geheime Rat über seine Ziele und Absichten berät. Es heisst da, gesprochen von dem Grossmeister des Ordens Del Val: «Unser Orden hat in seiner vieltausendjährigen Geschichte oft eingreifen mussen, um zu verhindern, dass die Menschheit verführt wurde durch Lehren und Bewegungen, die ihr hätten gefährlich werden können. Wenn eine Gefahr sich zeigte, hat unser Orden sie zuerst überwacht und dann eingegriffen.
Manchmal genügte das Verschweigen oder das Lächerlichmachen. Manchmal mussten unsre Eingriffe radikaler sein. Schwache Seelen mögen das ‹erbarmungslos› genannt haben. In Wirklichkeit war es einfach notwendig. Die Menschheit muss geführt werden von denen, die das tiefere Wissen über ihre Gesetze haben, ein Wissen, das nur wenige besitzen können. Wenn dies Wissen unter die Masse verbreitet würde, wenn die Macht und Autorität den Wenigen entschlüpfte, müsste die Menschheit dem Chaos verfallen.»

Es wird dann rückblickend auf das 20. Jahrhundert von Rudolf Steiner gesprochen, ohne dass der Name genannt wird. Eine erstaunlich klare Würdigung Rudolf Steiners und seiner spirituellen Leistungen, allerdings aus der Perspektive der Gegner: «Eine Gefahr, die unser Orden zu bekämpfen hattr, kam von einem einzigartig begabten Manne. Niemand kannte wie er die Geheimnisse des Himmels und der Erde. Er appellierte weder an Schmerz und Enttäuschung der Massen, noch an Hass und Begeisterung der Wenigen. Er wandte sich an alle und an niemand. Er benahm sich wie ein stiller Gelehrter und war in Wirklichkeit der gewaltigste Revolutionär, den die Geschichte kennt. Er appellierte an das gesunde Wahrheitsempfinden, und dies verwandelte er allmählich so, dass es fähig wurde, die Wahrheiten zu erkennen, die bisher von den Massen mit Glauben entgegengenommen worden waren. Er brachte Ordnung in die Gedanken der Menschen und führte sie in die Sphäre der Objektivität, wo die Gegensätze der persönlichen Gesichtspunkte aufhören, wo aber auch die Autorität aufhört, weil gegenüber der Wahrheit sich alle als gleich empfinden. Er weckte diejenigen moralischen Kräfte, die im Ich des einzelnen entspringen, und er lehrte ganz öffentlich den Weg der Einweihung, ohne dass dabei der Schüler in Abhängigkeit zum Lehrer geriet. Seine Lehre umfasste alle Gebiete des Wissbaren und verwandelte alles. Umgestossen wurde durch ihn die Handhabung aller oftenbaren und verborgenen Gesetze, wodurch wir bis dahin die Menschheit gelenkt hatten.»
Eine eindringliche Charakterisierung des Wesens und Wirkens Rudolf Steiners, von der ‹ schwarzen Seite›, durch die Augen der Gegner von Freiheit und Individualisierung. Da kann Rudolf Steiner nur als der grösste Revolutionär und die grösste Gefahr erscheinen! Sehr interessant und weiter auszuloten erscheint mir die Aussage, dass durch diesen «stillen Gelehrten» und «gewaltigsten Revolutionär» die Handhabung «aller offenbaren und verborgenen Gesetze» umgestossen wurde. Was heisst das, nicht nur für die schwarzen Logen und die Machteliten dieser Welt, sondern überhaupt für den guten Fortschritt der Menschheit?
Dann wird in dem Drama Der Ruf des Montecorvo beschrieben, wie sich die dunkle Gegenseite der Schüler dieses Eingeweihten annahm: Wie diese aus dem öffentlichen Leben verdrängt wurden, die Werke des Eingeweihten beschlagnahmt und verboten wurden, wie seine Schüler als Staatsfeinde verurteilt, ja manche von ihnen ermordet wurden – man denke an Carl Unger, den ersten Märtyrer der anthroposophischen Bewegung, der am 4. januar 1929 von einem Geisteskranken in Nürnberg erschossen wurde.

«Heute kehren sie wieder» 

Und dann kommen von dem Grossmeister Del Val die Worte, fiktiv verortet von Paolo Gentilli in der Zukunft: «Heute jedoch kehren sie wieder.» Diese wiederverkörperten Anthroposophen werden dann sehr differenziert beschrieben, wiederum aus der Sicht der schwarzmagischen Logen: «Jedoch die andern, die in Verbindung mit jenem Manne und mit seiner Lehre sich verwandelt hatten, besonders diejenigen, die zur Einweihung gelangt waren, die werden zu ebensovielen Aktionszentren gegen uns. Ihre Anwesenheit wirkt. Für uns wird es um so schwieriger sein, sie zu bekämpfen, als es nicht leicht sein wird, sie zu er-kennen. Da ist keine Organisation. Sie kennen sich selbst nicht einmal untereinander. Es gibt nichts, womit man sie der Polizei kenntlich machen kann.»
Der Hass auf die wiedergekehrten Schüler Rudolf Steiners macht den Grossmeister Del Val zutiefst hellsichtig für das Wesen und Wirken dieser Menschen. Er spricht warnend zu seinen Brüdern:
«Jene Menschen sind imstande, ohne Organisation zusammenzuarbeiten. Sie tretten sich in der Sphäre der Objektivität (...). Daher wird ihr Handeln bei aller Selbständigkeit stets auf das gleiche Ziel gerichtet sein. Es wird nie auseinanderstreben. Wenn sie sich zufällig begegnen, erkennen sie sich leicht durch die Art, wie sie ihre Begriffe bilden. Ausserdem ist in Betracht zu ziehen, dass in den Besten von ihnen noch eine Erinnerung an frühere Leben lebendig sein muss.»
An dieser Stelle muss man voller Hochachtung festhalten, dass Paolo Gentilli im Jahre 1943 nicht nur die Reinkarnation von Schülern Rudolf Steiners mit künstlerischen Mitteln in einem Drama darstellt, sondern dass er sehr präzise sowohl die Intentionen schwarzmagisch wirkender Logen beschreibt, als auch konkret die Metamorphose von reinkarnierten Anthroposophen zum Ausdruck bringen kann. «Sagen Sie immer die Wahrheit», ist dabei ein Schlüsselsatz, wobei man an das Christuswort denken muss: «Sie werden die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird sie frei machen.» Und dann die Äusserung des Grossmeisters: «Ihre Anwesenheit wirkt.» Menschen, die durch die Art ihres Daseins auf andere Menschen weckend und begeisternd wirken. «Sie sind imstande, ohne Organisation zusammenzuarbeiten.» Der lebendige Geist vereint sie, die Sphäre der Objektivität gibt ihnen einen gemeinsamen Grund, und sie erkennen sich an der Art zu denken («wie sie ihre Begriffe bilden»). An dieser Stelle könnte man noch hinzufügen: Sie erkennen sich auch an der Art des Fühlens, ein bewusstes Fühlen gerade im Spirituellen und Künstlerischen. Und die Besten von ihnen werden sich an frühere Erdenleben erinnern können. Später heisst es dann noch über die moralischen Kräfte dieser Menschen: «Das Gefährliche ist, dass das Beispiel dieser Leute ansteckend wirkt. Sie wecken das Gewissen der andern.»

GEGENWART Zeitschrift für Kultur, Politik, Wirtschaft Nr. 4/2024, Der Ruf des Montevorvo – ein Drama von Paolo Gentilli und die Michael-Prophetie Rudolf Steiners, von Steffen Hartmann, S.34f

Vertrauen in Regierung sinkt

NZZ, Montag, 25. November 2024, S.1 

[...] Und auch bei der Abstimmung am Sonntag zeigten sich die Bruchstellen: Die Mitte zerfiel erneut in zwei Hälften, und bei der SVP müssen zwischen 30 und 40 Prozent der Basis gegen die Gesundheitsreform und gegen den Autobahnausbau gestimmt haben. In der Schweiz ist offensichtlich das eingetreten, was man in anderen europäischen Ländern oder auch den USA schon seit längerem beobachten kann.

