Horst Haitzinger


„Vorsicht, da kommt schon wieder die Lebensmittelkontrolle“ Haitzinger

Immer wieder klingt in meinen Ohren, dass die Illustrationskultur in Deutschland nicht viel zu bieten habe. Tatsächlich finde ich in den Tageszeitungen meistens und wenn überhaupt nur eine Karrikatur zu einem meist politischem Thema. Aber richtig tolle Illustrationen gibt es in Massenmedien wirklich wenige. Magazine wurden in letzten Jahren mutiger, allen voran die, die keine fünf Jahre überleben. Etablierte, wie Stern und Spiegel und Co., sind ähnlich mager illustriert wie Provinzblätter.

Frankreich sei da viel besser und bunter, heißt es. Das mag sein. Allerdings loht es sich auch in Deutschland etwas genauer hinzusehen. Richten wir also das Augenmerk zum Beispiel auf einen großen und bekannten Karrikaturisten aus Österreich. Ö-land ist zwar nicht D-land, dafür noch weniger bekannt als Land großer Illustratoren. Und das ist hier das wirklich einzige, was zählt. Überhaupt muss man ja irgendwo mal anfangen.

Da ich mit der SüdwestPresse als dem überregionalen Teil der lokalen Tageszeitung aufgewachsen bin, gehörte Haitzinger schon früh zu meinem Frühstück. Ich mochte ihn bereits, bevor ich anfing, die Zusammenhänge und Hintergründe seiner Zeichungen zu verstehen. Heute mag ich seinen Stil immernoch. Und weil ich gerne etwas dazu beitrage, dass erfolgreiche Illustratoren noch bekannter werden, damit es für noch erfolglose Illustratoren etwas leichter wird, verlinke ich hier zu seinem Blog: Haitzinger bei tumblr

Der Aufzug des Nebels

Der Zug, in dem ich laß, hatte bis zur dritten Station keine Verspätung. Dann kam die Durchsage: „Aufgrund ehrlicher Probleme seitens der Spurenprognose, werden wir unser Ziel heute niemals erreichen. Wir bitten Sie, dies zu verleumden und wünschen eine angenehme Wetterreise.“ Erik und ich schauten uns an. Es war sicherlich besser, keinen Gedanken daran zu verschwenden und einfach sitzen zu bleiben. Was auch immer der Zugführer damit gemeint hatte, wir würden es bestimmt bald herausfinden.

Vorerst gab es für uns keinen Grund zur Sorge. Bis zum Abflug nach Krakau hatten wir genügend Zeit. Es war nur fraglich, ob das Raum-Shuttle warten würde, das uns vom Bahnhof zum Flughafen bringen sollte. Noch bestand kein Grund zur Panik. Wir schauten aus dem Fenster, als wir in einen kleinen Bahnhof einfuhren. Auf den Bahnsteig unserer dritten Haltestation lag hoher Schnee und die Menschen sahen im Licht der Laternen aus wie gelbe Statuen.

Da hilft nur Reaktanz

Ich schickte vor zwei Tagen sechs übersichtlich gestaltete A4 Seiten Text an meine besten vier Freunde. In dem Text werden fünf Gründe genannt, warum es kurz vor zwölf ist, sich mit seinen Essgewohnheiten zu beschäftigen, seinen persönlichen Nahrungsmittelkonsum in Zusammenhang mit Weltwirtschaftsproblemen zu sehen und zu überlegen, ob vegane Ernährung nicht vielleicht gesünder sei. Einer meiner Freunde erschuf mit mir folgenden E-Mail-Dialog:

Ich:
Hi Jungs,
lest doch einfach mal wieder das, was ich euch schicke.
Liebe Grüße
Axel

Freund:
Mindestens einen Grund gibt es, den Artikel nicht zu lesen: Reaktanz.

Ich:
Ich musste erst mal nachschauen: "Reaktanz ist ein sozialpsychologisches Handlungsmotiv, das als Abwehrreaktion auf psychischen Druck verstanden werden kann."
Antwort: Schwachkopf :-)

Freund:
Ja, genau ;) "Reaktanz wird in der Regel durch psychischen Druck (z.B. Nötigung, Drohungen, emotionale Argumentführung) [..] ausgelöst."

Off the Record:
Ich:
Mir ist zwar nicht klar, wo er in den Texten emotionale Argumentation findet. Ich bin ihm aber sehr dankbar für die Offenbarung der Reaktanz. Es folgt die Jawoll!-Wikipedia-Beschreibung des Verhaltens meiner besten Freunde, dem ich bei dem Thema "vegan essen" leidvoll ausgeliefert bin:

"Typisch für die Reaktanz ist eine Aufwertung der eliminierten Alternative, (Hier: Viel Fleisch ist gut!) d.h. gerade diejenigen Freiheiten, die der Person genommen wurden, werden nun als besonders wichtig erlebt. (Hier: Ich will aber! Ich will aber! Ich brauch aber! Ihr wollt es mir nur madig machen! Aber...!)

Die betroffene Handlungsmöglichkeit kann der Person zuvor völlig unwichtig gewesen sein. (Hier: Wegen stabiler Gesundheit, zu viel klassischer Schulbildung, mangelhafter Lebensbildung und politischem Desinteresse.)

Im Extremfall hat die Person von dieser Handlungsmöglichkeit vor dem Eintreten der Beschränkung nie Gebrauch gemacht, übt die Handlung aber seit dem Eintreten der Einschränkung aus. (Hier: Jetzt erst recht, ihr blöden Veganer!)

Reaktantes Verhalten besteht darin, solche Handlungen nun erst recht auszuführen. Auf diese Weise möchte sich die betroffene Person diese Freiheiten gleichsam zurückerobern (auch wenn dies ggf. gar nicht mehr möglich ist) (Hier: Die Faktenlage sich zunehmend zuspitzt und nur harte Ignoranz diese beiseite wischen kann.)