Im Anschluss an Goethes Metamorphosenlehre entwickelte Rudolf Steiner eine Methode der Naturbetrachtung, die so exakt wie die Naturwissenschaft arbeitet und doch zu ganzheitlichen Ergebnissen über das Wesen und Werden des Menschen in seinem Verhältnis zum Tierreich führt. Die Metamorphosenlehre ist eine wesentliche methodische Grundlage der Anthroposophie und insbesondere auch der Waldorfpädagogik. So steht die Ausstellung auch im Zusammenhang mit dem 100-jährigen Jubiläum der Waldorfschulen in 2019.
Steiner griff Darwins und Haeckels Idee der gemeinsamen Abstammung aller Lebewesen auf, ergänzte sie aber um die spirituelle Anschauung, dass sich im Menschen das geistige Urbild des Tierreiches verkörpert. Nach Steiner sind die Tiere Absonderungen aus dem geistigen Menschenwesen, die notwendig waren, damit der Mensch als selbstbewusste Seele zuletzt auch in physischer Gestalt erscheinen konnte. In den letzten 100 Jahren wurde viel nach der Methode Goethes/Steiners geforscht. In der Ausstellung werden wichtige Ergebnisse dieser Forschung über Mensch und Tier anschaulich dargestellt und allgemeinverständlich erläutert. Sie ist so konzipiert, dass sie den Betrachter zum inneren Nachvollzug der Ideen und zum selbstständigen »Sehen mit Geistesaugen« anregt. Zusammen mit der Ausstellung werden Vorträge und Seminarkurse sowie ein begleitender Katalog angeboten.
Rudolf Steiner vertrat in dezidierter Weise die Auffassung, dass nicht der Mensch von den Tieren, sondern die Tiere aus dem Wesen des Menschen abstammen. Den Gedanken der Tierabstammung des Menschen bezeichnete er einmal als den »größtdenkbaren Irrtum, der in der Menschheitsentwicklung möglich war«. Dieser darwinistische Gedanke ist jedoch eine der geistigen Grundlagen der modernen Kultur. Er führt zu einem tief in den Seelen verankerten Materialismus - wie es beispielsweise in dem aktuellen Bestseller Homo deus von Yuval Noah Harari deutich wird -, der der Transformation aller Lebensbereiche durch digitale Technologien nichts ent- gegenzusetzen vermag. Rudolf Steiners Auffassung gründet auf Goethes Art der Naturbetrachtung, die sich durch ein bewegliches, sich mit den Naturphänomenen verbindendes und ihr inneres Wesen erlebendes Anschauen auszeichnet. In der Ausstellung wird diese goetheanistische Methode erläutert und an vielen Beispielen erlebbar gemacht.
- Vgl. hierzu Christoph Hueck: »Alles Niedere hat sich aus Höherem herausentwickelt« Rudolf Steiners Auffassung der Evolution von Mensch und Tier. Die Drei Heft 10 und 11, 2017.
- Steiner, Rudolf, GA 194, 22.11.1919