Immer mehr Menschen haben Angst, zu Verlierern der Globalisierung zu werden. Sie sorgen sich um ihre Arbeit, ihre Rente und ihre Wohnsituation. Das spiegelt sich auch in der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Sotomo zu den Sparplänen des Bundes: Sogar die SVP würde eher bei der Armee sparen als bei der AHV.

Vertrauen in Regierung sinkt

In der Schweiz ist das Vertrauen in den Bundesrat und die politischen Behörden traditionell hoch. Doch es nimmt ab. Im März 2022 sagten laut GfS Bern 67 Prozent der Befragten, sie könnten sich auf die Regierung verlassen. Heute sind es noch 42 Prozent. Mit diesem Trend ist die Schweiz allerdings nicht alleine. Er zeigt sich weltweit in allen Industrieländern. Wo in diesem Jahr gewählt wurde, haben die Regierungsparteien verloren. Ausnahmslos. Die Entwicklung hat mit den Nachwehen der Pandemie zu tun, vor allem aber mit der Inflation und der Angst vor Krieg.

Und noch eine weitere globale Tendenz spiegelt sich im Abstimmungsresultat von Sonntag: der Halbe-halbe-Trend.Weltweit kommt es immer häufiger zu Pattsituationen. Bereits die Abstimmung über den Brexit wurde mit 51,9 Prozent Ja-Stimmen entschieden, danach häuften sich solche knappen Resultate. «Das Volk» gibt es kaum mehr. An der Urne treffen immer häufiger zwei Volkshälften aufeinander. Ausnahmen bilden oft Vorlagen, bei denen es um das Eigeninteresse geht: Die 13. AHV-Rente kam im März auf 58,2 Prozent Zustimmung, die BVG-Reform wurde im September mit 67,1 Nein abgelehnt.

Jugend, Digitales und psychedelische Drogen

Ein junger Mensch wünscht sich, jemand hätte ihm die schlechte Nachricht überbracht: Die Zivilisation hat ihren Preis. Das ist endlich die Wahrheit, aber gleichzeitig auch schrecklich, ja unerträglich. Zum Glück gibt es einen Ausweg: Die Oase, die nicht durch irdische Realitäten beschränkt ist. Es ist die digitale Technologie mit ihren virtuellen Welten.

Bezüglich der gemeinsamen Welt des Planeten gibt es ein Gefühl der Verengung und der Dringlichkeit. Aber die äußere Welt wird als entgeistert oder geistlos empfunden.

Konträr dazu ist die Beziehung zur digitalen Technologie. Sie ist mit großer Hoffnung und Optimismus, aber auch mit Zerstreuung und Ablenkung verbunden. Sie befreit vom Druck, ein Geschöpf auf der Erde zu sein, aber gleichzeitig ist sie eine bedrohliche Ablenkung und Versuchung, der Realität zu entkommen.  

Wirkung auf den Menschen

Die digitale Technologie hat eine paradoxe Wirkung. Während Kommunikations- und Transaktionsverbindungen beschleunigt werden und unser Bewusstsein durch unzählige Bilder erweitert wird, isoliert Sie uns, in dem sie bestimmte, nicht greifbare Dynamiken unserer Konstitution und unsere Verbindung mit der Welt schwächt.

Wenn wir viel Zeit in einer Pseudo- oder virtuellen Welt verbringen, in der wir kein Verständnis für irdische qualitative Begrenzungen entwickeln, verkümmert unsere Urteilskraft. Wir verlieren das Verständnis des Wertes von natürlichen Ressourcen und Gütern, die Kooperationsfähigkeit in Gruppen und Organisationen, verlernen Diplomatie und Staatskunst und verlieren den Blick für die Verteilung gemeinsamer Ressourcen. 

Die digitale Technologie gibt zwar eine Art Verbundenheit, aber gleichzeitig auch die Tendenz zur Isolation. Die Folge: Immer mehr Junge Menschen haben das Gefühl, dass die Interaktion im realen Raum sie überfordert.

Wenn wir digitale Technologie in unser Leben integrieren, führt es zu einer Abschwächung einer spirituellen Dynamik, die normalerweise ein unbewusster Teil unserer täglichen Wahrnehmung voneinander und unserer Umwelt ist. Dieses unbewusste Element ist auch mit unserer Fähigkeit, verbunden, Gefühle zu haben und Erinnerungen zu entwickeln. Die schwächende Wirkung auf die subtile und lebendige Dynamik des menschlichen Wesens wirft ein schattenhaften Schleier über unser Lebensgefühl, Teil der Welt zu sein, und unser Bewusstsein darüber, dass unsere Handlungen von Bedeutung sind. Das Leben an sich verliert seine Bedeutung.

Die Psychotherapeutin Sherry Tuckle hat beobachtet, wie PatientInnen "im Sprechzimmer wie losgelöst von ihrem Körper erscheinen und sich der elementarsten Höflichkeiten kaum bewusst zu sein scheinen. Zielgerichtet und Medien fixiert, schenken diese PatientInnen, ihren Mitmenschen wenig Aufmerksamkeit. In anderen suchen sie, was ihnen nützt. Ein Echo dieser primitiven Welt der Teile. Ihre Abgehobenheit ist nicht aggressiv. Es ist, als ob sie einfach keinen Sinn sehen."

Gegenbewegung:

Demgegenüber steht eine neue, aufkommende Verwendung von psychedelische Substanzen, denn die digitalen Bilder erweitern unsere Welt enorm, aber sie wirken auch austrocknend und isolierend. Die drogeninduzierte Halluzinationen dagegen bergen die Überzeugung, dass man mit einer echten, objektiven Wahrheit in Berührung gekommen ist, die fest mit der Welt und einer tieferen Realität verbunden ist. Es ist, als ob die Bilder ihren Bildcharakter verlieren und zu Erlebnissen werden, die von einer Urenergie erfüllt sind, die absolut überzeugend ist, auch wenn sie vielleicht verblüfft. So entsteht der Eindruck einer kraftvollen und visionären Form der Spiritualität.

Zusammengefasst:

Oberflächlich betrachtet sehen wir, dass eine Seite des dramatischen Szenarios der aufstrebenden Generation in der Möglichkeit einer von der Erde losgelösten Bewusstseinserweiterung durch psychedelische Drogen besteht.
Das wirft die Frage auf: Können wir Wege zur Erweiterung unseres Bewusstseins finden, die unsere Fähigkeit, in unserem alltäglichen Leben auf der Erde, nüchterne Urteile zu fällen, nicht Schwächen oder untergraben.

Die andere Seite dieses Hintergrunds zeigt eine geistlose äußere Welt, die sich auf einem Weg zu immer mehr Streit und Konflikte befindet, in denen der Geist früher oder später verschwindet.
Das wirft die Frage auf: Können wir unser Verständnis der Natur, des Menschen in der Gesellschaft in einer Weise erweitern, die zur Einsicht in die spirituellen Dimension des Menschen und der Welt führt?

Eine Antwort:

Der irdisch-spirituelle, der menschliche Weg zwischen diesen Extremen ist eine Beschreibung der Ziele des Goetheanums und der anthroposophischen Bewegung. Sie ist ein Aufruf, den Geist in der Welt und die Welt in Geist zu entdecken. Hier finden wir neues Leben, Mut und Hoffnung und die Erkenntnis, dass die Entwicklung des Menschen und der Erde miteinander verbunden sind.

Kopiert und angelehnt an den Artikel "Jugend in der Schwebe" von Nathaniel Williams in "Das Goetheanum" Ausgabe 7, 16. Februar 2024.


