Regen: Leben wie im Mittelalter

Als mein jugendlicher Sohn vor wenigen Wochen nach der Lektüre eines Romanes mit Rittern und Rössern in sentimentaler Mittelalternostalgie meinte, er hätte gerne früher gelebt, da fragte ich ihn, warum denn?
"Da war das Leben irgendwie echter, direkter", stammelte er. "Meinst du damit", suchte ich mit ihm die Worte, "das man damals mehr mit den Händen zu tun hatte, umgeben von Tieren mit Faust und Schwert kämpfte und Wind und Wetter ausgesetzt war?"
Als er nickte ergänzte ich. "Aber damals war auch alles sehr viel mühsamer, weit aus weniger bequem als heute. Und man wurde nass, wenn es regnete."
Das machte ihn nachdenklich.
Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Fahrrad einmal quer durch die Stadt ins Hallenbad. Unterwegs fing es an zu schütten. Angesichts eines warmtrockenen Ziels fuhren wir lachend weiter. Als wir ankamen trugen wir hautenge Hosen an unseren kalten Beinen. Wir zerrten uns aus den klammen Klammotten und duschten uns warm.
Vier Stunden später, auf dem Nachhauseweg, schien wieder die Frühlingssonne.
Wenige Tage später bedankte sich mein Sohn für die "mittelalterliche Fahrradtour".

Heute kam der Regen leider erst nachdem die wichtigen Pressefotos gemacht waren. So musste ich für den Start meiner Karriere als hartgesottener Stadtradelstar mit trockenerer Hose aufs erste Bild. Sichtbar enttäuscht stehe ich neben ADFC Mann, Moderatorin, Bürgermeisterin, Politikerin und Radelstarkollege.
Als sich aber die Gruppe der Europa-Radler auf die Tour nach Kleinblittersdorf gemacht hatte, fielen die ersten Tropfen. Die Standbetreiber von VCD, ADFC und cargovelo packten eilig ihre Werbeheftchen zusammen.
Ich schwang mich auf den Sattel und machte mich auf den Heimweg. Und dann segneten uns die Wettergötter mit einem beeindruckenden Regen-Event.
Dicke Tropfen fielen senkrecht vom Himmel. Wüste Windböen peitschten Gischtwirbel in Winkel und an Wände. Es regnete wie im Mittelalter.
Ich gestehe, als es anfing wie aus Kübeln zu schütten, stellte ich mich auch unter. Aber ich bereute tief, dass ich nicht bei der Friedensfahrt nach Kleinblitterdorf von blauen, europäischen Regentropfen geadelte wurde.
Ok. Aber generell - bei meiner Ehre als Stadtradelstar; ich fahre bei jedem Wetter alle Wege mit dem Fahrrad.
Unbequem? Ja. Dafür lebendig.

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