Junko Althaus und die Philosophie der Freiheit

Montag, 29. März 2010

Vorwort zum Blog

 

In der Schrift, die Steiner mit 33 schrieb, scheint er deutlich dem Denken eine alleinige wichtige Bedeutung zu geben. Diese Neigung hat sich allerdings gegen Ende seines Lebens durch seine Karmaerkenntnis anfänglich verändert. Er gibt die Übungen, in der das Erkennen nicht allein durch das Denken zu erreichen war.

Ich bin selber lange Zeit konsequent den Weg des Denkens gegangen. Eines Tages überkamen mich unerwünscht aus heiterem Himmel karmische Erinnerungen. In der Auseinadersetzungen mit meinen Karmafragen durchlebte ich eine intensive Erkenntniskrise. Und zuletzt lernte ich aus meinem Herzen ihre Intelligenz und die wahrhaftigen Aussagen der Gefühle und Empfindungen annehmen.

Ich habe dadurch gelernt, dass das Herz gemeinsam mit dem Denken mich zur Wahrheit führt. Das Denken allein hat noch nicht die Möglichkeit, eine Erkenntnis, die wirklich mit der Liebe durchdrungen ist, zu schaffen. Aktivieren wir das Herz als Wahrnehmungs- und Erkenntnisorgan, dann kann es uns zu einer wunderbaren Hochzeit zwischen der Kopf- und der Herzintelligenz führen. Und diese Ehe schenkt uns die erweiterte Erkenntnis durch das Einbeziehen einer lebendigen Wahrnehmung des Herzens.

Ich sehe in der Schrift "Die Philosophie der Freiheit" eine außerordentlich wichtige Bedeutung für unsere Zeit. Rudolf Steiner war mit dieser Schrift seiner Zeit weit voraus. Die Idee der Freiheit ist heute aktuell wie noch nie. In uns lebt die Sehnsucht nach einer Freiheit, die nicht Aggressivität in sich hat, sondern im Sinne der Schrift Steiners mit der Liebe zu vereinen ist. Die Inhalte, die damals in der ersten Ausgabe nicht richtig verstanden wurden, können wir heute aus einer mehr individualisierten menschlichen Grundlage heraus viel lebenidiger erfassen.

Mein Ziel ist es, hier im Blog die Inhalte der Philosophie der Freiheit aus der Herzintelligenz neu zu interpretieren. Weil manche Menschen zu mir sagten, die Inhalte der Schrift werden auf diese Weise lebendig und bekommen einen wirklichen Bezug zum Alltagsleben. Und ausserdem verlor sie den Anschein, ein anstrengendes philosophisches Monster zu sein, in dem manche Leser angeblich mühsam um ein allererstes Verständnis ringen mussten. Ich freue mich über einen "Zufall" , diesen Blog gerade am Vorabend zum 85. Todestag Rudolf Steiners eröffnen zu können.

Dienstag, 30. März 2010

Was ist Freiheit?

 

Die Schrift „Die Philosophie der Freiheit“ ist für mich die bedeutendste Fortsetzung des Werkes Paulus im 19. Jahrhunderts. (Siehe den Artikel "Philosophie der Freiheit - eine paulinische Erkenntnistheorie") Folgendes widme ich den zwei Freiheitskämpfern Rudolf Steiner und Paulus

Ist Jesus von Nazareth nicht jemand gewesen, der keine Stellung und kein Amt in irgendeiner organisierten Institution inne hatte und dennoch eine Macht hatte, die niemand sonst hatte?
War er nicht jemand, der keinen Besitz besass und keine hohe Bildung abgeschlossen hat und dennoch innerlich reich und weise, so kein anderer sein konnte?

War er nicht jemand, der von den Hohenpriestern ermordet wurde, die Stellung und Macht im institutionalisierten Geistesleben hatten und das allgemeine moralische Leben reglementierten?

War er nicht derjenige, der von den Römern gefangen und missbraucht wurde, die an die irdische Machtausbreitung glaubten?