Unsere Kinder –Autismus verstehen

Hiermit schicke ich euch noch etwas von und zu Iris Johansson, Davis und Digitalisierung. Was Iris über die „Vierte Kommunikationsdimension“ sagt, fand ich so spannend, dass ich es in meine „Blog-Sammlung“ gepackt habe, wo noch ganz viel anderes Spannendes und Kurioses zusammengetragen ist.

https://stirnwelt.blogspot.com/2021/08/von-der-dritten-in-die-vierte.html

https://stirnwelt.blogspot.com/2021/08/von-der-dritten-in-die-vierte_20.html

Das ist das zentrale Buch von Iris:  

Eine-andere-Kindheit-Mein-Autismus

Hier wird kurz die Davis Methode vorgestellt und über autistisches Denken gesprochen:

https://www.youtube.com/watch?v=s7H3raDWefQ&ab_channel=DavisLernverband

Noch zwei Bücher:

Das fragile-Gleichgewicht-zwischen-Sein-Nichtsein 

Die-unmittelbare-Begegnung-mit-Welt

Albert Schweitzer – Die besondere Tat

Als ein Mann der individuellen Tat bin ich seither von vielen Menschen, die sie ebenfalls wagen wollten, um Meinung und Rat angegangen worden. Nur in verhältnismäßig wenigen Fällen habe ich die Verantwortung, sie ohne weiteres dazu zu ermutigen, auf mich genommen. Oft muss ich feststellen, dass das Bedürfnis, "etwas Besonders zu tun", einem unsteten Geiste entsprang. Die Betreffenden wollten sich größeren Aufgaben widmen, weil diejenigen, vor die sie sich gestellt sahen, ihnen nicht genügten. Oft zeigte sich auch, dass sie in ihrem Entschluss durch ganz nebensächliche Erwägungen bestimmt waren. Nur derjenige, der jeder Tätigkeit einen Wert abgewinnen kann und der sich jeder mit vollem Pflichtbewusstsein hingibt, hat das innerliche Recht dazu, sich ein außerordentliches Tun statt des ihm natürlich zufallenden zum Ziel zu setzten. Nur derjenige, der sin Vorhaben als etwas Selbstverständliches, nicht als etwas Außergewöhnliches empfindet und der kein Heldentum, sondern nur in nüchternem Enthusiasmus übernommene Pflicht kennt, besitzt die Fähigkeit, ein geistiger Abenteurer zu sein, wie sie die Welt nötig hat. Es gibt keine Helden der Tat, sondern nur Helden des Verzichtens und des Leidens. Ihrer sind viele. Aber wenige von ihnen sind bekannt, und auch dieses nicht der Menge, sondern nur den Wenigen. [...]
Von denen, die irgendwie den Drang in sich fühlen und tatsächlich befähigt waren, persönliches Tun zum Berufe ihres Lebens zu machen, müssen die meisten der Umstände halber darauf verzichten. Gewöhnlich liegt es daran, dass sie für Menschen, die von ihnen abhängen, zu sorgen haben oder zum Erwerb ihres eigenen Unterhaltes in einem Berufen verbleiben müssen. Nur wer aus eigener Kraft oder durch ergebene Freunde in materieller Hinsicht ein Freier ist, kann es heute wagen, den Weg persönlicher Tat zu begehen. Früher galt dies nicht in diesem Maße, weil der, der auf Erwerb verzichtete, immerhon noch Hoffnung haben konnte, irgendwi durchs Leben zu kommen, während der in den heutigen schweren wirtschaftlichen Verhältnissen dasselbe tun wollte, Gefahr liefe, nicht nur materiell, sondern auch geistig zugrunde zu gehen.
So habe ich es mit ansehen und erleben müssen, dass liebe und tüchtige Menschen auf persönliche Tat, die für die Welt wertvoll gewesen wäre, verzichten mussten, weil sie durch die Umstände unmöglich wurde.

Albert Schweitzer – Aus meinem Leben und Denken. Fischer Bücherei, Hamburg 1954, S.77 ff

Die Kunst der kleinen Schritte – Einführung in einen Manichäismus der Zukunft

„Noch immer leben wir mit einen dualen Verständnis der Welt und uns selbst. Dual, oder dualistisch heißt : entweder... oder.
In diesem Dualismus lässt sich das Prinzip der Kausalität und der Zeit als einer Ablauf sehr gut einordnen. Rudolf Steiner ist derjenige der diese duale Weltsicht neue Möglichkeiten gegeben hat. Von Dualität zum Polarität, das heißt: sowohl als auch.
Im Bezug auf den historischen Manichäismus, der in mancher Hinsicht auch ein Dualismus war, hat Rudolf Steiner die Idee eines zukünftigen Manichäismus eröffnet wo Gut und Böse als Polaritäten einander bedingen, damit ein drittes entstehen kann. Schlüsselwort ist hier die ‚Milde’.
Für einen Manichäismus der Zukunft ist die Milde die Fähigkeit zum Beispiel dem Mitmenschen in seiner ‚Größe’ begegnen zu können und zwar dadurch dass man seine ‚kleinere’ Seiten nicht nur mit einbezieht, sondern dank diese ‚Schattenseiten’ das Lichtvolle im andern fördert und erscheinen lässt.
Dies können nur ganz kleine Schritte sein. Sie können im Grunde nicht klein und anspruchslos genug sein. Die Kunst der kleine Schritten ist diese das man bei jedem darauf achtet dass ein weiterer Schritt möglich bleibt ohne diesen schon im voraus zu bestimmen. Aber aus diesem ahnenden tastenden vorangehen entsteht die Milde als Signatur einer realen Umwandlung."

https://christengemeinschaft.de/gemeinden/herdecke/veranstaltungen/die-kunst-der-kleinen-schritte-einfuehrung-in-einen

Warum mit dem Staat kein Staat zu machen ist

Mit der Dreigliederung das Demokratieverständnis erneuern.
Von Istvan Hunter

Wir brauchen neue Ideen, wie in der gegenwärtigen Situation Erneuerung entstehen kann. Meine Grundthese ist, dass die Corona-Krise uns auch den Weg zu ihrer Überwindung zeigt. Zu dieser Vision halte ich Vorträge, um diejenigen, die eine Alternative zum jetzigen System suchen, mit einer Perspektive gegenüber der bestehenden Problematik auszurüsten.

Das Ziel ist dabei eine individualistisch geprägte und dennoch sozial verantwortliche Ordnung. Denn anstelle einer kollektivistisch organisierten Volksmasse kann durch sozialen Wandel individuelle Verantwortungsfähigkeit entstehen, wenn sich die Gesellschaft so organisiert, dass sie sich organisch entfalten kann.

Ein Modell für diese soziale Orientierung bietet die «Dreigliederung des sozialen Organismus». Die Idee stammt von Rudolf Steiner (1861-1925), der schon vor dem Ersten Weltkrieg versuchte, diese den Regierenden in Mitteleuropa bekannt zu machen, um damit den Krieg zu verhindern.

Warum Dreigliederung? Heute beherrscht das Modell des Einheitsstaates unsere Demokratievorstellungen. Man kann jedoch innerhalb des modernen Staates verschiedene Glieder der menschlichen Gesellschaft unterscheiden. Das Geistesleben (Bildung, Wissenschaft, Kultur), das Wirtschaftsleben (Handel, Produktion und Konsum) und das Rechtsleben (der Staat).

Der zentrale Punkt ist, dass die drei Bereiche «gegliedert», das heisst, unterschieden und unabhängig voneinander reguliert werden müssen, wenn sie dem Individuum und damit der Gesellschaft wirklich dienen sollen.

