Eigener Bericht ... und nach der Demo?

Am Wochenende vom 15. bis 17. November fand im ökologischen Schullandheim Spohns Haus im Bliesgau ein besonderer Workshop statt. Zehn Aktivisten von fridays for future Saarland waren zusammengekommen um daran zu arbeiten, was es jenseits des Demonstrierens zu tun gäbe, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Die Veranstalter Junge Biosphäre und der Landesjungendring Saar e.V. engagierten mich, Axel Stirn, als Leitung für dieses Seminar. Ich schrieb einen Text darüber.

Zu lesen auf den Seiten 6 und 7 im pdf:

https://www.landesjugendring-saar.de/fileadmin/user_upload/Landesjugendring/Info-aktuell/19-3_info_aktuell.pdf
 



Nervös begann ich meine Vorbereitungen viele Wochen vorher. Ich musste herausfinden, auf was ich den Fokus setzen sollte, ohne die Teilnehmenden zu kennen. Es stand in den Sternen, wieviele Menschen sich anmelden würden, welches Alter die Teilnehmenden haben würden und wie deren Bekanntheitsgrad untereinander sein würde. Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE), die politische Bildung und der selbstständige Blick in die Welt lassen viele Themen wichtig sein. Welches wählen?
Nach Rücksprache mit Susanne Speicher, die eine der öffentlichen Personen von fff Saarland ist, entschieden wir uns für die Aspekte: Basiswissen Nachhaltigkeit, Antimanipulationstrainung, Sozialverhalten und Kommunikation. Ob das Seminar den Begriffen Inhalt geben konnte, müssen im Nachhinein die Teilnehmenden selbst beantworten, denn das Seminar war ein Tanz mit dem, was sich zeigen wollte. Meinen roten Faden konnte ich führen. Aber die Schleifen, die er zog, ergaben sich im Arbeitsprozess der Gruppendynamik. Es war ein Experiment. Mit besonderer Kultur. Aber dazu später mehr.

Glücklicherweise fand kurze Zeit vor dem Seminar eine Klausur meiner Arbeitsgruppe t.time.trainings in Freiburg statt. Mit den vier Menschen von t.time arbeite ich seit zwei Jahren an der Entwicklung theaterbasierter Bildungsprozesse für eine nachhaltige Zukunft. Dabei lernen Teilnehmende intellektuell, körperlich und emotional. Wir fanden zusammen, weil wir wissen, dass Menschen, um Wissen und Handeln in Einklang zu bringen, auch ihre Körper in Bewegung bringen müssen. In t.time.trainings fließen darum Elemente der Gewaltfreien Kommunikation, des Circles, und der Theaterpädagogik rund um das Theater der Unterdrückten von Augusto Boal zusammen und erschaffen transformative Bildungserlebnisse, die vielen Menschen sehr gut tun. Meine Kollegen halfen mir dabei, das herauszuarbeiten, was ich als roten Faden für das Seminar durchscheinen lassen wollte.

Mir war klar, dass der Begriff *Theater* viele Menschen abschrecken würde, also erwähnte ich ihn nicht. Die Rückmeldungen zeigten, dass dies eine gute Entscheidung war. "Bei den spielerischen Übungen dachte ich am Anfang oft, was das denn nun solle. Aber dann kam die nächste, darauf aufbauende, und noch eine weitere. In den ausführlichen Reflexionsgesprächen wurde mir klar, wie viel Erkenntnis aus solchen Spielen gewonnen werden kann", gab ein Teilnehmer am Sonntag als Rückmeldung. Mehrere stimmten zu. Ha, dachte ich mir still. Theater ist einfach ein magisches Mittel.

Der Beginn war am Freitag Abend 18 Uhr, mit dem Abendessen. Ein befriedeter Hunger ist die Grundlage für Wohlempfinden. Begleitet wurde das Ankommen von freundlichen Begrüßungsworten: Der neue Bürgermeister von Gersheim Michael Clivot, der Geschäftsführer des Landesjungendrings Georg Vogel und die im Spohnshaus für Bildung zuständige Sylvia Lerchner freuten sich, dem Start dieses besonderen Seminars ihren Segen zu geben.

Dann ging es los. Unerwartet im Stuhlkreis, mit sorgfältig gestalteter Kreismitte und einer Minute Stille. Für einige, erklärten sie hinterher, war das sehr überraschend. Aber sie gestanden auch: Überraschend wohltuend. Anschließend begaben wir uns spielerisch auf die Reise ins gegenseitige Kennenlernen. Dann widmeten wir uns dem Thema *Folgen & Führen*. Bereits die Begriffe führten zu kontroversen Reaktionen. Mit spielerischen Erlebnissen konnten jedoch neue Erkenntnisse wachsen. Gegen 22 Uhr endete das offizielle Programm. Wieder im achtsamen Gesprächskreis und mit einem gemeinsamen Schweigen. Trotz meiner Ankündigung, dass der Samstag ganz schon anstrengend werden würde, wurde der erste Abend erwartungsgemäß recht lang und die neu Gruppe genoss ihr Beisammensein.