Ja. Er war derjenige, der keine Stellung oder kein Erlaubnis von irgendeiner Autorität brauchte, um stets seine machtvolle und unabhängige Identität des eigentlichen Menschseins zu erfahren. Ja, Er war jemand, der keinen Besitz und keine hohe Bildung brauchte, weil er sein Leben nicht äusserlich absichern musste. Er wusste stets, alles wird ihm gegeben, was nötig ist, um seine Aufgabe auf der Erde zu erfüllen.

Ja, Er war jemand, der von den Hohenpristern gehasst wurde, weil Er immer aus dem Herzen die Wahrheiten sprach und sich von nichts reglementieren lies und keine Kontrolle eines geistig-moralischen Gremiums fürchtete.

Ja, Er war derjenige, der von den Römern missbraucht und gekreuzigt wurde, weil Er stets die machtvolle Würde des unabhängigen Menschseins in seinem Herz spürte und keine irdische Macht fürchtete.

Er löste die Macht des fesselnden Todes in den starren Formen des Lebens auf und lebte die Gesetze des Lebens im Herz des Menschseins aus.
Er war der freiste Mensch auf der Erde, der ohne Besitz, Status und Bildung, Reglementierung radikal im Hier und Jetzt unabhängig von allem auf sein Herz hören konnte. Lebte Er nicht etwas aus, was auch wir alle tun könnten?


Freitag, 2. April 2010

Nur mit dem Herz kann man verstehen, was ist. 

 

Ich finde immer wieder die Interpretationen der Philosophie der Freiheit, die auf einer intellektuellen Ebene behandelt wurden. Natürlich kann man sie als einen rein philosophischen Gegenstand und eine gedankliche Herausforderung nehmen.

Meine Arbeitshaltung gegenüber dieser Schrift ist eine ganz andere.

Diese Schrift ist für mich eine ganz lebendige und praktische Beschreibung über die Freiheit, die jeder von uns erreichen kann. Der Inhalt dieses Buches ist nicht die Beschreibung eines Zustandes, was ausser Steiner und den hohen Eingeweiten niemand verstehen und erreichen kann! Das kann doch nicht sein. Es ist wirklich an der Zeit, Steiners Werk als Anregungen zu nehmen und sich damit im eigenen Herz intuitiv zu beschäftigen. Wir brauchen die individuellen schöpferischen Ideen für das wirkliche Leben! Wieso zerbrechen wir uns immer wegen seiner Gedanken so sehr den Kopf? Wollen wir nicht lieber damit aufhören, alles sehr kompliziert und angespannt ernst zu nehmen? Fangen wir nicht lieber an, mit seinen Anregungen lebendiger umzugehen?


Freitag, 2. April 2010

Kapitel IX Die Idee der Freiheit - 1 "Denken als Mythos" der Anthroposophie?

 

„Der Begriff des Baumes ist für das Erkennen durch die Wahrnehmung des Baumes bedingt. Ich kann der bestimmten Wahrnehmung gegenüber nur einen ganz bestimmten Begriff aus dem allgemeinen Begriffssystem herausheben. Der Zusammenhang von Begriff und Wahrnehmung wird durch das Denken an der Wahrnehmung mittelbar und objektiv bestimmt. Die Verbindung der Wahrnehmung mit ihrem Begriffe wird nach dem Wahrnehmungsakte erkannt; die Zusammengehörigkeit ist aber in der Sache selbst bestimmt.

Anders stellt sich der Vorgang dar, wenn die Erkenntnis, wenn das in ihr auftretende Verhältnis des Menschen zur Welt betrachtet wird. In den vorangehenden Ausführungen ist der Versuch gemacht worden, zu zeigen, daß die Aufhellung dieses Verhältnisses durch eine auf dasselbe gehende unbefangene Beobachtung möglich ist. Ein richtiges Verständnis dieser Beobachtung kommt zu der Einsicht, daß das Denken als eine in sich beschlossene Wesenheit unmittelbar angeschaut werden kann. Wer nötig findet, zur Erklärung des Denkens als solchem etwas anderes herbeizuziehen, wie etwa physische Gehirnvorgänge, oder hinter dem beobachteten bewußten Denken liegende unbewußte geistige Vorgänge, der verkennt, was ihm die unbefangene Beobachtung des Denkens gibt. Wer das Denken beobachtet, lebt während der Beobachtung unmittelbar in einem geistigen, sich selbst tragenden Wesensweben darinnen. Ja, man kann sagen, wer die Wesenheit des Geistigen in der Gestalt, in der sie sich dem Menschen zunächst darbietet, erfassen will, kann dies in dem auf sich selbst beruhenden Denken.