In der Corona-Krise zeigt sich, dass die Hauptproblematik vom Staat ausgeht. Dies ist, kurz gesagt der Fall, weil der Staat sich von der Wirtschaft korrumpieren lässt und die Wissenschaft dazu benützt, seine Übergriffe zu rechtfertigen. Da alle Staaten als Einheitsstaaten konzipiert sind, lassen sie sich immer wieder von ausserstaatlichen Institutionen und Machtzentren kontrollieren. Das Problem ist nicht das politische Personal. Es ist systemimmanent.

Die Lösung dieser Problematik besteht darin, dass der Staat (vorwiegend das Rechtsleben) grundsätzlich getrennt verwaltet wird von der Wirtschaft und dem, was man als Geistesleben bezeichnen kann (Wissenschaft, Bildung, Kultur). Das klingt zunächst kompliziert, ist es aber nicht, wenn man versteht, wie es funktioniert. Denn was passieren muss, geschieht bereits.

Da der Machtbereich der Staaten auf allen Ebenen zunehmend ausgeweitet wird, beginnen sich zum Beispiel im Geistesleben alternative Medien, oder Privat-Schulen unabhängig vom Staat zu bilden. Da grosse Wirtschaftskonzerne den Staat für ihre eigenen Zwecke missbrauchen (Pharmaindustrie), zeigt sich die Notwendigkeit, Wirtschaftskreisläufe in die Eigenverantwortung grösserer Teile der Bevölkerung zu übergeben, sprich: mehr unabhängig funktionierende Produktions-, Handels-, und Konsumenten-Kreisläufe zu organisieren.

Die Zeichen der Zeit weisen deutlich darauf hin, dass wir neue, eigene Medien, eigene Ärzte, eine eigene Krankenkasse, eine selbständiger verwaltete Lebensmittelversorgung, kurz, ein selbst- statt staatlich verwaltetes Wirtschafts- und Geistesleben aufbauen müssen.

Das wirkliche Gegenmodell zum Reset von Schwab besteht darin, dass wir unabhängigere und dezentralere Strukturen aufbauen. Jeder, der am Aufbau einer autonomeren und menschen-gerechteren Welt beteiligt ist, kann dies aus der Sache heraus nachvollziehen. Es geht um Selbstverantwortung und gegenüber der politischen Verwaltung um ein Zurückdrängen staatlicher Übergriffe aus den Bereichen, in denen sie grundsätzlich nichts verloren haben.

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Aktuelle Vorträge von Istvan Hunter: 3. September 2021, 20:00 in Rünenberg, BL.
Weitere Vortragsdaten sowie genaue Adressen bei:
I. Hunter
i.stephanhunter@posteo.de

Weitere Informationen und eine kurze Einführung zum Thema «Dreigliederung des sozialen Organismus» finden sich auf www.demokratie-schweiz.ch

https://corona-transition.org/warum-mit-dem-staat-kein-staat-zu-machen-ist

Kraft durch Gedanken an Reinkarnation

Man denke sich den folgenden Fall: Es widerfahrt jemand etwas, das in ihm recht peinliche Empfindungen her vorruft. Er kann sich nun in zweifacher Art dazu stellen. Er kann den Vorfall als etwas erleben, was ihn peinlich berührt, und sich der peinlichen Empfindung hingeben, vielleicht sogar in Schmerz versinken. Er kann sich aber auch anders dazu stellen.

;Er kann sagen: In Wahrheit habe ich selbst in einem vergangenen Leben in mir die Kraft gebildet, welche mich vor diesen Vorfall gestellt hat; ich habe in Wirklichkeit mir selbst die Sache zugefügt. Und er kann nun alle die Empfindungen in sich erregen, welche ein solcher Gedanke zur Folge haben kann. Selbstverständlich muß der Gedanke mit dem aller vollkommensten Ernste und mit allermöglichen Kraft erlebt werden, wenn er eine solche Folge für das Empfindungs- und Gefühlsleben haben soll.

Wer solches zustande bringt, für den wird sich eine Erfahrung einstellen, welche sich am besten durch einen Vergleich veranschaulichen läßt.

Zwei Menschen — so wolle man annehmen — bekämen eine Siegellackstange in die Hand. Der eine stelle intellektuelle Betrachtungen an über die «innere Natur» der Stange. Diese Betrachtungen mögen sehr klug sein; wenn sich diese «innere Natur» durch nichts zeigt, mag ihm ruhig jemand erwidern: das sei Träumerei. Der andere aber reibt den Siegellack mit einem Tuchlappen, und er zeigt dann, daß die Stange kleine Körperchen anzieht.

Es ist ein gewichtiger Unterschied zwischen den Gedanken, die durch des ersten Menschen Kopf gegangen sind und ihn zu den Betrachtungen angeregt haben, und denen des zweiten. Des ersten Gedanken haben keine tatsächliche Folge; diejenigen des zweiten aber haben eine Kraft, also etwas Tatsächliches, aus seiner Verborgenheit hervorgelockt.

So ist es nun auch mit den Gedanken eines Menschen, der sich vorstellt, er habe die Kraft, mit einem Ereignis zusammenzukommen, durch ein früheres Leben selbst in sich gepflanzt. Diese bloße Vorstellung regt in ihm eine wirkliche Kraft an, durch die er in einer ganz andern Art dem Ereignis begegnen kann, als wenn er diese Vorstellung nicht hegt.

Es geht ihm dadurch ein Licht auf über die notwendige Wesenheit dieses Ereignisses, das er sonst nur als einen Zufall anerkennen könnte. Und er wird unmittelbar einsehen: ich habe den rechten Ge danken gehabt, denn dieser Gedanke hatte die Kraft, die Tatsache mir zu enthüllen.

Wiederholt jemand solche innere Vorgänge, so werden sie fortgesetzt zu einem Mittel innerer Kraftzufuhr, und sie erweisen so ihre Richtigkeit durch ihre Fruchtbarkeit. Und diese Richtigkeit zeigt sich, nach und nach, kräftig genug. In geistiger, seelischer und auch physischer Beziehung wirken solche Vorgänge gesundend, ja in jeder Beziehung fordernd auf das Leben ein.

Der Mensch wird gewahr, daß er sich dadurch in einer richtigen Art in den Lebenszusammenhang hineinstellt, während er bei Beachtung nur des einen Lebens zwischen Geburt und Tod sich einem Irrwahn hingibt. Der Mensch wird seelisch stärker durch das gekennzeichnete Wissen.

Rudolf Steiner, Die Geheimwissenschaft, 1925

Geistige Impfung

Als notwendige Gegenkraft zur «geistigen Impfung» hat die körperliche Impfung eine zweifache Aufgabe bzw. Wirkung: Den aggressiven Menschen, der fest im Körper sitzt, macht sie noch aggressiver; den Menschen, der der materiellen Welt abgeneigt ist, macht sie noch depressiver. Die Alternative ist die geistige Impfung – die Geisteswissenschaft, zum Beispiel das Studium des Grundwerks Geheimwissenschaft. Durch sie kann jede Form von Aggressivität und Depression überwunden werden.

Piertro Archiati

Meditationen und Gedanken

Bei Unruhe, Angst, Furcht

Ich trage Ruhe in mir,
Ich trage in mir selbst
Die Kräfte, die mich stärken.

Ich will mich erfüllen
Mit dieser Kräfte Wärme,
Ich will mich durchdringen
Mit meines Willens Macht.

Und fühlen will ich
Wie Ruhe sich ergießt
Durch all mein Sein,

Wenn ich mich stärke,
Die Ruhe als Kraft
In mir zu finden
Durch meines Strebens Macht.