Der nächste Tag begann mit dem neu gefunden Ritual. Darauf folgten einige Belebungsspiele für noch müde Geister. Mit der dadurch geschaffenen konzentrierten Atmosphäre erlebte die Gruppe bei einer einfachen Übung, wie herausfordernd achtsame, respektvolle und konstruktive Kommunikation sein kann. Geduld und Langsamkeit offenbarten ihre Kraft und wir brachten neue Qualitäten in menschliche Begegnungen. Eine darauf folgende Tafel-Nummer führte zum Verständnis von Zusammenhängen rund um unsere Produktion von Fleisch und Milchprodukten.

Für die um 11 Uhr geplante Pause hatte sich die saarländische Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot angekündigt. Moderiert von Georg Vogel kam ein differenziertes Gespräch zustande. Zentrales Thema waren die demokratische Herausforderung Politiker, Schulleitungen und andere Menschen dazuzubewegen, sich für eine lebensbejahende Zukunft und die Ziele von fff einzusetzen, oder zumindest nicht im Wege zu stehen. Das Thema *Folgen & Führen* durchwebte das ganze Gespräch. Ein gemeinsames Foto bei Sonnenschein schloss den erfreulichen Besuch ab.

Am Samstag Nachmittag erforschte die Gruppe Formen der Zusammenarbeit und Motivation. Finale Aufgabe war es, die Ziele von fff mit positiven Emotionen in einem kurzen Auftritt darzustellen. In wieweit dies gelang und Schwierigkeiten dabei deutlich wurden, erlebten die Teilnehmenden in vertrauensvoller Atmosphäre.

Nach dem Abendessen schlossen wir uns an eine der ältesten Traditionen der Menschheit an. Wir kamen zu einem Geschichtenabend zusammen. Wir löschten das Licht und zündeten eine Kerze an. Sie wanderte von Gesicht zu Gesicht, von Geschichte zu Geschichte. Es wurde vorgelesen, erzählt und vorgetragen. Die Offenheit und Rücksicht dieser Runde entwickelte eine Kraft, die alle tief berührte.

Den Sonntag widmete die Gruppe der Frage, wie die Werte dieses besonderen Wochenendes in die Arbeit bei fff einfließen könnten, um dort ihre transformative Kraft zu entfalten.

Die Abschlussrunde war für alle sehr berührend. Dann kam unser letzter Besuch. Journalistin Petra Pabst sammelte Eindrücke und Informationen, um einen Artikel über das Seminar in der Saarbrücker Zeitung zu veröffentlichen.

Allen viel die Verabschiedung schwer. "Wann machen wir das nächste Seminar?" sprachen einige aus. "Die anderen müssen auch so ein Wochenende erleben", meinten die nächsten.

Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle an das ökologische Schullandheim Spohnshaus. Die nachhaltig veganen Mahlzeiten waren wohlschmeckend und nährend. Und die Räume waren optimal.

Georg Vogel sprach mich zwei Tage später auf das Seminar an und meinte, das Seminar sei den Rückmeldungen nach ein ganz besonderes gewesen. Er habe das bei seinen kurzen Besuchen auch gespürt. Er bat mich um eine Erklärung, was ich denn getan hätte.

Es ging mir um die Atmosphäre. Um die Kultur. Denn aktuell leben wir weltweit in einer Kultur der Hetze, der Konkurrenz, umgeben von Ausbeutung und Zerstörung. Ich und viele andere wollen das nicht. Wir wollen zu einer Kultur, die das Leben wertschätzt, liebt und gemeinsam Frieden gestaltet. Doch wie kommen wir dorthin? Ich halte solche Seminare für eine Traingsmöglichkeit. Eine achtsame Kultur kann jeder einzelne Mensch mitgestalten. Nur müssen wir herausfinden, *dass* wir das können und dann lernen *wie* das geht. Diese offene Haltung trug ich in den Workshop hinein. Mit dieser inneren Haltung wählte ich die Methoden. Ich wollte den Teilnehmenden eine Erfahrung ermöglichen, die jenseits von Konkurrenzkampf, von Überzeugungskampf oder Mitläufertum liegt. Es ging mir darum, eine achtsame Kultur lebendig werden zu lassen, in der alte Themen neue Perspektiven erhalten können, allein weil wir uns beispielsweise einfach mal die Zeit nehmen, tief zuzuhören. Sylvia Lerchner fand hinterher die wohl prägnanteste Beschreibung für das, was stattgefunden hatte: "Herzbewegend statt kopffüllend trifft es wohl am besten."