Im Betrachten des Denkens selbst fallen in eines zusammen, was sonst immer getrennt auftreten muß: Begriff und Wahrnehmung. Wer dies nicht durchschaut, der wird in an Wahrnehmungen erarbeiteten Begriffen nur schattenhafte Nachbildungen dieser Wahrnehmungen sehen können, und die Wahrnehmungen werden ihm die wahre Wirklichkeit vergegenwärtigen. Er wird auch eine metaphysische Welt nach dem Muster der wahrgenommenen Welt sich auf-erbauen; er wird diese Welt Atomenwelt, Willenswelt, unbewußte Geistwelt und so weiter nennen, je nach seiner Vorstellungsart. Und es wird ihm entgehen, daß er sich mit alledem nur eine metaphysische Welt hypothetisch nach dem Muster seiner Wahrnehmungswelt auferbaut hat.

Wer aber durchschaut, was bezüglich des Denkens vorliegt, der wird erkennen, daß in der Wahrnehmung nur ein Teil der Wirklichkeit vorliegt und daß der andere zu ihr gehörige Teil, der sie erst als volle Wirklichkeit erscheinen läßt, in der denkenden Durchsetzung der Wahrnehmung erlebt wird. Er wird in demjenigen, das als Denken im Bewußtsein auftritt, nicht ein schattenhaftes Nachbild einer Wirklichkeit sehen, sondern eine auf sich ruhende geistige Wesenhaftigkeit. Und von dieser kann er sagen, daß sie ihm durch Intuition im Bewußtsein gegenwärtig wird. Intuition ist das im rein Geistigen verlaufende bewußte Erleben eines rein geistigen Inhaltes. Nur durch eine Intuition kann die Wesenheit des Denkens erfaßt werden.“

Der Kommentar:
Steiner hat in der Schrift selbstverständlich noch nicht die komplizierte Struktur des Seelenlebens berücksichtigt. Darüber erfahren wir erst vor seinem Tod in seinen Leitsätzen. In ihnen beschreibt er: Im Denken lebt sowohl das Fühlen als auch das Wollen. Im Fühlen das Denken und das Wollen, und im Wollen das Denken und das Fühlen. Das klingt zuerst ziemlich kompliziert. Und das ist es auch in Wirklichkeit. Wir können in der Tat nicht bloss vom Denken reden, weil im Denken auch immer das Fühlen und das Wollen mitanwesend sind. Dieses gemeinsame Weben macht eine dynamische und lebendige Zusammenarbeit zwischen dem Denken, dem Fühlen und dem Wollen möglich.

Ohne das Fühlen und das Wollen kann man eigentlich im Denken nichts erkennen. Was wahr sein kann, kann man ja ganz unterschiedlich denken. Das Denken ist universal. Deshalb macht uns das Denken labil, weil es alles für möglich halten kann. Das Wahrheitsgefühl „ja, das ist wahr!“ macht uns erst zur Gewissheit einer Erkenntnis. Das kann man nicht woanders holen, wenn man als ein freier Mensch selbstständig seine Erkenntnis gewinnen will. Das Gefühl muss man in seinem eigenen Herz spüren.

Steiner hat in einigen Vorträgen auf die entscheidende Bedeutung eines Wahrheitsgefühls hingewiesen. Aber seine gewisse Vorliebe zum Denken hat unter den nachkommenden Anthroposophen eine starke Neigung hervorgerufen, dem Denken allein einen Mythos zuzuschreiben. Das macht manchmal eine anthroposophische Arbeit sehr intellektuell, weil unsere Aufmerksamkeit dabei einzig auf den Kopf gelenkt wird.

Ich denke, die Zeit war zu Lebzeiten Steiners noch nicht reif dafür, die Erkenntnispraxis konkret weit über das Denken hinaus zu erweitern. Steiner begann erst gegen Ende seines Lebens z.B. die Karmaübungen zu geben, die nicht nur auf dem Denken basieren.