GA 268, 1999, S. 179

Zur Pflege von Atmung und Wärme, Überwindung der äußerlichen Isolation durch die geistige Beziehung zur Welt:

In meinem Herzen
Strahlt die Kraft der Sonne
In meiner Seele
Wirkt die Wärme der Welt.
Ich will atmen
Die Kraft der Sonne
Ich will fühlen
Die Wärme der Welt.
Sonnenkraft erfüllt mich
Wärme der Welt durchdringt mich

GA 268, 1999, S. 85

Pflege des Verhältnisses zum Licht und zur Sonne

Schau ich in die Sonne,
Spricht ihr Licht mir strahlend
Von dem Geist, der gnadevoll
Durch Weltenwesen waltet.
Sonne, du Strahlentragende,
Deines Lichtes Stoffgewalt
Zaubert Leben aus der Erde
Unermesslich reichen Tiefen.
Fühl‘ ich in mein Herz,
Spricht der Geist sein eignes Wort
Von dem Menschen, den er
Liebt durch alle Zeit und Ewigkeit.
Herz, du Seelentragendes
Deines Lichtes Geistgewalt
Zaubert Leben aus des Menschen
Unermesslich tiefem Innern.
Sehen kann ich, aufwärtsblickend
In der Sonne hellem Rund
Das gewalt ́ge Weltenherz.
Fühlen kann ich einwärtsschauend
In des Herzens warmem Leben:
Die beseelte Menschen-Sonne.

Peter Selg, Michael und Christus, 2010, S. 105f.

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In der Tiefe der Isolation, in der völligen Abgeschiedenheit von jedem Spirituellen, vollzieht sich ein Mysterium im Menschen. Erst wenn man ein ganz neuer Mensch geworden ist, wird man auch zu Dingen fähig werden, die bisher dem Menschen unmöglich erschienen sind. Diesmal muss die Auferstehung durch den Menschen selbst vollzogen werden.

Der Mensch muss sich gewissermaßen selbst mit seinem Gott aufraffen. Er muss Bewegung vollziehen, Anstrengung machen, um sich in Kontakt zu bringen mit sich selbst. Und das ist der wahre Sinn des Wortes „Kreativität“: Inkarnation des Christuswesens in die physischen Verhältnisse der Erde. Dadurch hat sich ein kosmisches Ereignis vollzogen, kein historisches.

Da hat sich ein Kraftfluss vollzogen von absoluter Realität.Und nun geschieht mit dem Menschen eine Umwandlung, mit der er sehr große Mühe hat. Schwer fällt es dem Menschen, aus eigener Kraft die Selbstbestimmung auch wirklich in Anwendung zu bringen.

Das fällt ihm ungeheuer schwer. Er möchte lieber etwas geschenkt bekommen. Er kriegt aber nichts mehr. Er kriegt nichts, gar nichts, von keinem Gott, von keinem Christus. Und dennoch bietet sich diese Kraft an und will mit Gewalt hinein. Aber unter der Voraussetzung, dass sich der Mensch selbst aufrafft.

Joseph Beuys

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„Bakterien können nur dann gefährlich werden, wenn sie gepflegt werden. Sie werden am intensivsten gepflegt, wenn der Mensch in den Schlafzustand hineinnimmt nichts anderes als materialistische Gesinnung. Es gibt noch wenigstens ein Mittel, das ebensogut ist wie dieses. Das ist, in einem Herd von epidemischen oder endemischen Krankheiten zu leben und nichts anderes aufzunehmen als die Krankheitsbilder um sich herum, indem man einzig und allein angefüllt ist mit der Empfindung der Furcht vor dieser Krankheit. Kann man nur ein wenig mildern diese Furcht durch werktätige Liebe zum Beispiel, wo man unter den Verrichtungen der Pflege für die Kranken etwas vergessen kann, daß man auch angesteckt werden könnte, so mildert man auch durchaus die Pflegekräfte für die Bakterien“.

GA 154.46f

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Dieser Virus, durch unser Tun und Denken erst in die Entstehung gerufen, fordert nun stringent, was wir in unserer Gedankenwelt zuvor praktiziert haben: die Isolierung im Egoismus des Materialismus spiegelt sich in der sozialen Isolierung, in der nun das Heil gesehen wird, um eine Krankheitsausbruch pandemischer Art mühsam unter Kontrolle zu halten.

Man kann durchaus sagen: der Virus spiegelt uns unser Tun. Wollen wir ein Gegenbild schaffen, müssen wir zurück in die Gemeinschaftsbildung, in die soziale Pflege, in die Anerkennung des Anderen als geistige Wesenheit, und letztlich zurück an die Lebensquellen des Kosmos in unserem Denken und Tun. Und vor allem: Schützen wir unsere Tierwelt vor unnötigen Schmerzen!

Beatrix Hachtel

Fragen an mich und meine Familie

Welchen Beruf wollte dein Vater ergreifen? Konnte er seinen Traum leben?

Welchen Beruf wollte deine Mutter ergreifen? Konnte sie ihren Traum leben?

Weißt du sonst etwas von Visionen Deiner Eltern für Wohnen, reisen, Hobbys, Politik, Lebensform, Kinderzahl, soziales Engagement, usw.

Was hast du als Kind am liebsten gespielt?

Gibt es eine Geste, di dir als typisch in Erinnerung ist?

Welchen Beruf wolltest du als Kind ergreifen?

Was wollten deine Eltern, Tanten, Lehrer und andere wichtige Personen in deinem Leben, was du einmal wirst?

Welcher Wert ist für dich der höchste ? Ist es die Freiheit, die Wärme, die Ehrlichkeit, das Körpergefühl, der Gesang, die Lebensfreude, oder oder oder …..

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Vielleicht hilft es dir, wenn du dir bewusst machst, was dich am meisten stört und ärgert. Dann finde das Gegenteil heraus.

Erinnere dich an deine Gaben! Habe deine Talente im Blick! Du brauchst sie, um deine Mission in Leichtigkeit erfüllen zu können. Du hast genau die richtigen Gaben für deine Lebensaufgabe.

Stelle eine List von 20 Tätigkeiten zusammen.

Nenne 20 Tätigkeiten, die dir Freude machen. Alles was dir Freude macht und was du schon immer gern machst oder gern gemacht hättest gehört zu deinen Talenten. Manche sind vielleicht noch nicht entwickelt. Dann ist es Zeit, dass du damit beginnst. Erlaube dir Zeit, dich damit zu befassen.

Frage Freunde und Verwandte, welche Gaben sie an dir sehen. Dann frage dich, wem du mein deinen Gaben dienen magst? Hast du eine konkrete Zielgruppe?

Schreibe drei Verben auf, die eine Tätigkeit beschreiben, die dich anspricht und dir Freude macht: singen, schreiben, tanzen, erklären, bewegen, berühren, organisieren oder oder oder

Auch hier kannst du dich vom Gegenpols annähern. Was findest du wirklich abstoßend? Dann finde den Gegenpol.

Im Frühling der Welt gegenüber

Das Aufblühen erlebe ich dieses Jahr als Ausatmen, als Loslassen. Eine Spannung, ich neige zu sagen, ein Druck, der sich über den Winter aufgebaut hat, wird frei, treibt das Leben aus dem innern der Erde, aus dem Inneren der Pflanzen in die Knospen, dem Licht entgegen, baut Blüten und Blätter auf.
Die Erde atmet aus, es entspannt sich.

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Die Weiße Rose, diese besondere Widerstandsgruppe, sie begleitet mich schon mein ganzes Leben. Seit Jahren denke ich über die Arten des Widerstands nach, die gegen die heutigen Kräfte des Bösen angebracht sind. Eines der wichtigsten Bücher in den letzten Jahren war Die Zukunft der Rebellion von Micah White. Diese und andere Quellen haben meine Sicht auf Widerstand sehr beeinflusst.

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Damit alles anders wird, muss ich selbst alles anders machen. You wanna make the world a better place. Take a look at yourself. Then make the change. Das meint, ich muss anders handeln, anders sein, als mir die lebensfeindlichen Kräfte der Welt anraten. Ich muss mich selbst von Luzifer und Ahriman befreien, mich selbst zwischen ihnen aufrichten, muss mein Ich beleben, in Liebe lebendig werden und Mensch sein, was nichts anderes heißt, als das Herz aktivieren, Christus in mir lebendig werden lassen, mein Höheres Selbst, den Engel, mein Überbewusstes in mir kultivieren und stärken, um daraus zu handeln.
Einfach gesagt.

Dann die Frage: Welche Form des Widerstands braucht mein Einsatz für das Lebendige? Prompt folgt die Antwort: Jede Entscheidung ist auf die jeweilige Situation bezogen zu treffen. Moralische Fantasie heißt Abschied von Routine und Pauschalurteilen.


Seit Christus geht es nicht mehr ums Große. Es geht ums Ganze.
Die Freiheit und die Liebe gehen von jedes Menschen Herz aus, nicht wahr? Von jedes Menschen eigenem Herzen. Wenn Mensch sich dem Herz, dieser inneren Quelle der Liebe zuwendet, um sie in die Welt strahlen zu lassen, dann kommt sie in die Welt, die Liebe, oder?
In der reinen Liebe zu allen Wesen erstrahlt die Göttlichkeit meiner Seele.
Es geht ums Ganze. In jedem Augenblick meines Daseins.

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Gespräche mit anderen Menschen führten mich zu besonderer Achtsamkeit bezüglich eines Aspekts meines Denken und Handels: dem Maßstab, auf den ich mich beziehe. Konkret: Bin ich Richter, wirke ich an Gericht und darüber hinaus. Bin ich Bundeskanzlerin, wirke ich in der Regierung und darüber hinaus. Bin ich CEO eines Global Players, wirke ich für mein Unternehmen und darüber hinaus. Wie geschieht dieses Wirken darüber hinaus? Durch Gedankenübertragung - mittels Werbung, Gesetzestexten und Urteilen.

Bin ich Kassierer, oder Busfahrerin wirke ich dann nur in meiner kleinen Kabine? Schließlich kommt das, was ich hinter der Kasse denke und tue nicht auf allen Kanälen im Internet und den Zeitungen. Es scheint so, als betrifft mich das, was hierarchisch mächtige Menschen machen mehr, als das, was hierarchisch weniger mächtige Menschen tun. Manchmal denke ich so. Aber stimmt das?

Dieses Ausgeliefert-sein, das Empfinden, einer Macht gegenüber ausgeliefert zu sein, findet immer in meinem Denken statt. Prinzipiell weiß ich: Selbst wenn sie meinen Körper wegtragen, selbst wenn sie mir den Kopf abhacken, ich muss mich dieser Macht nie beugen. Ich kann immer aufrichtig sein - ohne Stolz, ganz weich, sanft, liebevoll und verletzlich. Wenn mir das nicht gelingt, gerate ich aus dem Gleichgewicht, verliere ich die Fassung.

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Die Macht des Bösen existiert, weil Menschen aus dem Bösen heraus das gleiche Denken. Darum wirkt es manchmal so, als wäre die Macht der Mächtigen real im Sinne von unwiderstehlich. Aber das ist falsch.

Wenn ein Richter ein Urteil fällt, machen die, die es ausführen, nichts anderes, als dass sie die Gedanken des Richters zu ihren eigenen machen und aus diesen heraus handeln. In kann in jedem Moment meines Lebens selbst denken und in diesem konkreten Fall ein anderes Urteil finden. Und wenn um mich herum alle anderen das denken, was der Chef sagt?

Was nehme ich als Grundlage, für mein Handeln? Sind es die Gedanken andere Menschen?

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Überall wo ein Mensch ist, geht es ums Ganze, um den ganzen Menschen.
Es geht nicht ums Große! Es geht nicht darum, was ich dem großen Bösen, das, global gesehen, von Amazon, Google, Facebook über die gesendet wird, auf diesem globalen Maßstab entgegen bringe. Dieser globale Maßstab ist Illusion. Der globale Maßstab entscheidet sich in jedem Menschen: Denke ich das, was der Chef sagt? Denke ich das, was ich denke?

Im Richter, im Aktivist, in der Ministerin, in der Vorstandsvorsitzenden, in der Kassiererin, im Busfahrer, in allen schlägt ein Herz, in allen kämpfen die Feinde des Lebens um ihre Existenz und um die Erweiterung ihres Einflusses. Manche dieser Menschen haben Angst, sind eingeschüchtert, sind verunsichert, trauen sich nicht in ihre Kraft, können nicht in ihre Kraft, wissen nicht, dass sie sich aufrichten können, obwohl sie innerlich spüren, dass da etwas raunt, es müsste doch auch anders gehen. Jeder einzelne Mensch hat die Wahl, oft noch unbewusst, sich selbst zur Freiheit und zur Liebe zu bekennen. Wir können uns dabei helfen, diese Freiheit zu erkennen, um sie zu ergreifen. Wir können uns dabei unterstützen, unserem Herz mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Dort wo wir gerade stehen. Wir können uns selbst befreien und andere Menschen inspirieren, es uns nach zu machen, was nicht bedeutet, dass sie weltlich tun, was wir tun, also nicht das tun, was wir tun, sondern dass sie selbst lernen zu tun , was sie selbst, aus ihrem Herzen heraus frei tun wollen, was manchmal ähnlich dem ist, was wir tun, aber niemals gleich.

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Wenn wir frei sind, handeln wir aus der Ewigkeit heraus. Aus der Liebe. Beide wohnen in unserem Herzen, sind eins. Sie bieten uns diese unendliche weite Fassung, in der wir wachen Auges in jedem Augenblick entscheiden können, was jetzt das Richtige ist.

Es geht um mich und dich und die Situation in der wir jetzt sind. Es geht um jeden Menschen in jeder Begegnung und immer um den Kontakt zur Liebe.

Ich sehe diese Kraft, und kann sie immer wieder nicht erreichen, wenn meine Gedanken im Sog des großen Maßstabs verwehen. Ich muss sie aus der Ferne zurückholen, in das Jetzt der Ewigkeit in meiner Situation.

Meine Kraft reicht nicht aus, den Schleier aus Angst, der sich über die ganze Welt zu legen scheint, aus der Welt heraus gedanklich zu durchdringen. Erst wenn ich die Richtung ändere, in mich hineinhöre, dann finde ich die Quelle und sehe dort drin ein Licht strahlen. Es ist das gleiche Licht, das überall auf der Welt aus jedem Herzen den Schatten entgegenleuchtet.

Hier. Jetzt. In mir, da glüht und leuchtet, manchmal strahlt dieses Licht, das für der Lebensfeindliche nicht zu erreichen ist. Er bekommt es manchmal kleingedrückt, manchmal umstellt er es einfach mit einer dicken schwarzen Wand, so dass kein Strahl nach außen scheinen kann und ich selbst vergesse, dass es da ist. Aber in Wirklichkeit lasse ich sein Wirken zu. Ich kann ihn hindern, wegleuchten. Ich bin Lichtträger.


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Die Welt macht mich manchmal fassungslos. - Es gibt nur eine Fassung, die das halten kann, was hier auf der Welt geschieht. Die eine Fassung, die hinter der Welt steht, durch die die ganze Welt gehalten ist, die in der Welt selbst alles Leben bewirkt.

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Sophie Scholl schrieb in ihr Tagebuch:
Wir sind verantwortlich. Wenn wir mit diesem Wissen und dieser Bildung nichts tun, machen wir uns schuldig.

Meine Bildung, mein Wissen lässt mich erkennen, die Liebe zu mehren ist das einzig wahre Mittel gegen den Untergang der Welt.

Als erstes gilt es also, die Liebe in mir stark zu machen. Das kann ich in Abgeschiedenheit üben, entscheidend ist jedoch erst der wahre Moment, der Moment, in dem es darauf ankommt.