Die Erben der Erkenntnis- und Schulungsfragen Steiners, in denen quantitativ gesehen eindeutig die gedankliche Art vorherrschend ist, bestimmen auch die Haltung seiner nachkommenden Schülerschaft bis heute. Die Anthroposophen können sehr diszipliniert, hilfsbereit und auch verantwortungsvoll sein. Aber diese Eigenschaft kann man auch übertreiben. An manchen sehr anthroposophischen Menschen vermisse ich eine wirkliche Offenheit, eine authentische Selbstkongruenz und eine natürliche Herzlichkeit.

Sie scheinen den Kontakt zu dem Herz gebrochen zu haben, damit sie sich stets unter eine strenge moralische oder auch intellektuelle Selbstkontrolle stellen können. Mir scheint, dass sie sich teilweise zu sehr mit ihren Idealen und Geboten zwingen, wie sie sein sollen.

Auch ich habe mich früher in einer ganz strengen gedanklichen Art mit Steiners Werk beschäftigt und mich dabei unter eine geistige Kontrolle gestellt. Und ich habe irgendwann bemerkt, dass diese Art der Schulung heute anders als damals den Menschen keine produktive Selbstentfaltung mehr ermöglicht. Das Herz muss heute in einem noch viel grösseren Mass als vor 100 Jahren in alle Angelegenheiten des Lebens miteinbezogen werden.

Wir können ja nicht immer in den Schriften und Vorträgen Steiners die Stellen suchen, in denen er die gerade passende Antwort auf unsere Fragen gibt. Da machen wir uns unfrei. Steiners Bücher können uns helfen, Wahrnehmungs- und Erkenntnisorgane in uns zu bilden. Wer diese Basis hat, kann selbstständig seine Organe erweitern. Ohne sich auf die konkreten einzelnen Aussagen Steiners zu stützen kann er unabhängig in allem forschen.

Bis dahin habe ich beschrieben, wie ich aus heutiger Sicht die Grenzen Steiners in seiner damaligen Ausdrucksart und die damit zusammenhängenden Besonderheiten seiner anthroposophischen Nachkommenschaft erlebe.

Nun gehen wir jetzt auf den konkreten Inhalt ein.
Steiner vermittelt uns eine wunderbare Wesenhaftigkeit, die uns im intuitiven Denken entgegenkommt. In dieser Beschreibung erlebe ich nach, dass sein intuitives Denken gar nichts Totes in sich hat. Eine schöpferische Angelegenheit ist es. Und das ist der Charakter einer Intuition, dass sie etwas Beflügelndes hat. Die Gedanken, die nur aus dem logischen oder erfahrungsbezogenen Denken entspringen, tragen diese Eigenschaften nicht. Worte können den intellektuellen Ohren klug klingen und für das Alltagsdenken etwas total Überzeugendes haben, dennoch fehlt ihnen absolut das Leben. Ein angenehmes befreiendes Lichterlebnis einer Intuition bleibt aus.

Was ist aber diese „Wesenhaftigkeit“, die Steiner hier meint? Eine Wesenhaftigkeit macht eine Intuition wirklich wesenhaft. Eine Intuition kann deshalb nicht immer nur in trockene Worte übersetzt werden, sondern als Bild oder dynamische Bewegung in der Seele erfasst werden, je nachdem wie man geartet ist. Die Wesenhaftigkeit einer Intuition lässt uns leicht ein Bildgeschehen wie eine Geschichte oder ein Märchen erleben. Dabei begegnen wir den Aussagen der Inhalte lebendig und wesenhaft in den personifizierten Wesen wie Menschen oder Tiere.

Wir erfinden nicht extra ein Märchen, sondern die Seele schafft die Bilder aus der erlebten Intuition auf eine natürliche Art. Selbstverständlich kann man die Wesenhaftigkeit in einer gedanklichen Eingebung oder in einer klaren Form des Begriffes wahrnehmen, so wie Steiner gerade hier betont. Die Möglichkeiten, die Wesenhaftigkeit zu erleben sind viele.

Der Blog von Junko Althaus: philosophie-der-freiheit.blogspot.de

Junko Hill nach Heirat Junko Althaus veröffentlichte bisher zwei Bücher http://jakchosverlag.ch/product/die-moralische-intuition