Wenn ich Gott erblicke, überall, in Mutter, Vater, in allen lieben Menschen, in Tier und Pflanze, in Baum und Stein, gibt Furcht mir nichts, nur Liebe zu allem was um mich ist.

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In ein starkes Herz, in ein mit allem Konkreten durchdrungenes Herz, schleicht sich im Moment der Hingabe der Engel, und schenkt mir eine, für das Handeln in dieser einen Situation, passende Idee.

Der Teufel ist der große Zauberer, der mich davon ablenkt, das zu tun, was als Liebe in mir schlummert.  In seinem Kontext, in Verbindung von Macht und Gehorsam geht es im Bereich des Fühlens hauptsächlich um Schmerz, Verdrängung und Angst. Das lässt sich lösen. Das können wir ändern. Durch Liebe.


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Wir haben diesen Instinkt für Geschichten. Rettet der Protagonist am Ende seines Kampfes zwar sein Leben, aber wendet den Blick von seinem Ideal ab, wirkt das für uns wie ein Versagen. Ist er hingegen bereit, sein Leben, bis in den Tod, für das zu geben, was er liebt, nennen wir ihn einen Helden.

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Ich frage mich, aus nachtodlicher Sicht, wenn das Leben schon verweht ist, was hätte ich in dem Moment gerne getan?

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http://stirnwelt.blogspot.com/2020/04/was-auch-immer-kommt.html

Der Einzige und sein Eigentum - Max Stirner

Ich hab’ Mein’ Sach’auf Nichts gestellt.

Was soll nicht alles Meine Sache sein! Vor allem die gute Sache, dann die Sache Gottes, die Sache der Menschheit, der Wahrheit, der Freiheit, der Humanität, der Gerechtigkeit; ferner die Sache Meines Volkes, Meines Fürsten, Meines Vaterlandes; endlich gar die Sache des Geistes und tausend andere Sachen. Nur Meine Sache soll niemals Meine Sache sein. „Pfui über den Egoisten, der nur an sich denkt!“

Sehen Wir denn zu, wie diejenigen es mit ihrer Sache machen, für deren Sache Wir arbeiten, Uns hingeben und begeistern sollen.

Ihr wißt von Gott viel Gründliches zu verkünden und habt Jahrtausende lang „die Tiefen der Gottheit erforscht“ und ihr ins Herz geschaut, so daß Ihr Uns wohl sagen könnt, wie Gott die „Sache Gottes“, der Wir zu dienen berufen sind, selber betreibt. Und Ihr verhehlt es auch nicht, das Treiben des Herrn. Was ist nun seine Sache? Hat er, wie es Uns zugemutet wird, eine fremde Sache, hat er die Sache der Wahrheit, der Liebe zur seinigen gemacht? Euch empört dies Mißverständnis und Ihr belehrt Uns, daß Gottes Sache allerdings die Sache der Wahrheit und Liebe sei, daß aber diese Sache keine ihm fremde genannt werden könne, weil Gott ja selbst die Wahrheit und Liebe sei; 

Euch empört die Annahme, daß Gott Uns armen Würmern gleichen könnte, indem er eine fremde Sache als eigene beförderte. „Gott sollte der Sache der Wahrheit sich annehmen, wenn er nicht selbst die Wahrheit wäre?“ Er sorgt nur für seine Sache, aber weil er Alles in Allem ist, darum ist auch alles seine Sache; Wir aber, Wir sind nicht Alles in Allem, und unsere Sache ist gar klein und verächtlich; darum müssen Wir einer „höheren Sache dienen“. – Nun, es ist klar, Gott bekümmert sich nur um’s Seine, beschäftigt sich nur mit sich, denkt nur an sich und hat nur sich im Auge; wehe Allem, was ihm nicht wohlgefällig ist. Er dient keinem Höheren und befriedigt nur sich. Seine Sache ist eine – rein egoistische Sache.

Wie steht es mit der Menschheit, deren Sache Wir zur unsrigen machen sollen? Ist ihre Sache etwa die eines Andern und dient die Menschheit einer höheren Sache? Nein, die Menschheit sieht nur auf sich, die Menschheit will nur die Menschheit fördern, die Menschheit ist sich selber ihre Sache. Damit sie sich entwickle, läßt sie Völker und Individuen in ihrem Dienste sich abquälen, und wenn diese geleistet haben, was die Menschheit braucht, dann werden sie von ihr aus Dankbarkeit auf den Mist der Geschichte geworfen. Ist die Sache der Menschheit nicht eine – rein egoistische Sache?

Ich brauche gar nicht an jedem, der seine Sache Uns zuschieben möchte, zu zeigen, daß es ihm nur um sich, nicht um Uns, nur um sein Wohl, nicht um das Unsere zu tun ist. Seht Euch die Übrigen nur an. Begehrt die Wahrheit, die Freiheit, die Humanität, die Gerechtigkeit etwas anderes, als daß Ihr Euch enthusiasmiert und ihnen dient?

Sie stehen sich alle ausnehmend gut dabei, wenn ihnen pflichteifrigst gehuldigt wird. Betrachtet einmal das Volk, das von ergebenen Patrioten geschützt wird. Die Patrioten fallen im blutigen Kampfe oder im Kampfe mit Hunger und Not; was fragt das Volk darnach? Das Volk wird durch den Dünger ihrer Leichen ein „blühendes Volk“! Die Individuen sind „für die große Sache des Volkes“ gestorben, und das Volk schickt ihnen einige Worte des Dankes nach und – hat den Profit davon. Das nenn’ Ich Mir einen einträglichen Egoismus.

Aber seht doch jenen Sultan an, der für „die Seinen“ so liebreich sorgt. Ist er nicht die pure Uneigennützigkeit selber und opfert er sich nicht stündlich für die Seinen? Ja wohl, für „die Seinen“. Versuch’ es einmal und zeige Dich nicht als der Seine, sondern als der Deine: Du wirst dafür, daß Du seinem Egoismus Dich entzogst, in den Kerker wandern. Der Sultan hat seine Sache auf Nichts, als auf sich gestellt: er ist sich Alles in Allem, ist sich der einzige und duldet keinen, der es wagte, nicht einer der „Seinen“ zu sein.

Und an diesen glänzenden Beispielen wollt Ihr nicht lernen, daß der Egoist am besten fährt? Ich Meinesteils nehme Mir eine Lehre daran und will, statt jenen großen Egoisten ferner uneigennützig zu dienen, lieber selber der Egoist sein. Gott und die Menschheit haben ihre Sache auf Nichts gestellt, auf nichts als auf Sich. Stelle Ich denn meine Sache gleichfalls auf Mich, der Ich so gut wie Gott das Nichts von allem Andern, der Ich mein Alles, der Ich der Einzige bin. <8> 

Hat Gott, hat die Menschheit, wie Ihr versichert, Gehalt genug in sich, um sich Alles in Allem zu sein: so spüre Ich, daß es Mir noch weit weniger daran fehlen wird, und daß Ich über meine „Leerheit“ keine Klage zu führen haben werde. Ich bin [nicht] Nichts im Sinne der Leerheit, sondern das schöpferische Nichts, das Nichts, aus welchem Ich selbst als Schöpfer Alles schaffe.

Fort denn mit jeder Sache, die nicht ganz und gar Meine Sache ist! Ihr meint, Meine Sache müsse wenigstens die „gute Sache“ sein? Was gut, was böse! Ich bin ja selber Meine Sache, und Ich bin weder gut noch böse. Beides hat für Mich keinen Sinn.

Das Göttliche ist Gottes Sache, das Menschliche Sache „des Menschen“. Meine Sache ist weder das Göttliche noch das Menschliche, ist nicht das Wahre, Gute, Rechte, Freie usw., sondern allein das Meinige, und sie ist keine allgemeine, sondern ist – einzig, wie Ich einzig bin.

Mir geht nichts über Mich!

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Einleitung von Max Stirner zu seinem Hauptwerk - Der Einzige und sein Eigentum
online nachlesbar beim Max StirnerArchiv Leipzig max-stirner-archiv-leipzig.de

Der Schönheit standhalten

Er warf das tote Tier in eine chinesische Vase, die hinter seinem Sessel stand, und lehnte das Gewehr an die Wand. "Nun seien Sie kein stummer Fisch, sprechen Sie zu mir! Klären Sie mich auf, befriedigen Sie meine Neugier, erzählen Sie von der seltsamen Welt, aus der Sie kommen! Besteht es noch, das gute, alte Menschengeschlecht? Oder haben die Gespenster des Unwirklichen es schon verschlungen? Die Geister jenes heraufdämmernden Reiches der Simulation und Künstlichkeit, in dem nur der farbige Abglanz einer aufgegebenen Wirklichkeit, eines vergessenen Ursprungs, die Reproduktion der Reproduktion besteht, und alles Echte, Große und Ursprüngliche im Mistkübel der Gier, der Beliebigkeit und Verblödung landet und der Mensch, ein armseliger Homunkulus, ausgeweidet und entbeint, sich nur mehr rasend und sinnlos im Kreise dreht?
Nebenbei bemerkt, haben Sie einen ganz miserablen Schneider, junger Freund, Sie sollten sich unbedingt einen neuen suchen!"
Der Schreck, der mir durch den Gewehrschuss in die Glieder gefahren war, hatte meine Aufmerksamkeit für einen Augenblick wiederhergestellt, aber erneut musste ich nach der schönen Marquise sehen, meine Augen tasteten ihr Gesicht ab, die schmale, wohlgeformte Nase, den schönen Mund, der an die ausgebreiteten Schwingen eines nächtlichen Vogels erinnerte, und plötzlich war mir, als blinzelte sie mit einem Auge ...
"Oh, ich sehe, Sie sind ganz versunken in das Bildnis unserer lieben Marie-Élisabeth!" sagte da Amadé, und seine Stimme hatte einen hämischen Unterton.
"Nun, sie war eine sehr anziehende Frau, und Sie sind gewiss nicht der erste, der dies bemerkt. Hören Sie auf mich, und lassen Sie ab von ihr, machen Sie sich nicht unglücklich!
Gehen Sie zurück in Ihr Zimmer!
Mit welcher Kraft wollen Sie, der Sie aus dieser fellachischen, dem Geld und Stumpfsinn wahnhaft verfallenen, auf alles Erhabene verzichtenden Welt stammen, mit welcher Kraft also wollen Sie der Macht wahrer Schönheit standhalten? ..." Sie lächelte mich an!
Sie bewegte ihren Arm und nahm ihn von der Tastatur!
Sie schüttelte ihren Kopf, und ich war nahe daran, vom Stuhl zu sinken.
Tonlos sagte ich einen Satz, der gewiss nicht zum besten gehörte, was ich in meinem Leben von mir gegeben habe. "Mit der Kraft der Liebe, Monsieur!"

Ulrich Tukur, Die Spieluhr, Berlin 2013, S. 68f

Wir stricken unsere Realität

„Opa, kann ich dich fragen, warum ich dich jeden Nachmittag auf dieser Bank auf dem Platz sitzen sehe und du in Richtung Sonne lächelst?“
Der alte Mann senkte langsam den Kopf, hielt kurz inne, sah ihn mit großer Zärtlichkeit an und antwortete mit großem Frieden: "Ich stricke".
Der Junge lächelte. "Wie strickt man ohne Wolle und Nadeln Großvater?" "Ich stricke Realitäten", sagte der alte Mann.
"Es mag so aussehen, als würde ich hier nichts tun", fuhr er fort, "aber indem ich ruhig bleibe, lasse ich mein Herz eine harmonische Umgebung schaffen. Ich segne auch alle, die an diesem Platz vorbei kommen, mit meinen Gedanken und Absichten, damit sie den besten Tag haben. So stricke ich. Ich grüße sie immer mit Liebe, ich lächle sie offen an, und wenn ich sie traurig sehe, hebe ich meinen Stock und sage: Komm schon, das wird schon wieder. Ich bitte auch die Vögel mir dabei zu helfen, ihnen Kraft durch ihren Gesang zu geben, weil ihre wunderbaren Klänge revitalisieren und heilen". Der Junge war absolut erstaunt. Er konnte nicht glauben, was er hörte.
"Bei dieser leuchtenden Aufgabe, der Erschaffung einer harmonischen Umgebungen beizutragen, bin ich nicht alleine", bemerkte der Alte. Er breitete seine Arme aus und rief:
„Sieh dir die Schönheit an, die die Bäume ausstrahlen. Rieche den wundervollen Duft, den die Blumen mit uns teilen, ohne etwas dafür zu verlangen. Schau dir die unermüdliche Arbeit dieser Bienen an und sieh, wie frei die Hunde spielen. Fühle, wie der Wind dich streichelt. Die Existenz strickt auch, auf ihre Art. In meinem Fall stricke ich gerne mit Lichtfäden, deshalb öffne ich jeden Nachmittag mein Herz, damit die Sonnenstrahlen eintreten, mich streicheln und sich zusammen mit meinen reinsten Gefühlen auf dem Boden verankern, damit Mutter Erde spürt, wie sehr ich sie liebe".
Schließlich betonte der alte Mann: „Egal wie alt wir sind, wir alle können dazu beitragen, den Stoff einer bewussteren, sensibleren, solidarischen und menschlicheren Welt zu weben, indem wir unsere besten Absichten über die Grenzen hinaus reisen lassen. Wir können auch viel Liebe ausstrahlen, damit sich Wunden schließen, Herzen öffnen und jeder sein maximales Potenzial erreicht, um die transformierende Kraft einfacher Dinge zu entdecken".
Die Augen des Jungen begannen zu leuchten. Und in diesem Moment flüsterte der Junge dankbar: „Ich gehe nach Hause Opa. Ich muss das alles meiner Mutter erzählen, denn sie, die zu den Menschen gehört, die ich am meisten liebe auf dieser Welt, strickt immer noch mit Wolle und Nadel.

Anonymus

Das Ich

"Sprechen wir vom Ich, vom echten. Versuchen wir es. Was ich das Ich nenne, das ist diese Bewegung, dieser Impuls, der mir erlaubt, mich der vier Elemente zu bedienen, dieser Erde, auf der ich lebe, auch meiner Intelligenz und meiner Gemütsbewegungen, sogar meiner Träume. Es ist eigentlich eine Kraft, die mir eine Macht verleiht, wie sie mir keine andere gibt: nämlich die Macht, dass ich, um zu leben, nicht warten muss, bis das äußere Leben zu mir kommt. Das Ego braucht die Dinge, die größtmögliche Zahl der Dinge (ob sie sich Geld, Geltung, Herrschaft, Beifall oder Belohnung nennen). Das Ich fragt nicht danach. Wenn es da ist, wenn es an der Arbeit ist, dann setzt es eine eigene Welt der anderen, dieser Welt der Dinge entgegen. Das Ich ist der Reichtum inmitten der Armut; es ist das Interesse, wenn alles um uns herum sich langweilt. Es ist die Hoffnung, auch wenn alle objektiven Chancen zu hoffen verschwunden sind. Aus ihm stammt die ganze Erfindungswelt der Menschen. Und schließlich ist es das, was uns übrigbleibt, wenn uns alles andere entzogen ist, wenn uns gar nichts mehr von außen zukommt und unsere Kräfte doch genügend groß sind, um diese Leere zu überwinden."

Jacques Lusseyran, Ein neues Sehen der Welt. Gegen die Verschmutzung des Ich. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1993, S. 65 ff.